Diese Zeichnung nach einem Friesstück mit Schiffstrophäen wurde gemeinsam mit zwei weiteren Darstellungen vergleichbarer Motive (IX 5159-35-12-2 und IX 5159-35-12-3) auf einer Albumseite eingeklebt. Wiedergegeben ist eines der meistkopierten Reliefs, das bis ins frühe 18. Jahrhundert in der römischen Kirche San Lorenzo fuori le mura zu sehen war. Der Grund für das große Interesse an dem antiken Stück lag vor allem in der Seltenheit der wiedergegebenen Schiffstrophäen. Schiffsschnabel mit Hundekopf (Prora rostrata), Steuerruder, ein Anker, eine Heckzier in Fächerform (Aplustre) sind Motive, die Piranesi dem Vorbild entnahm und in seinen eigenen dekorativen Neuerfindungen wiederverwendete. Auch wenn diese Elemente Piranesi bereits aus früheren Darstellungen bekannt waren, verwundert es nicht, dass sich eine solche Zeichnung im Arbeitsmaterial seiner Werkstatt befand.
Abschnitt eines Frieses mit Bukranien, kultischen Geräten und Schiffstrophäen aus den Kapitolinischen Museen
Werkdaten
Künstler
Unidentifizierter Schüler der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 9
Ort und Datierung
Rom, zweite Hälfte der 1760er Jahre, sicher vor 1778
Abmessungen (Blatt)
118 x 502 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-12-1
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide mit Überarbeitung in schwarzem Stift (vermutlich Kreide) mit fetthaltigem Bindemittel; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Vergé, italienische Herstellung (in den Marken, Fabriano, Serafini-Mühle); Zeichnung auf der Filzseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftungkeine
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Dieses Blatt gehört zu einer Gruppe von drei Zeichnungen (siehe IX 5159-35-12-2, IX 5159-35-12-3) nach antiken Friesstücken mit Schiffstrophäen und Opfergeräten, die im 18. Jahrhundert in der Stanza dei Filosofi in den Kapitolinischen Museen (Palazzo Nuovo) eingemauert wurden (Abb. 1).
Abb. 1: Fries mit Schiffstrophäen aus der Kirche von San Lorenzo fuori le mura, Marmor, 0,59 x 2,27 m, Rom, Kapitolinische Museen
Foto: Neg. D-DAI-Rom 31.657Von den insgesamt sechs Friesstücken aus augusteischer Zeit wird dieses im 1912 erschienenen Katalog von Henry Stuart Jones unter der Nummer 99 aufgeführt.[1] Zu sehen ist von links nach rechts eine Schöpfkelle (Simpulum, der Henkel fehlt), ein Stierschädel (Bukranion), ein Schiffsschnabel mit Hundekopf (Prora rostrata), ein Steuerruder, eine Bugzier in Form eines Gänsekopfes (Cheniscus), ein Anker, eine Heckzier in Fächerform (Aplustre), ein Weihrauchbrenner und eine zweite, spiegelverkehrte Heckzier.[2] Die zwei zugehörigen Zeichnungen entsprechen den bei Stuart Jones aufgeführten Friesteilen Nr. 102 (IX 5159-35-12-2) und Nr. 105 (IX 5159-35-12-3) und stellen – wie die Nr. 107, von der in Karlsruhe keine Zeichnung erhalten ist – vergleichbare Motive dar.[3] Vielleicht existierten noch weitere Zeichnungen nach den drei anderen Friesstücken.[4] Doch könnte auch auf weitere Darstellungen verzichtet worden sein, da das Friesstück Nr. 107 die gleichen Motive wie das Friesstück Nr. 105 (nur in gespiegelter Anordnung) zeigt, und auf den Friesstücken Nr. 100 und Nr. 104 keine Schiffstrophäen, sondern allgemeinere Opfergeräte dargestellt sind. Alle drei Reliefstücke gehörten ursprünglich zur Albani-Sammlung, für die sich Piranesi bekanntlich besonders interessierte.
Die antike Provenienz der Friesstücke ist nicht gesichert. Möglicherweise gehörten sie zur Cella eines Tempels oder eines Gebäudes, das anlässlich eines Seesieges in der Nähe der Porticus Octaviae, vielleicht beim antiken Militärhafen Roms nahe des Marcellus-Theaters (ehem. Zirkus Flaminius), errichtet wurde.[5]
Durch die zahlreichen Renaissance-Nachzeichnungen weiß man, dass sich der Fries im Mittelalter in der Klosterkirche San Lorenzo fuori le mura befand und dort seit dem 13. Jahrhundert als Verzierungselement des Vorchors eingebaut war. Schriftliche Überlieferungen und eine Abbildung in Giovanni Giustino Ciampinis Vetera Monimenta (1690) geben eine präzisere Auskunft über die Platzierung von zwei der Friesstücke im Mittelalter. Dort (Abb. 2) ist das Fragment Nr. 99 mit dem anderen dazugehörigen Stück (Nr. 102 und IX 5159-35-12-2) abgebildet.[6] Im Druck erscheint das Relief spiegelverkehrt als Verzierungselement des sogenannten Evangelienambos, der Kanzel, die sich im Mittelschiff im Bereich des Vorchors, parallel zur Südkolonnade und gegenüber der Epistelkanzel, befindet. Die Friesstücke Nr. 99 und Nr. 102 bilden die Rücklehne der in dem hohen Sockel integrierten Sitzbank.[7] Sie wurden im Laufe der Zeit aus der Sitzbank herausgenommen und sind folglich auf der Zeichnung des Evangelienambos aus dem Nachlass von Séroux d’Agincourt (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, Anonym, BVA, Vat. lat. 13479, fol. 251r) nicht mehr vorhanden.
