Piranesi war auch für seine Innendekorationen und seine Kaminentwürfe berühmt, die sich über seine Radierungen vor allem in England verbreiteten. So diente auch diese Zeichnung eines Konsoltisches als Vorarbeit für eine Darstellung in seinem 1769 publizierten Tafelwerk Diverse maniere d'adornare i cammini. In den Maßen stimmt sie fast mit dem Druck überein. Spuren einiger Stecknadeleinstiche oberhalb des Motivs weisen auf eine Übertragung mit einem geölten Papier hin. Mehr Informationen zu den Übertragungstechniken sind dem Essay “Mit Öl und Wasser kopiert” zu entnehmen.
Werkdaten
Künstler
Giovanni Battista Piranesi (1720–1778), Gruppe 1
Ort und Datierung
Rom, vor 1769
Abmessungen (Blatt)
104 x 182 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-34-4
- Zeichenmedien
Feder in Braun (Eisengallustinte); weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Georg Kabierske: A Cache of Newly Identified Drawings by Piranesi and His Studio at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Master Drawings 53, 2015, S. 147–178, hier S. 167, Abb. 30 und S. 173, Abb. 43; Giovanna Scaloni: Un camino e due tavoli da muro, di cui uno riprodotto illusivamente su un foglio, in: Ginevra Mariani (Hg.): Giambattista Piranesi. Matrici incise 1762–1769, Rom 2020, S. 278f, Nr. 94.
- Hadernpapier
Vergé; vermutlich italienische Herstellung; Papierseite der Zeichnung nicht zuweisbar; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Beschreibung und Komposition
Die Federzeichnung stellt den Entwurf für einen ägyptisierenden Konsoltisch dar, der in frontaler Ansicht wiedergegeben ist. Die Mittelachse des Tischgestells wird durch eine Lyra akzentuiert, links und rechts flankiert von zwei einander zugewandten Löwengreifen. Sowohl aus dem unteren Ende des Instruments als auch aus den Schwänzen der Fabelwesen wachsen Ranken heraus, welche die Tierwesen mit dem Musikinstrument ornamental verbinden. Die seitlichen geschwungenen Cabriole-Beine sind am unteren Ende möglicherweise als Hufe ausgebildet, die am oberen Ende entsprechend in auswärts gerichtete Widderköpfe im Profil übergehen, an denen Girlanden herabhängen. Auf dieser Höhe knapp unter der Tischplatte wird die Horizontale mit Ornamentbändern, drei antikisierenden Theatermasken sowie dazwischen aufgehängten Girlanden gegliedert. Die mittlere Maske greift dabei die Gesichtspartie einer ägyptischen Totenmaske auf. Die Konturen der Tischplatte sind zügig umrissen und der Luftraum innerhalb des Tischgestells ist mit lockeren, schräg gesetzten Schraffuren ausgefüllt. An den Schmalseiten der Zeichnung erscheinen zudem überwiegend vertikal skizzierte Striche, bei denen es sich entweder um Pentimenti aus dem Entwurfsprozess oder um perspektivisch verkürzt angedeutete Abwicklung der Schmalseiten und der hinteren Tischbeine handelt (Abb. 1).
Auf ein entwerfendes Vorgehen im zeichnerischen Prozess lässt der linke Widderkopf schließen, der erst in einem zweiten Schritt über das zunächst bis zur Tischplatte hochgeführte Tischbein gezeichnet wurde. An der rechten Seite lassen sich keine Pentimenti erkennen, sodass anzunehmen ist, dass diese Zusammenstellung während des Zeichenvorgangs bereits feststand (Abb. 2).
