Das Blatt lässt sich in eine Reihe von Darstellungen extravaganter Möbelstücke einordnen, die Piranesi neben dekorativen Kandelabern und Kaminen entwarf. Einige davon wurden 1769 in der Serie Diverse Maniere publiziert. Für die Appartements einflussreicher Förderer ließ Piranesi einige davon als dreidimensionale Ausstattungsstücke ausführen.[1]
Abb. 3: Anonym nach Giovanni Battista Piranesi, Konsoltisch, Lindenholz vergoldet, um 1769, 915 x 1420 × 695 mm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. BK-1971-14Public Domain Mark 1.0 Beispielsweise entstanden für den Großprior des Malteserordens Giovanni Battista Rezzonico (1740–1783) zwei ursprünglich zusammengehörige Konsoltische mit geflügelten Löwenprotomen, die heute im Rijksmuseum in Amsterdam (Inv. BK-1971-14 ) (Abb. 3) und im Minneapolis Institute of Art (Inv. 64.70 ) aufbewahrt werden. Aus Lindenholz geschnitzt und anschließend vergoldet, erscheinen die Möbel durch den ineinander übergehenden antikisierenden und vegetabilen Dekor wie eine Skulptur aus einem Guss. Piranesi schuf dabei eine eigenständige Formensprache, indem er antike Ornamentik verschiedener Stilrichtungen mit aus der Natur entlehnten Vorbildern vereinte, die Künstler zu neuer Kreativität anregen sollte. Diese Objekte reflektieren darüber hinaus den Einfluss antiken Mobiliars, das in jener Zeit in Herkulaneum und Pompeji ausgegraben wurde.[2]
Gleichwohl wurden Möbelstücke schon seit dem 16. Jahrhundert mit Fabelwesen, Tierfüßen, Naturformen und Ornamentik gestaltet, wenn auch deutlich zurückhaltender. Vorläufer für Piranesis Tischentwürfe sind etwa im französischen Rokoko des frühen 18. Jahrhunderts zu finden, wie etwa eine Konsole im Metropolitan Museum vor Augen führt (Inv. 07.225.181a, b ).
Die Radierungen der Diverse Maniere inspirierten in der Folge zahlreiche internationale Zeichner, Ausstattungskünstler und Kunsttischler (Ebenisten) zu ähnlichen Stücken.[3] Inwiefern der kleine Konsoltisch im Currier Museum of Art in Manchester, USA (Inv. 2019.52 ), tatsächlich auf das direkte Einwirken Piranesis zurückgeht oder vielmehr von ihm inspiriert ist, wäre noch zu klären.[4] Vergleichbar mit der hier vorliegenden Zeichnung, sind die geschwungenen Beine und der Schmuck mit Widderköpfen und Girlanden.
Abb. 4: Giovanni Battista Piranesi, Zwei Konsoltische, Radierung, in: ders., Diverse Maniere, Rom 1769, Taf. 11 (Detail), Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, Inv. SM-GS 6.2.692CC BY-NC-SA 3.0 Die Zeichnung aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe wurde mit nur wenigen Änderungen für die Tafel 11 der Diverse Maniere übernommen (Abb. 4), die Tische stimmen in den Maßen fast überein (siehe Prozesse historischer Nutzung ). Unterhalb eines größeren Tisches wird der Konsoltisch dort als Trompe l’œil inszeniert: Als „Bild im Bild“ erscheint er illusionistisch auf einem separaten Blatt mit umgefalteten Ecken, das wie eine Entwurfszeichnung im Werkstattkontext mit Stecknadeln auf dem scheinbaren Untergrund eines größeren Blattes des anderen Tisches angepinnt wurde. Anstelle der Widderköpfe sind allerdings Masken getreten, die einen Kontrast zu dem widderkopfgeschmückten großen Tisch darüber bilden, und der Rankdekor wurde seitlich entlang den Füßen nach oben etwas erweitert.
An den Schmalseiten der Zeichnung erscheinen zudem überwiegend vertikal skizzierte Striche (siehe Abb. 1 ). Entweder handelt es sich hier um Pentimenti aus dem Entwurfsprozess oder um die perspektivisch verkürzt angedeutete Abwicklung der Schmalseiten und der hinteren Tischbeine beziehungsweise Wandstützen. Wäre letzteres der Fall, könnte eine Umsetzung als reales Möbelstück angedacht gewesen sein. In der Radierung tauchen die Striche zumindest nicht auf, dort wird die Front lediglich als flaches und ornamentales Musterblatt wiedergegeben.
Georg Kabierske
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