Abb. 2: Giovanni Giustino, Evangelienambo von San Lorenzo fuori le mura, in: Ciampini: Vetera Monimenta, Rom 1690, Bd. 1, Taf. 13 (Detail), Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 6010 Folio RES 1
Public Domain Mark 1.0Die in der Renaissance entstandenen Zeichnungen (siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination) nach den sechs Friesstücken sind für die Rekonstruktion ihrer Geschichte besonders hilfreich. Die Friese Nr. 100 und Nr. 104 mit heidnischen Opfergeräten, die sich ursprünglich in der Umfriedung der Schola Cantorum (bis zu ihrem Abbruch zwischen 1570 und 1572) befanden, waren spätestens ab 1572 im Konservatorenpalast zu sehen. Dies wird auch in der Legende des an Nicolas Beatrizet traditionell zugeschriebenen Druckes, publiziert in Antonio Lafreris (1512–1577) Speculum romanae magnificentiae (Rom, ca. 1540-1775, Tafel nicht nummeriert, 1572, Abb. 3) bestätigt (Abb. 3).[8]
Abb. 3: Nicolas Berizet, Friesfragmente (Nr. 104, 100, 102, 99), ab 1572, Radierung, in: Antonio Lafreri, Speculum romanae Magnificentiae, um 1540–1771, Tafel nicht nummeriert), Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, Bibliothèque Jacques Doucet, FOL EST 175
Public Domain Mark 1.0Ein weiteres Zeugnis ihres frühen Transfers ins Museum bilden Pierre Jacques’ (1520–1596) Zeichnungen von 1572/77 (römischer Aufenthalt), der beide Reliefs im Konservatorenpalast sah (Paris, Bibliothèque Nationale, Fb-18a-4, fol. 9).[9] Die Friespaare Nr. 99 und 102 sowie Nr. 105 und 107 mit Schiffstrophäen blieben hingegen länger in der Kirche, wohl als Verzierungselemente des Evangelienambos.[10] Eine Zeichnung von Giovanni Antonio Dosio (1533–1611, Abb. 4) aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dokumentiert die Reliefs Nr. 99 und 102 noch als zusammengehörenden Fries in der Kirche.[11] Dort sind sie im Laufe des 17. Jahrhunderts weiterhin dokumentiert, u.a. in Cassiano dal Pozzos (1588–1657) Museo Cartaceo (erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, Florenz, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe degli Uffizi, Inv. 7114A und 7115A).[12] Auch Raffaele Fabretti (1620–1700) bildet 1690 in seinem Werk De Columna Traiani die Schiffsschnäbel der Friesstücke Nr. 99, 102, 105 ab und verortet sie an derselben Stelle.[13] Anhand von zeitgenössischen Überlieferungen zeigt Luca Leoncini, dass die vier Reliefteile nach ihrem Erwerb durch Kardinal Alessandro Albani (1692–1779) in der ersten Hälfte der 1720er Jahre aus der Kirche verbracht wurden.[14] Sie gingen 1733 mit weiteren Objekten aus der Albani-Sammlung in den Bestand der Kapitolinischen Museen ein.[15] So findet man Nr. 99, 102 und 107 auf der Bildtafel 34 des 4. Bandes (1782) von Del Museo Capitolino. Das vierbändige Werk (1741–1782), das von dem florentinischen Gelehrten Giovanni Gaetano Bottari (1689–1775) und nach seinem Tod von Nicola Maria Foggini (Bibliothekar der Familie Corsini in den 1780er Jahren) herausgegeben wurde, sollte die von Clemens XII. aus der Albani-Sammlung 1733 erworbenen Stücke in einem Katalog zusammenzufügen.[16] Die Vorzeichnungen (Istituto Centrale per la Grafica, Fondo Corsini, Inv. FC128169-71) für den Druck der Tafel wurden vom Zeichner und ersten Direktor der Calcografia Camerale, Giovanni Domenico Campiglia (1692–1775), nach den eingemauerten Marmorstücken angefertigt. Kurz nach dem Erwerb wurden die Fragmente im oberen Mauerbereich des Museumsaals angebracht, wo sie noch heute zu sehen sind. An diesem neuen Platz sind die Friesteile schwer sichtbar und wurden deshalb seltener nachgezeichnet.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Vgl. Henry Stuart Jones: A Catalogue of the Ancient Sculptures Preserved in the Municipal Collections of Rome, Oxford 1912, S. 258–264, Nr. 99, 100, 102, 104, 105, 107. Diese Nummerierung wird hier übernommen.
2. Ebd. S. 258, Nr. 99, 0,59 x 2,27 m. Zur Datierung des Frieses siehe Luca Leoncini: Frammenti con trofei navali e strumenti sacrificali dei Musei Capitolini. Nuova ipotesi ricostruttiva, in: Xenia 13, 1987, S. 13–24, hier S. 19.
3. Nr. 102 (IX 5159-35-12-2): Anker, Heckzier mit Schleife und herabhängende Pinienzapfen (Aphlaston), Schiffsschnabel (Prora rostrata) mit einem Eberkopf, Bukranion, Schöpfkelle (Simpulum) und Weihrauchkästchen (Acerra). Nr. 105 (IX 5159-35-12-3): Heckzier in Fächerform (Aplustre), Bugzier mit gebogenem Endteil (Acrostolium), Anker, Schiffsschnabel mit Hundekopf, Stierschädel (Bukranion), Schöpfkelle (Simpulum) mit einem Lituus (spiralförmig endender Stab).