Georg Kabierske
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Das Blatt lässt sich in eine Reihe von Darstellungen extravaganter Möbelstücke einordnen, die Piranesi neben dekorativen Kandelabern und Kaminen entwarf. Einige davon wurden 1769 in der Serie Diverse Maniere publiziert. Für die Appartements einflussreicher Förderer ließ Piranesi einige davon als dreidimensionale Ausstattungsstücke ausführen.[1]
Beispielsweise entstanden für den Großprior des Malteserordens Giovanni Battista Rezzonico (1740–1783) zwei ursprünglich zusammengehörige Konsoltische mit geflügelten Löwenprotomen, die heute im Rijksmuseum in Amsterdam (Inv. BK-1971-14) (Abb. 3) und im Minneapolis Institute of Art (Inv. 64.70) aufbewahrt werden. Aus Lindenholz geschnitzt und anschließend vergoldet, erscheinen die Möbel durch den ineinander übergehenden antikisierenden und vegetabilen Dekor wie eine Skulptur aus einem Guss. Piranesi schuf dabei eine eigenständige Formensprache, indem er antike Ornamentik verschiedener Stilrichtungen mit aus der Natur entlehnten Vorbildern vereinte, die Künstler zu neuer Kreativität anregen sollte. Diese Objekte reflektieren darüber hinaus den Einfluss antiken Mobiliars, das in jener Zeit in Herkulaneum und Pompeji ausgegraben wurde.[2]
Gleichwohl wurden Möbelstücke schon seit dem 16. Jahrhundert mit Fabelwesen, Tierfüßen, Naturformen und Ornamentik gestaltet, wenn auch deutlich zurückhaltender. Vorläufer für Piranesis Tischentwürfe sind etwa im französischen Rokoko des frühen 18. Jahrhunderts zu finden, wie etwa eine Konsole im Metropolitan Museum vor Augen führt (Inv. 07.225.181a, b).
Die Radierungen der Diverse Maniere inspirierten in der Folge zahlreiche internationale Zeichner, Ausstattungskünstler und Kunsttischler (Ebenisten) zu ähnlichen Stücken.[3] Inwiefern der kleine Konsoltisch im Currier Museum of Art in Manchester, USA (Inv. 2019.52), tatsächlich auf das direkte Einwirken Piranesis zurückgeht oder vielmehr von ihm inspiriert ist, wäre noch zu klären.[4] Vergleichbar mit der hier vorliegenden Zeichnung, sind die geschwungenen Beine und der Schmuck mit Widderköpfen und Girlanden.
Die Zeichnung aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe wurde mit nur wenigen Änderungen für die Tafel 11 der Diverse Maniere übernommen (Abb. 4), die Tische stimmen in den Maßen fast überein (siehe Prozesse historischer Nutzung). Unterhalb eines größeren Tisches wird der Konsoltisch dort als Trompe l’œil inszeniert: Als „Bild im Bild“ erscheint er illusionistisch auf einem separaten Blatt mit umgefalteten Ecken, das wie eine Entwurfszeichnung im Werkstattkontext mit Stecknadeln auf dem scheinbaren Untergrund eines größeren Blattes des anderen Tisches angepinnt wurde. Anstelle der Widderköpfe sind allerdings Masken getreten, die einen Kontrast zu dem widderkopfgeschmückten großen Tisch darüber bilden, und der Rankdekor wurde seitlich entlang den Füßen nach oben etwas erweitert.
An den Schmalseiten der Zeichnung erscheinen zudem überwiegend vertikal skizzierte Striche (siehe Abb. 1). Entweder handelt es sich hier um Pentimenti aus dem Entwurfsprozess oder um die perspektivisch verkürzt angedeutete Abwicklung der Schmalseiten und der hinteren Tischbeine beziehungsweise Wandstützen. Wäre letzteres der Fall, könnte eine Umsetzung als reales Möbelstück angedacht gewesen sein. In der Radierung tauchen die Striche zumindest nicht auf, dort wird die Front lediglich als flaches und ornamentales Musterblatt wiedergegeben.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Siehe weiterführend: William Rieder: Piranesi’s Diverse Maniere, in: The Burlington Magazin 115, 1973, S. 308–317; John Wilton-Ely: Nature and Antiquity. Reflections on Piranesi as a Furniture Designer, in: Furniture History 26, 1990, S. 191–197, hier S. 193f.
2. Siehe John Wilton-Ely: Design trough Fantasy. Piranesi as Designer, in: Sarah E. Lawrence (Hg.): Piranesi as Designer, New York 2007, S. 71.
