Das Blatt gehört zu den wenigen in Feder ausgeführten Zeichnung in den Karlsruher Klebealben. Der lockere Zeichenstil und der Einsatz von braun gefärbter Eisengallustinte lässt sich mit den dekorativen Entwürfen Piranesis für Kamine und Möbelstücke in Verbindung bringen, in denen wiederholt Ornamentbänder detailliert dargestellt sind. Das Palmettenband ist etwa mit Kaminentwürfen in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz 6318 und Hdz 6301) zu vergleichen, in denen auch ein solches Ornament eingefügt ist. Charakteristisch für Piranesi sind sowohl die diagonalen Zickzack-Schraffuren in den verschatteten Partien zwischen den ornamentalen Pflanzenblättern als auch das summarische und wässrige Umreißen der Konturlinien (Abb. 1).
Abb. 1: Detailvergleich zwischen Basis eines Pilasters oder Kaminsturz, 1760er Jahre (?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-33-2 (oben); Giovanni Battista Piranesi, Entwurf für einen Kamin mit Adler, Girlande und Satyrköpfen, um 1764–1767, Feder in Braun und rote Kreide, 220 x 152 mm, New York, The Morgan Library & Museum, Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. Morgan, Inv. 1966.11:69 recto (unten) © The Morgan Library & Museum. 1966.11:69. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. MorganDie am rechten Rand des unteren Eichenlaubs eingefügte Rosette ist überdies mit einer sehr ähnlichen Rosette in der Zeichnung des Rython-Kandelabers (IX 5159-36-30-1 ) sowie mit den Rosetten in einem Kaminentwurf in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz 6309) zu vergleichen. In Übereinstimmung mit weiteren Zeichnungen, beispielsweise dem Detail eines Kamins in der Morgan Library (Inv. 1966.11:78 ) oder dem Tischentwurf in Karlsruhe (IX 5159-35-34-4 ) stehen auch die mit Lineal gezogenen und teilweise brüchigen Linien, bei denen die Feder ohne satten Tintenauftrag über das Papier kratzte.
Abb. 2: Giovanni Battista Piranesi, Skizzen von Ornamentstücken, um 1770–1775, Feder in Braun und unbekannter Mitarbeiter der Piranesi-Werkstatt, Palmette-Akanthus-Fries, schwarze Kreide, 210 x 320 mm © The Morgan Library & Museum. 1966.11:47. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. MorganEs sind jedoch nur sehr wenige Blätter von der Hand Piranesis bekannt, die Ornamentstudien in einer vergleichbaren Detailaufnahme zeigen, eines davon in der Morgan Library. Während sich die Karlsruher Zeichnung jedoch auf den detaillierten Ausschnitt einer Pilasterbasis oder eines Kaminsturzes konzentriert, gibt das New Yorker Blatt eher skizzenhaft eine Vielzahl unterschiedlicher Ornamentstudien wieder, deren Funktion sich nicht immer klar benennen lässt. Vermutlich handelt es sich bei der Federskizze oben links ähnlich wie möglicherweise auf dem Karlsruher Blatt um einen Kaminsturz. Grundsätzlich erschweren die wenigen Ornamentmotive in der Karlsruher Zeichnung, direkt vergleichbare Gegenstücke in anderen Studien zu finden. Somit bleiben bei der hier vorgeschlagenen Zuschreibung an Piranesi letzte Zweifel, denn im Kontext der Werkstatt wurde sein Zeichenstil imitiert. Es könnte also auch ein Mitarbeiter der Werkstatt diese Ornamente skizziert haben, ein Umstand, der weder bestätigt noch widerlegt werden kann. Vor dem Hintergrund des gesamten Karlsruher Konvoluts und seiner Provenienz ist dennoch eine Urheberschaft Giovanni Battista Piranesis anzunehmen. Die auf der Rückseite vorhandene Skizze eines Bogens lässt zusätzlich auf die Herkunft des Blattes direkt aus der Piranesi-Werkstatt schließen (siehe IX 5159-35-33-1v).
Alternativ zu dieser Betrachtung zog Stefan Morét eine Zuschreibung an Giuseppe Manocchi (1731–1782) in Erwägung, der dem Architekten James Byres (1733-1817) zufolge 1767 auch für Piranesi gearbeitet haben soll.[1] Etliche seiner zumeist signierten Federzeichnungen befinden sich in den sieben Klebealben des Architekten Thomas Hardwick (1752–1829) im Royal Institute of British Architects in London und dienten hier als Vergleichsbasis. Sie zeigen vor allem antike Raumdekorationen und solche der Hochrenaissance, aber auch eine Reihe von Kaminzeichnungen, in denen Piranesis Entwürfe variiert werden (siehe auch IX 5159-35-30-1 ). Seine Zeichnungen lassen stilistisch auf den ersten Blick an Piranesi denken, da Manocchi ornamentale Elemente oftmals nur exemplarisch wiedergab und die gesamte Komposition nur zur Hälfte zeichnete. Er zeigt dabei eine routinierte Hand, füllt etwa ebenso wie in der Karlsruher Zeichnung tiefer liegende Flächen zwischen den Ornamenten mit Parallel- oder Zickzack-Schraffuren auf. Dennoch sind Manocchis Linien feiner und präziser gesetzt und seine Zeichnungen wirken tendenziell eintönig, da sie trotz ornamentaler Vielfalt streng und eher im Sinne einer fertigen Reinzeichnung angelegt sind.
Georg Kabierske
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