4. Die Karlsruher-Alben wurden Anfang des 19. Jahrhunderts von Friedrich Weinbrenner in seiner Architekturschule als Unterrichtsmaterial und Kopiervorlage benutzt (Georg Kabierske: Weinbrenner und Piranesi. Zur Neubewertung von zwei Grafikalben aus dem Besitz Friedrich Weinbrenners in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, in: Brigitte Baumstark/Joachim Kleinmanns/Ursula Merkel (Hg.): Friedrich Weinbrenner, 1766–1826: Architektur und Städtebau des Klassizismus, Ausst. Kat. Karlsruhe, Städtische Galerie und Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau, Petersberg 2015, S. 75–87 und S. 436f.). Auf den Transparentpapierzeichnungen von Weinbrenners Student Heinrich Geier sind die Friesstücke Nr. 99, 105, 100 und 104 zu sehen. Da sie viel kleiner als die hier besprochenen Zeichnungen sind, scheinen sie nach einer anderen Vorlage gezeichnet worden zu sein.
5. Luca Leoncini: Frammenti con trofei navali e strumenti sacrificali die Musei Capitolini. Nuova ipotesi ricostruttiva, in: Xenia 13, 1987, S. 13–24, hier S. 20f. Daniela Mondini: S. Lorenzo fuori le mura, in: Peter Cornelius Claussen (Hg.): Die Kirche der Stadt Rom im Mittelalter, 1050-1300, Bd. 3: G–L, Stuttgart 2010, S. 317–527, hier S. 406 und Anm. 313. Diese Vermutung basiert auf dem Fund eines vergleichbaren Friesteils im Jahr 1937, das als Baumaterial für einen Stützpfeiler der Portikus der Octavia verwendet worden war.
6. Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosiddetto „Fregio di S. Lorenzo”, in: Xenia 14, 1987, S. 59–110, hier S. 61–63, Abb. 2.
7. Zur genauen Platzierung der Reliefs siehe die jüngsten, aktualisierten Angaben in Daniela Mondini: S. Lorenzo fuori le mura, in: Peter Cornelius Claussen (Hg.): Die Kirche der Stadt Rom im Mittelalter, 1050–1300, Bd. 3: G–L, Stuttgart 2010, S. 317–527, hier S. 393f., 396, 407.
8. Siehe ebd., S. 404 und Anm. 298 und S. 408 zum Umbau der Schola Cantorum; Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosidetto „Fregio di S. Lorenzo” in: Xenia 14, 1987, S. 59–110, hier Nr. 17, S. 93f. und S. 108, Anm. 36. In der Legende werden nur die zwei Reliefs mit Opfergeräten beschrieben (Nr. 100 und Nr. 104) und im Kapitol verortet („quae omnia hodie in capitolio intra Conservatori palatium visuntur“). Die zwei anderen abgebildeten Reliefstücke mit Schiffstrophäen (Nr. 99 und Nr. 102) sind in der Legende dieser Ausgabe nicht erwähnt. Diesem Druck ist die Zeichnung von Etienne Dupérac (im Album Illustratio des fragmens antiques, 1560–1575, Paris, Département des arts graphiques, Inv. INV26461) sehr nahe, und werden als Vorlagezeichnungen für den Druck betrachtet, siehe ebd. Nr. 16, S. 93, Beschriftung: „in templo D. Laurentii extra muros“.
9. Ebd. Nr. 19, S. 99. Auch Nicolas Poussin zeichnete um 1640 einzelne Motive von Nr. 100 und Nr. 104 nach. Diese befanden sich zu dieser Zeit bereits im Konservatorenpalast (Anthony Blunt/Walter Friedländer: The Drawings of Nicolas Poussin, Bd. 5: Drawings after the Antique. Miscellaneous Drawings, London 1974, Nr. 352, S. 43f.).
10. Zur Platzierung von Nr. 105–107 siehe Daniela Mondini: S. Lorenzo fuori le mura, in: Peter Cornelius Claussen (Hg.): Die Kirche der Stadt Rom im Mittelalter, 1050-1300, Bd. 3: G–L, Stuttgart 2010, S. 317–527, hier S. 407 und Amn. 321. Nr. 105 und Nr. 107 könnten eventuell in die Rückseite des Evangelienambos eingebaut gewesen sein und wurden deshalb auch seltener nachgezeichnet.
11. Zu Dosios Zeichnung siehe Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosidetto „Fregio di S. Lorenzo” in: Xenia 14, 1987, S. 59–110, hier Nr. 18, S. 97f. und Ruth Rubinstein/Emanuele Casamassima: Antiquarian Drawings from Dosio’s Roman Workshop. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, N.A. 1159, Mailand 1993, Nr. 61v, S. 90f. Der Fries ist mit „questa fregiatura e i(n) sa(n) Lorenzo fuori delle mura di roma murata i(n) detta chiesa” beschriftet (Transkription aus Leoncini 1987, S. 97, Abb. S. 98).
12. Siehe ebd. Nr. 183, S. 161. Die Nachzeichnungen der Friesstücke Nr. 99 und Nr. 102 wurden hier wahrscheinlich von Cassiano dal Pozzo mit „San Lorenzo“ beschriftet. Gleichzeitig lieferte Bernard de Montfaucon eine detaillierte Beschreibung des Frieses, den er während seines römischen Aufenthalts 1699 in der Kirche sah (siehe Bernard de Montfaucon: Diarium italicum, Paris 1702, Kap. 8, S. 117).
