Dennoch scheint dieser Karlsruher Kaminentwurf (IX 5159-35-30-1 und IX 5159-35-31-5 ) über das Stadium der Entwurfsskizze hinaus weiterentwickelt worden zu sein. So hat sich im vierten Klebealbum des englischen Architekten Thomas Hardwick (1752–1829) im Royal Institute of British Architects (RIBA) in London eine Zeichnung von Giuseppe Manocchi (1731–1782) erhalten, die eine leicht veränderte Version des Kaminentwurfes zeigt (Abb. 3).[1]
Abb. 3: Giuseppe Manocchi, Kaminentwurf nach Piranesi, 1766, schwarze Kreide, etwa 290 x 265 mm, London, Royal Institute of British Architects, Hardwick-Album VOS/5 f.26 © RIBA Collections, RIBA127520Der Fries im Kaminsturz ist hier verkürzt, es gibt nur zwei girlandentragende Eroten, die sich von der dazwischen eingesetzten und von einer Muschel hinterfangenen Büste abwenden. Diese Komposition wurde offenbar direkt aus dem mittleren Segment des Karlsruher Blattes übernommen, während die Posen der beiden Eroten leicht abgewandelt beziehungsweise gespiegelt sind. Der weitere Friesverlauf ist nur noch angedeutet, die zweite Girlande flüchtig skizziert und das Horn des abschließenden Bukranions im proportionalen Zusammenhang unklar positioniert. Als alternative Entwurfslösung setzte Manocchi außerdem die Wange des Kamins, die hier auf einer rechteckigen Basis zu stehen kommt, weiter nach innen, sodass sie mit dem rechten Eroten eine vertikale Achse bildet. Notizen in der Handschrift Manocchis auf der Rückseite des Blattes, die sich auf den November 1766 beziehen, legen nahe, dass die Zeichnung zu dieser Zeit oder auch kurz danach ausgeführt wurde. Damit ist auch ein Hinweis für die Datierung des Karlsruher Entwurfes gegeben: Er dürfte vor der Zeichnung Manocchis entstanden sein, d.h. kurz vor oder im Jahre 1766. Denn dem Karlsruher Blatt ist in seiner skizzenhaften Ausführung ein entwerfender Charakter eigen, während Manocchi seine Zeichnung weitaus determinierter und präziser im Sinne einer Nach- oder Reinzeichung anlegte.
Giuseppe Manocchi war im selben Umfeld wie Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793) tätig. Auch er war ein Schüler von Charles-Louis Clérisseau (1721–1820) und fertigte in Rom für verschiedene Auftraggeber Ornamentzeichnungen an, die bislang nur ansatzweise bearbeitet wurden.[2] Wie auch im Fall von Lhuillier finden sie sich in den Klebealben der zahlreichen Architekten, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Rom aufgehalten haben. Die Zeichnungen reichen von skizzenhaften ornamentalen Details, Grotesken, antiken Friesen , Decken- und Kaminstudien in Feder bis hin zu sauber ausgearbeiteten, in Wasserfarben bunt angelegten Bauaufnahmen und Entwürfen von Decken im antiken wie renaissancezeitlichen Geschmack sowie Landschaftsstudien.
1763 wurde Manocchi von den Brüdern Robert und James Adam nach London geholt, um in deren Architekturbüro zu arbeiten.[3] Bislang wurde in der Forschung angenommen, er sei erst 1773 nach Rom zurückgekehrt. Diese Vermutung basiert offenbar auf einer ungenauen Aussage des Architekten George Richardson, der in seinem 1776 erschienenen Buch A Book of Ceilings, Composed in the Style of the Antique Grotesque angibt, Manocchi sei 18 Jahre lang für Adam tätig gewesen.[4] Karen Buttler konnte 2014 aber erstmals auf Grundlage eines Briefs von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800) und einer auf 1767 datierten und dem Botschafter von Malta gewidmeten Zeichnung einer antiken Decke im Hardwick-Album, Bd. 3, fol. 67 des RIBA, schlüssig nachweisen, dass Manocchi bereits zu diesem Zeitpunkt wieder in Rom gewesen sein muss.[5] 1769 war er bei Piranesi angestellt, wie aus einem Brief des Architekten James Byres (1733–1817) an John Stuart, 3. Earl of Bute (1713–1792) vom 20. Mai jenes Jahres hervorgeht: „Gioseppe Manocchi, who went to England with Mr. Adams and worked there sometime for him. but I believe ran away and left him. he is now under Engagements with Piranesi but has some hours of the day to himself which he employs in Painting in that way….”.[6]
Die Zeichnung nach dem Kaminentwurf Piranesis legt jedoch nahe, dass sich Manocchi bereits um den November 1766 oder bald darauf in Rom befand und offenbar schon zu diesem Zeitpunkt mit Piranesi zusammenarbeitete. In den Hardwick-Alben des RIBA befinden sich zudem weitere Kaminzeichnungen Manocchis, in denen Piranesis Entwürfe variiert werden. Möglicherweise reflektieren sie Manocchis Tätigkeit in der Piranesi-Werkstatt, die in der zweiten Hälfte der 1760er Jahre zu einer Zeit erfolgte, als die ab 1767 in Einzelblättern und 1769 vollständig publizierten Radierungen der Diverse maniere gerade in Vorbereitung waren.
Georg Kabierske und Stefan Morét
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