3. Siehe dazu Zeichnungen von Giuseppe Barberi (1746–1809) im Cooper-Hewitt Smithsonian Design Museum in New York, z.B. Inv. 1938-88-2071, 1938-88-2075, 1938-88-2089 oder Giuseppe Manocchi (1731–1782) in den Hardwick-Alben des Royal Institute of British Architects.
4. Der Konsoltisch wurde am 2. Dezember 2008 bei Sotheby’s, London verkauft: Important Continental Furniture, Ceramics And Clocks, Los 106 (Stand: 16.06.2022). Während er dort nur allgemein mit Piranesis Möbelentwürfen in Verbindung gebracht wurde, wird er im Currier Museum of Art in Manchester, USA, Piranesi direkt und ohne Angabe von Belegen zugeschrieben.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Dass die Radierungen der Diverse Maniere als Inspirationsquelle für andere Künstler dienten, belegt etwa eine lavierte Federzeichnung eines anonymen Zeichners im Cooper-Hewitt Smithsonian Design Museum in New York (Inv. 1931-64-82), die den Tischentwurf abgewandelt rezipiert.
Georg Kabierske
- Zuschreibungshypothesen
Stilistisch lässt sich diese Karlsruher Zeichnung in den über mehrere Sammlungen verteilten Bestand von Federzeichnungen Giovanni Battista Piranesis für dekorative Ausstattungsstücke und Kamine einordnen, die ein energischer Zeichenstil auszeichnet. Zu vergleichen ist beispielsweise ein weiterer Konsoltisch mit Widderköpfen in der Kunstbibliothek Berlin, der in den Diverse Maniere oberhalb des Karlsruher Entwurfs Verwendung fand. Vergleichbare dekorative Elemente gehörten auch als Einzelzeichnungen zur Motivsammlung der Werkstatt, aus denen Piranesi seine dekorativen Arbeiten komponierte. Im Konvolut der Morgan Library in New York finden sich Zeichnungen von Widderköpfen (Inv. 1966.11:29, 1966.11:34) und Masken (Inv. 1966.11:43, 1966.11:44, 1966.11:45), in den Karlsruher Klebealben gibt es verschiedene Friese mit Löwengreifen (IX 5159-35-2-3, IX 5159-35-3-1, IX 5159-35-7-2). Die vorliegende Zeichnung muss aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung mit der Radierung in Vorbereitung der Diverse Maniere entstanden sein. Während die gesamte Serie 1769 gedruckt wurde, waren einzelne Blätter bereits zuvor in Umlauf. Die Vorbereitung dürfte bereits in die erste Hälfte der 1760er Jahre zurückreichen.
Georg Kabierske
- Kunsthistorische Bedeutung
Im Gegensatz zu den Piranesi-Konvoluten der Morgan-Library in New York oder der Kunstbibliothek Berlin handelt es sich bei dieser detaillierten Federzeichnung eines Konsoltisches um den einzigen Entwurf für ein Möbelstück in den Karlsruher Klebealben. Als „Bild im Bild“ erscheint er fast identisch auf Tafel 11 der Diverse Maniere. Vorhanden sind zudem die Kaminstudien IX 5159-35-9-6v, IX 5159-35-21-3v, IX 5159-35-30-1, IX 5159-35-31-5, die einen weiteren direkten Bezug zu diesem Druckwerk herstellen. Hinzu kommt noch eine Vorzeichnung für den Kamin auf Tafel 30, die sich auf der Rückseite einer weiteren Piranesi-Zeichnung befindet, die in das Klebealbum des Weinbrenner-Schülers Heinrich Geier (Archiv für Architektur und Ingenieurbau [saai], KIT, Karlsruhe, Inv. Geier 1, fol. 113) eingeklebt worden ist.[1]
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Das auf der Vorderseite wiedergegebene Säulenfragment wurde erst 1790 von Francesco Piranesi in einer zusätzlichen Tafel zu den Vasi, candelabri in eine Radierung umgesetzt. Bis auf dieses Blatt enthält das Klebealbum ansonsten Transparentpausen, die Geier während seines Architekturstudiums in Weinbrenners Bauschule anfertigtee, darunter auch etliche Kopien nach Motiven aus den beiden Piranesi-Alben der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Da diese weitere eigenhändige Piranesi-Zeichnung in den Alben der Kunsthalle nirgends fehlt – es gibt keine Leerstelle mit Klebespuren –, scheinen die Zeichnungen zum damaligen Zeitpunkt noch in einem anderen