13. Raffaele Fabretti: De columna Traiani Syntagma, Rom 1683, S. 115f.
14. Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosidetto „Fregio di S. Lorenzo” in: Xenia 14, 1987, S. 59–110, hier S. 69.
15. Zur Geschichte des Erwerbs siehe Beatrice Cacciotti: La collezione Albani nel Palazzo alle Quattro Fontane: „un affare glorioso per il papa e di benefizio per Roma”, in: Eloisa Dodero/Claudio Parisi Presicce (Hg.): Il Tesoro di Antichità. Winckelmann e il Museo Capitolino nella Roma del Settecento, Ausst. Kat. Rom, Kapitolinische Museen, Rom 2017, S. 73–86.
16. Zu dieser Publikation siehe Ginevra Mariani: Del Museo Capitolino. Giovanni Gaetano Bottari, la stampa di traduzione e la Calcografia Camerale, in: Elisabeth Kieven/Simonetta Prosperi Valenti Rodinò (Hg.): I Corsini tra Firenze e Roma, Mailand 2013, S. 171–187.
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Die Schiffstrophäen aus dem Fries von San Lorenzo fuori le mura sind ein wiederkehrendes Motiv in Piranesis Werk (siehe Graphischer Transfer und mediale Umsetzung). Es ist somit nicht erstaunlich, diese Zeichnungen in seinem Werkstattmaterial zu finden. Die hier besprochenen Nachzeichnungen fanden jedoch keine direkte Verwendung in Piranesis Druckgraphik. Statt als Vorbereitungen für einen spezifischen Druck können sie als Zeichenübungen eines Werkstattmitglieds nach antikem Vorbild betrachtet werden. Stilistisch stehen sie mit weiteren nach antiken Vorbildern gezeichneten Übungsbildern in Verbindung (siehe Zeichnungsgruppe 9).
Es ist bekannt, dass die Kapitolinischen Museen im 18. Jahrhundert von zahlreichen Künstlern zum Nachzeichnen antiker Sammlungstücke besucht wurden.[1] Auch die hier besprochenen Zeichnungen müssen trotz der ungünstigen Platzierung der Friesteile im Museum vor Ort entstanden sein, denn sie entsprechen genau den Marmorreliefs – auch die Rahmung mit lesbischem Kyma wird auf der Zeichnung IX 5159-35-12-3 angedeutet. Zudem kommt keine der bekannten gedruckten Wiedergaben des Frieses als Kopiervorlage in Frage. Dennoch kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine heute unbekannte gezeichnete Vorlage des Frieses existierte.[2]
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Die Darstellung der Museumsräume durch Künstler wie Hubert Robert (Ein Künstler in der kapitolinischen Galerie, Rötel, um 1762, Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Inv. 2007.12) und Charles-Joseph Natoire geben eine Vorstellung von der damaligen Ausstellung und Organisation der Sammlung und zeugen darüber hinaus ebenso wie zahlreiche andere Darstellungen von Künstlern beim Zeichnen vor antiken Sammlungsstücken auch von der Funktion des Museums als Übungsort. Aus der umfangreichen Literatur siehe u.a. Eloisa Dodero/Claudio Parisi Presicce (Hg.): Il Tesoro di Antichità. Winckelmann e il Museo Capitolino nella Roma del Settecento, Ausst. Kat. Rom, Kapitolinische Museen, Rom 2017, Nr. 51, S. 166f.
2. In den Alben aus dem Nachlass des Architekten Thomas Hardwick (1752–1829), die vor allem aus Kopien nach gedruckten und gezeichneten Vorlagen bestehen, befindet sich auch eine Zeichnung nach diesen drei Friesstücken (Research Institut for British Architects, Hardwick-Album 3, fol. 2).
