Das antike Vorbild für die Zeichnung, auf der ein Abschnitt eines antiken Frieses mit zwei einander an einem Kandelaber gegenüberstehenden Löwengreifen dargestellt ist, deren Körper in Blattranken übergehen, ist bisher nicht genau identifiziert worden. Lediglich einer der Löwengreifen ist vollständig dargestellt, während von dem anderen nur der vordere Teil des Körpers zu sehen ist. Rechts erkennt man weiterhin zwei Teile der zu den Löwengreifen gehörenden Wellenranke. Dort müsste nach rechts eine weitere Greifengruppe anschließen, doch endet hier offenbar das Fragment.
In der Villa Albani in Rom existieren mehrere Bruchstücke dieses Frieses, die motivisch und stilistisch aufs engste mit dem in der Zeichnung dargestellten Friesabschnitt verbunden sind.[1] Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen die Friesstücke aus dem Theater der Villa des Domitian in Castelgandolfo. Im Antiquarium der dortigen Villa Barberini, die auf dem Territorium der ehemaligen Kaiservilla liegt, befinden sich weitere Stücke dieses Frieses.[2] Neben motivischen Übereinstimmungen ist allen Friesteilen der Rahmen mit laufendem Hund gemeinsam. Bei einigen ist zudem – wie auf unserer Zeichnung zu sehen – ein Blattfries erhalten.
Der Abschnitt, den der Zeichner des Karlsruher Blattes wiedergegeben hat, befindet sich nicht unter den an verschiedenen Stellen der Villa Albani montierten Bestandteilen des Frieses. Ebenso wenig taucht er unter den bisher publizierten Stücken auf, die sich noch in Castelgandolfo befinden. Dennoch erscheint es denkbar, dass das Friesdetail in der Villa Albani gezeichnet wurde. Denn Piranesi publizierte am unteren linken Rand von Taf. 96 der Vasi, candelabri einen weitgehend mit der Zeichnung übereinstimmenden Dreifuß als Einzeldarstellung, der sich laut erklärender Legende auf einem Marmorrelief in der Villa Albani befunden haben soll.[3] Der Duck ist seitenverkehrt zur Zeichnung wiedergegeben, von der Flammenschale hängen vertikal jedoch keine Kordeln herab. Unser herzlicher Dank gilt Steffi Roettgen, die erstmals auf diesen Bezug hinwies.
Piranesi hat das Motiv der Zeichnung 1769 in einem radierten Kaminentwurf im Stickwerk Diverse maniere , Tafel 7 (Abb. 1), verwendet und es dort symmetrisch ergänzt. Das Blatt stellt wegen seiner stark abweichenden Größe jedoch nicht die finale Vorzeichnung für den entsprechenden Teil der Radierung dar. Vielmehr ist anzunehmen, dass die genaue Wiedergabe des Motivs als Inspiration für das Detail in der Radierung diente (siehe auch IX 5159-35-12-1 ).
Abb. 1: Giovanni Battista Piranesi: Kaminentwurf, Radierung, in: Diverse maniere, 1769, Taf. 7, Museumslandschaft Hessen-Kassel, Kupferstichkabinett, Inv. SM-GS 6.2.692 (fol. 33)CC BY-NC-SA 3.0 Einige Jahre nach der Publikation der Diverse maniere 1778 hat Piranesi einen anderen Abschnitt des Frieses in den Vasi, candelabri publiziert (Tafel 88), und zwar denjenigen Teil, der in der Galleria del Canopo in der Villa Albani als soprafinestra eingemauert ist.[4]
Als Zeichner des Blattes kommt wegen der stilistischen Nähe zu anderen Zeichnungen im Karlsruher Konvolut und in der Berliner Kunstbibliothek der französische Zeichner und Ornamentbildhauer Nicolas François Daniel Lhuillier (1736?–1793) in Frage, der um 1755 bis 1768 in Rom als Zeichner für reisende Architekten tätig war und vermutlich auch für die Piranesi arbeitete. Dass er auch weitere Teilstücke des Frieses zeichnete, zeigen Blätter aus der Sammlung von Pacetti in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz. 619, Hdz. 620), auf die Bénédicte Maronnie erstmals im Zusammenhang mit Lhuillier aufmerksam machte.[5] Hierdurch ergibt sich ein Hinweis auf die Datierung der Zeichnung in die Jahre um 1755 bis 1768 (siehe auch Essay „Stilistische Gruppen“, Gruppe 6 ). Ein weiteres vergleichbares Teilstück (mit Greifen statt Löwen) ist bereits 1772 als Tafel 49 im dritten Band von Bartolomeo Cavaceppis Raccolta erschienen. Als Vorlage wurde dabei vermutlich die gleich große und identische Zeichnung Lhuilliers genutzt, die wahrscheinlich aus der Sammlung von Cavacceppi zu Pacetti gelangte und die sich heute in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz. 620) befindet.[6]
Georg Kabierske und Stefan Morét
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