Kontext, wie etwa einer losen Blattsammmlung, aufbewahrt worden zu sein. Zudem ging Geier möglicherweise davon aus, dass es sich um eine von Friedrich Weinbrenner selbst in Italien angefertigte Zeichnung handelte. Diesem ist das Blatt auf dem Albumpapier zugeschrieben („Original von Weinbrenner“). Möglicherweise erfolgte diese Zuordnung aber erst unter Arthur von Schneider, der sich um 1960 mit den Zeichnungen von Weinbrenners Italienreise befasste. Erstmals publiziert in: Georg Kabierske: Weinbrenner und Piranesi. Zur Neubewertung von zwei Grafikalben aus dem Besitz Friedrich Weinbrenners in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, in: Brigitte Baumstark/Joachim Kleinmanns/Ursula Merkel (Hg.): Friedrich Weinbrenner, 1766–1826: Architektur und Städtebau des Klassizismus, Ausst. Kat. Karlsruhe, Städtische Galerie und Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau, Petersberg 2015 (2. Aufl.), S. 75–87, hier S. 84 u. S. 436f, Nr. 11.47 (damals Francesco Piranesi zugeschrieben).
- Merkmale des Papiers
Ohne Wasserzeichen
Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt; mittlere Stärke; knötchenhaltiger Faserstoff mit einzelnen eingebetteten Wollhaaren; einige metallhaltige Einschlüsse; deutliche Siebmarkierung und prägnante Filzmarkierung (Detail 1 und Detail 3, Streiflicht).
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Feder in Braun (Eisengallustinte; Details 1, 2 und 3): Kräftige, braunschwarze Linien, teilweise mit Craquelé (Details 1, 2 und 3); leicht hofbildend, UV-Strahlung auslöschend (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); verblassend im IRR-Bild (Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: bläulicher Farbklecks mit blaufarbigen Pigmentpartikeln am unteren Rand (Detail 4).
Detail 1Intensiver, mehrfacher Tintenauftrag, teils frisch angelegte, noch feuchte Tintenaufträge verdrängend (horizontale Striche u.M.)
Detail 3Unterschiedlich deckender und verschieden breiter Tintenauftrag
Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnung wurde unter Zuhilfenahme eines Lineals für die waagrechten geraden Linien, ansonsten frei in Feder ausgeführt. Die Striche sind teils schmal. Vor allem die schmalen Schraffuren sind so flüchtig leicht gesetzt, dass die Tinte nur auf den Erhebungen des Papiers anlagert und somit häufig ein durchbrochenes Strichbild erzeugt wird (Details 1 und 2). Anderenorts ist der Tintenstrich breit und in kräftigen, oft wenig modulierenden Linien gesetzt. Sie lassen in den stark akzentuierten Bereichen, wo sie stellenweise das Papier eindrücken, den Strich einer Rohrfeder vermuten (Detail 1).
Maria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An allen vier Kanten beschnitten; oben paarige Stecknadeleinstiche mit im UVF-Bild dunklen Rändern; verso ausgerissene Ecken, dort Rückstände ehemaliger Klebepunkte, braune Verfärbung und unter UV-Fluoreszenz dunkel hervortretend (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); Insektenfraß am oberen Rand links.
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Die Zeichnung hat mit leichten, proportionalen Abweichungen fast dieselben Maße wie das gedruckte Motiv in den Diverse manière d’adornare i cammini (Abb. 1). Auch wenn es aufgrund vergleichbarer eigenhändiger Skizzen Piranesis in anderen Sammlungen wahrscheinlich ist, dass mehrere Schritte zwischen dieser Skizze und der Übertragung auf die Druckplatte liegen, deuten die Spuren einiger Stecknadeleinstiche oberhalb der Zeichnung auf eine Übertragung mit geöltem Papier hin (siehe Essay „Mit Öl und Wasser kopiert").
Montierungshistorie
Auch auf diesem Blatt gibt es Hinweise auf eine frühere Montierung in Form von gedünnten Ecken (Durchlicht, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Maria Krämer
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