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Der Fries mit Schiffstrophäen gehört in der Renaissance zu den am häufigsten nachgezeichneten antiken Reliefs Roms. Dies lag zum einen an seiner zu dieser Zeit leichten Zugänglichkeit. Zum anderen enthielt er neben der allgemeinen Opferthematik, die auch in anderen Friesstücken beispielsweise vom Argentarierbogen oder vom Vespasianstempel (IX 5159-35-24-1) zu finden ist, ein besonders detailliertes Repertoire von antiken Schiffstrophäen.[1]
Neben vielen anderen Künstlern widmete sich auch Martin van Heemskerck (1498–1574) dem Studium dieses Frieses. Er kopierte einzelne Motive (1533–1536, Berlin, Heemskerck-Album I, fol. 21r, linke Hälfte des Doppelblattes und fol. 53v) innerhalb seiner Ansichten der Kirche San Lorenzo fuori le mura, die Zeitgenossen als unerlässliche Sehenswürdigkeit galt.[2] Wie im Falle der schon erwähnten Zeichnung von Dosio in Florenz (Abb. 4), sind die Friesstücke Nr. 99 und 102 auch im Kodex Destailleurs D (Anonymus, 16. Jahrhundert, HdZ 4151, fol. 60v) als ein zusammengehörendes Objekt – wie in der Kirche – dargestellt.[3] Dosios Zeichnung zeigt die Friesstücke Nr. 99 und 102 (fol. 61v) und Nr. 105 und 107 (fol. 60v) aufgrund der beschränkten Blattgröße jeweils auf zwei Registern. Der Buchstabe „B“ am Ende und Anfang des oberen bzw. unteren Friesteils verweist auf die Anschlussstelle der beiden Register. Das Friesstück Nr. 105 (unten) endet mit einer Patera, die im Marmororiginal heute nicht mehr erhalten ist und auch in der Karlsruher Zeichnung (IX 5159-35-12-3) nicht erscheint. Wann dieses Teilstück verloren ging, ist nicht genau bekannt.[4]
Abb. 4: Giovanni Antonio Dosio, Friesteile mit Schifftrophäen aus San Lorenzo fuori le mura, oben: Nr. 105 und 107, unten: Nr. 99 und 102, Florenz, Biblioteca Nazionale, Nuove Accesioni 1159
© Foto: Biblioteca nazionale Centrale. Firenze; mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur. Jegliche Reproduktion oder Vervielfältigung ist ausdrücklich verboten.Eine Patera erscheint wiederum am linken Rand einer Zeichnung vom Friesteil Nr. 107 aus Richard Tophams (1671–1730) Papiermuseum (Abb. 5).[5] Hier könnte es sich durchaus um einen Ergänzungsversuch des Frieses nach früheren gezeichneten Überlieferungen handeln, wie es Leoncini vorgeschlagen hat.[6] Wo sich die Patera genau befand – als Verbindungselement zwischen Nr. 105 und Nr. 107 oder gedoppelt am Anfang von Nr. 107 und am Ende von Nr. 105 wie Leoncini vermutet – ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.[7] Aus der Beschriftung der Topham-Zeichnung mit dem Hinweis auf die Kirche von San Lorenzo fuori le mura kann geschlossen werden, dass diese auf den Beginn des Topham-Projektes für sein Papiermuseum (ca. 1716–1730) und kurz vor der Verlegung der Reliefstücke aus der Kirche in die Albani-Sammlung Anfang der 1720er Jahre zu datieren ist.[8] Hier wird wiederum deutlich, wie stark die Zeichenpraxis von Ornamenten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf einer über mehrere Jahrhunderte entwickelten Zeichentradition beruht.
Abb. 5: Anonym (italienisch), Vier Friesstücke (Nr. 99, 102, 107, 105) aus San Lorenzo fuori le mura, um 1716–1730, Rötel, Windsor, Eton College Library, Fonds Richard Topham, Inv. Bm.9, no.02
© Reproduced by permission of the
Provost and Fellows of Eton College, Foto: Christoph Frank über CensusBénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Außerdem war er für die Gelehrten der Renaissance besonders faszinierend, weil sie die dargestellten Motive als noch zu entziffernde hieroglyphische Symbole betrachteten. Siehe u.a. Rudolf Wittkower: Hieroglyphics in the Early Renaissance, in: Allegory and the Migration of Symbols, London 1977, S. 118.
2. Vgl. Tatjana Bartsch: Maarten van Heemskerck. Römische Studien zwischen Sachlichkeit und Imagination, München 2019, Nr. 29, S. 333f. und Nr. 94, S. 378f.
3. Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosiddetto „Fregio di S. Lorenzo” in: Xenia 14, 1987, S. 59–110, hier Nr. 21, S. 99 (dort irrtümlich als Codex Destailleur B bezeichnet).
4. Ebd., S. 104.
5. Leoncini (Ebd., Nr. 13, S. 89) erwähnt in Bezug auf die Friesstücke Nr. 105 bzw. 107 auch die unvollendete Zeichnung von Giovanni Battista da Sangallo (1496–1548), auf der das Motiv am Anfang des dritten Friesregisters erscheint; erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, Florenz, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe degli Uffizi, Inv. 6803 A, ebd., Nr. 13, S. 89.
6. Ebd., S. 104. Auf der Topham-Zeichnung fehlt zwischen der Patera und dem Bukranion die Schöpfkelle, die heute noch, wie auf Dosios Zeichnung, zur Hälfte vorhanden ist. Das Ende des Reliefs wurde bei der Einmauerung mit modernem Material ergänzt, die der Übergang zwischen antikem und modernem Material an der Hälfte der Schöpfkelle ist deutlich zu sehen.
7. Ebd., S. 104.
8. Zu Tophams Projekt siehe u.a. Louisa M. Connor Bulman: The Topham Collection of Drawings in Eton College Library and the Industry of Copy Drawings in Early Eighteenth Century Italy, in: 300 Jahre „Thesaurus Brandenburgicus”, München 2006, S. 325–338, hier S. 329.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Die Verbindung mit zahlreichen weiteren Zeichnungen nach dem Fries von San Lorenzo fuori le mura verdeutlicht, wie Piranesis Repertoire ornamentaler Fragmente in die Renaissance-Tradition gedruckter und gezeichneter Ornamentdarstellungen zurückreicht (dazu siehe auch IX 5159-35-29-4). Die Frieszeichnungen entstanden nicht direkt als Vorbereitung einer gedruckten Komposition, doch finden sich die Motive öfter in Piranesis Neuerfindungen: Die aus zwei Druckplatten bestehende große Tafel der Lapides Capitolini (1762) stellt den Fries von San Lorenzo fuori le mura in zwei fragmentarischen Marmorblöcken dar, und zwar als Teil einer Inszenierung der Marmorlisten römischer Konsuln (Fasti capitolini). Piranesi entfernte sich gänzlich von der bestehenden, von Michelangelo geschaffenen Einrahmung der antiken Marmorliste und inszenierte sie die Marmorblöcke inmitten anderer berühmter antiker Monumente aus der Kapitolinischen Sammlung (Abb. 6).[1]
Abb. 6: Giovanni Battista Piranesi, Inszenierung der Fragmente der römischen Marmorliste der Konsulen sowie weitere antiken Sammlungsstücken aus dem Kapitol, Radierung, in: Lapides Capitolini, Rom 1762 (Tafel nicht nummeriert), Museumslandschaft Hessen Kassel, SM-GS 6.2.880
CC BY-NC-SA 3.0Bei einer genauen Betrachtung wird deutlich, dass die beiden Relieffragmente keinem der Marmorstücke entsprechen, sondern eine andere Anordnung der Motive zeigen. Dennoch wird der Bezug zu den Friesstücken von San Lorenzo fuori le mura deutlich: Durch solche Neuinszenierungen wird auf das sich ergänzende Zusammenspiel von Überresten antiker Monumente (als „sprechende“ Spuren der Vergangenheit) mit schriftlichen Quellen als Grundlage zum Verständnis der Geschichte hingewiesen.[2]
Einzelne Friesmotive mit Schiffstrophäen wurden von Piranesi auch aus ihrem ursprünglichen archäologischen Kontext herausgelöst, umfunktioniert und als Neuerfindungen mit Varianten ohne Berücksichtigung der üblichen Proportionsverhältnisse in seinen Druckgraphiken wiederverwendet.[3] Auf der Tafel 12 der Diverse maniere verziert ein Bukranion, flankiert von zwei gespiegelten Aplustria, als zentrales Motiv einen Kaminfries, während über dem horizontalen Balken beiderseits des Spiegels zwei Anker als Kerzenträger dienen (Abb. 7). Anker, Aplustre und Schiffsschnabel findet man auch als Dekorationselemente eines Konsoltischfußes (Tafel 64). Über dem Kamin (Tafel 9) wird ein Fries nach dem Vorbild von San Lorenzo fuori le mura rekonstruiert und in diesen neuen Kontext integriert. Rechts ist das bekannteste und am häufigsten kopierte Friesstück Nr. 99 deutlich zu erkennen. Der Weihrauchbrenner mit den zwei flankierenden Aplustria ist zentral platziert. Im linken Teil werden dieselben Motive gespiegelt wiederholt, sodass das Relief hinsichtlich der Symmetrie an die ursprüngliche Anordnung innerhalb des Evangelienambos in San Lorenzo fuori le mura erinnert (Abb. 8). Im linken Teil sind zudem weitere Motive wie die Patera und das Weihrauchkästchen dargestellt, die aus anderen Friesstücken stammen und – ohne das Symmetrieprinzip zu stören – eine Variation bilden.[4]
Abb. 7: Giovanni Battista Piranesi, Kamin mit umrahmenden Wanddekor Radierung, in: Diverse Maniere, Rom 1769, Taf. 12 (Detail), Museumslandschaft Hessen Kassel, SM-GS 6.2.692
CC BY-NC-SA 3.0Abb. 8: Giovanni Battista Piranesi, Kamin (Detail), Radierung, in: Diverse Maniere, Rom 1769, Taf. 9, Museumslandschaft Hessen Kassel, SM-GS 6.2.692
CC BY-NC-SA 3.0Diese freie Verwendung antiker Materialien und die gleichsam unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten der Ornamente scheint sich an die Wiederverwendung von Spolien in Antike und Spätmittelalter anzuknüpfen. Piranesi kannte dieses Vorgehen aufgrund seiner Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Monumenten wie u.a. der Kirche San Lorenzo fuori le mura und der Casa Crescenzi. Zudem war die Integration von Spolien ein integraler Bestandteil seines theoretischen und historischen Interesses an den Entwicklungsphasen der Architektur von der Antike zum Mittelalter.[5] Piranesi nutzte die Möglichkeit einer visuellen Anspielung auf berühmte antike Bauornamente wie den Relieffries aus San Lorenzo fuori le mura, um eine Verbindung zwischen der antiken römischen Architektur und seiner eigenen Produktion herzustellen. Dieses Ziel beschreibt er folgendermaßen: „Die verschiedenen Überreste antiker Kunstwerke, die in einigen Kaminen meines Museums zu sehen sind, habe ich dort mit solcher Symmetrie eingefügt, dass das von mir hergestellte moderne Werk das antike Werk miteinschließt und eine Verbindung bildet, sodass das Ganze aus der Antike selbst zu stammen scheint“.[6]
Die der antiken Ornamentik entlehnten Motive kehren also sowohl in Piranesis graphischen Erfindungen von dekorativen Gegenständen wie den Kaminen wieder – von denen es nur vereinzelt; in Marmor gefertigte Beispiele gibt. Sie bilden eine spezifische und einheitliche Ornamentsprache, die charakteristisch für Piranesis Werk ist. Beim Umbau des Malteserorden-Komplexes auf dem Aventin und der Restaurierung der zugehörigen Kirche zwischen Februar 1764 und Oktober 1766 griff der Künstler oft auf einzelne Friesmotive aus San Lorenzo fuori le mura zurück und kombinierte sie in einem neuen, christlichen Kontext.[7] So sind im Innendekor der Kirche beispielsweise Darstellungen von Aplustria, Anker und Weihrauchbrenner in einer Stucktafel beiderseits der Apsis, im oberen Register in den Seitenwänden über des Gesims anstatt einer Fensteröffnung, zu sehen (Abb. 9).
Abb. 9: Tomasso Righi, Dekordetail mit gespiegelten Aplustria über dem Gesims, Stuck, 1764–1766, Rom, Santa Maria del Priorato
Foto: Bibliotheca Hertziana, CC BY-NC 4.0Schiffsschnäbel und Aplustria sind zudem über dem Grabmal von Fra’ Sergio Seripando abgebildet. Dabei beruht die Anordnung der Motive immer auf dem Gestaltungsprinzip der Symmetrie. Anker, Steuerruder sowie Schiffsschnabel und Cheniscus finden sich bereits im Eingangsbereich zum Baukomplex in den Reliefs auf den Fassadenmauern beiderseits der Eingangstür (Abb. 10a und 10b). Dort sind sie mit der nautisch-militärischen Symbolik des Malteserordens verbunden sowie mit dem zweiköpfigen Adler, der auf das Familienwappen (siehe auch IX 5159-35-26-1, IX 5159-35-27-1, IX 5159-35-34-6) des Auftraggebers der Renovierung des Komplexes verweist, Kardinal Giovanni Battista Rezzonico (1740–1783), ab 1763 Großmeister des Malteserordens und Neffe Papst Clemens‘ XIII.[8]
Abb. 10a: Eingangsportal mit Reliefs, Rom, Baukomplex des Malteserordens
Foto: Bibliotheca Hertziana, CC BY-NC 4.0Abb. 10b: Tomasso Righi, Relief links von der Eingangstür (Detail), Marmor, 1764–1766, Rom, Baukomplex des Malteserordens
Foto: Bibliotheca Hertziana, CC BY-NC 4.0Die Wiederkehr der Motive und ihre variierende Einbindung innerhalb von Piranesis dekorativen Assemblagen garantiert somit die interne Kohärenz der Produktion über die unterschiedlichen Werktypologien und Medien hinaus. Die Drucktafeln der Kamine, die etwa im selben Zeitraum wie die Baustelle von Santa Maria del Priorato zu datieren sind, geben einen Einblick in die Entwicklung von Piranesis eigener dekorativer Sprache. Diese basiert auf der Fragmentierung und Zergliederung antiker Überreste, vor allem von Bauornamenten wie dem Fries aus San Lorenzo fuori le mura, um diese im Rahmen von Assemblagen neu und unkonventionell zu kombinieren.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Zur Serie und zur Geschichte der Fasti Capitolini siehe Carlo Bertelli: Lapides Capitolini, in: Alessandro Bettagno (Hg.): Piranesi, incisioni-rami-legature-architetture, Vicenza 1978, S. 43. Die Marmorliste der römischen Konsuln (von den Anfängen um 753 v. Chr. bis zu Tiberius Regierungszeit um 14 n. Chr.) wurde von Verrio Flacco zusammengestellt, unter Tiberius eingemeißelt und in dessen Forum eingemauert. 1547 wurden die Fragmente unter Papst Paolo III. wieder aufgefunden und auf dem Kapitol in einer Gestaltung von Michelangelo präsentiert.
2. Siehe dazu ebd., S. 43.
3. Siehe dazu Roberta Battaglia: Le „Diverse Maniere d’Adornare i Cammini…” di Giovanni Battista Piranesi: Gusto e cultura antiquaria, in: Saggi e memorie di storia dell’arte 19, 1994, S. 191–273, hier S. 198f.; Sylvia Pressouyre: La poétique ornementale chez Piranèse et Delafosse, in: George Brunel (Hg.): Piranèse et les Français, Rome 1978, S. 423–434.
4. Siehe dazu auch Roberta Battaglia: Le „Diverse Maniere d’Adornare i Cammini…” di Giovanni Battista Piranesi: Gusto e cultura antiquaria, in: Saggi e memorie di storia dell’arte 19, 1994, S. 191–273, hier Abb. 71–72, S. 225.
5. Vgl. Mario Bevilacqua: Piranesi, Taccuini di Modena, 2 Bde., Rom 2008, Bd. 1, S. 49–51, 181.
6. Vgl. Giovanni Battista Piranesi: Vasi, candelbari, Taf. 90: „I diversi avanzi di opere antiche, che si vedono disposti in alcuni Camini del mio Museo sono stati da me ivi collocati con simmetria tale, che il Lavoro moderno da me intrapreso, e che racchiude il Lavoro antico, forma una connessione che fa sembrare il tutto provenire dalla stessa antichità“. Übers. der Autorin; Alice Cazzola sei für ihre Hilfe bei der Übersetzung sehr herzlich gedankt. Diese Äußerung Piranesis wurde häufiger zitiert und kommentiert, siehe u.a. Raffaella Bosso: Alcune osservazioni su Piranesi restauratore e sui Vasi e Candelabri: il recupero dell’Antico tra eredità culturale ed attività imprenditoriale, in: Acta ad archeologiam et artium historiam pertinentia 20, 2006, S. 211–239, hier S. 216.
7. Vgl. Mario Bevilacqua: Piranesi, Taccuini di Modena, 2 Bde., Rom 2008, Bd. 1, S. 281f.
8. Raffaella Bosso: Alcune osservazioni su Piranesi restauratore e sui Vasi e Candelabri: il recupero dell’Antico tra eredità culturale ed attività imprenditoriale, in: Acta ad archeologiam et artium historiam pertinentia 20, 2006, S. 211–239, hier S. 219.
- Zeichenstil
Auffallend ist in allen drei übereinander montierten Zeichnungen der Friesstücke (IX 5159-35-12-1, IX 5159-35-12-2, IX 5159-35-12-3) vor allem die Sorgfalt, mit welcher die Reliefs nachgezeichnet wurden. Dennoch gibt es auch Ungeschicklichkeiten, etwa in der schrägen Darstellung des Steuerruders und des Ankers auf der hier vorgestellten Zeichnung (IX 5159-35-12-1), die Spuren einer Vorzeichnung aufweist, sowie im oberen Teil des Ankers auf der Zeichnung IX 5159-35-12-2. Diese Ungeschicklichkeiten weisen auf eine noch unerfahrene Hand hin. Die Hundeprotome am Schiffsschnabel der Zeichnung IX 5159-35-12-1 ist mit gerunzelter Stirn dargestellt. Dies und die eher naive Darstellungsweise der Tiere mit menschenähnlichen Zügen erinnern an die Zeichnungen IX 5159-35-4-1, IX 5159-35-19-2 (Greifen) und IX 5159-35-29-4 (Pferd). Die Ausführung der leeren Augen und Schattierungen im Augenwinkel des Hundes auf der Zeichnung IX 5159-35-12-3 ist mit der Maske im Relief des kassettierten Säulenfragments auf der Zeichnung IX 5159-35-19-4 vergleichbar. Die Schattierungen sind nur beim Stierschädel detailliert ausgeführt worden, was zum Eindruck einer nicht beendeten Zeichnung beiträgt. An einzelnen Stellen wurden die Konturen mit einem fettigeren schwarzen Stift (Kreide) überarbeitet (siehe auch Merkmale der Zeichenmedien und Zeichnerischer Prozess), um der Zeichnung mehr Kontrast zu verleihen oder um die Konturlinien einiger Details zu verdeutlichen: z.B. beim Stierschädel und bei den bandartigen Teilen des Aplustres auf der hier gezeigten Zeichnung (IX 5159-35-12-1) sowie bei den Bändern, die an den auf den beiden zugehörenden Zeichnungen IX 5159-35-12-2 und IX 5159-35-12-3 flatternd an den Stierschädeln hängen. Diese Überarbeitungen wurden in einer Aufsichtsphase durch eine andere, energischere Hand hinzugefügt.
Bénédicte Maronnie
- Zuschreibungshypothesen
Die drei Zeichnungen auf der Seite 12 des ersten Klebebandes IX 5159-35-12-1, IX 5159-35-12-2 und IX 5159-35-12-3 weisen vergleichbare stilistische Merkmale auf (siehe Zeichenstil) und sind wahrscheinlich einem unbekannten, offensichtlich noch lernenden Zeichner innerhalb der Piranesi-Werkstatt zuzuschreiben. Wie bei der Zeichnung des Pegasuskapitells vom Mars-Ultor Tempel (IX 5159-35-29-4, Zeichnungen der Gruppen 9) könnte eines der Kinder Piranesis in Betracht gezogen werden, deren Geburtsdaten zu einer Datierung nicht vor der zweiten Hälfte der 1760er Jahre und bis in die 1770er Jahre führen.
Bénédicte Maronnie
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Lilie im Kreis, darunter „F“ und darüber Herz, belegt mit "AMG S", darüber einkonturiges Kreuz (beschnitten)
Belege: Andrew Robison: Piranesi: Early Architectural Fantasies. A Catalogue Raisonné of the Etchings, Washington 1986, S. 219, Nr. 20–21 (Varianten, späte 1770er – frühe 1790er Jahre); Corpus Chartarum Italicarum (ICRCPAL): icpl.cci.XVIII.062.a; icpl.cci.V.079.a; icpl.cci.XVIII.087.a; icpl.cci.I.086.a (Varianten, Serafini Papiermühle, Fabriano AMG).
Sammlungen
Karlsruher Alben:
Variante (vermutlich Zwillingswasserzeichen): IX 5159-35-12-3.
Varianten: IX 5159-35-34-2; IX 5159-35-22-4 (Fragment).
New York, Morgan Library & Museum:
Identisch zu IX 5159-35-12-3: Design for Mantelpiece with Separate Study of Jamb at Right, Acc. No. 1966.11:77
Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt, mittlere Stärke; hohe Steifigkeit; feine Siebstruktur; ungleichmäßiger Stegschatten; prägnante Filzmarkierung (Details 1, 2, Streiflicht), an den Rändern Gautschfältchen; vermutlich gelatinegeleimt (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); im Reflexlicht starker, streifiger Oberflächenglanz (manuell geglättet).
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide (Vorzeichnung): Vorwiegend leicht aufgetragen; flüchtige, in der Breite stark variierende Striche, häufig streifig und furchig, im Gesamtbild grau (Details 1, 3); tiefschwarze, feine Partikel, leichtes Glitzern; vor allem in Strichrichtung den Fasern vorgelagert.
Schwarzer Stift (vermutlich Kreide) mit fetthaltigem Bindemittel: kräftig deckend aufgetragen; im Reflexlicht häufig matt, im Reflexlicht teils auch glänzend (Detail 2).
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: Flächige Ablagerungen in Rötel.
Detail 1Schwarze Kreide in schwach deckendem Auftrag
Detail 2: Auflicht
Überarbeitung in fetthaltigem, schwarzem StiftDetail 2: Streiflicht
Überarbeitung in fetthaltigem, schwarzem Stift; PapierstrukturDetail 3: Auflicht
Teils getilgte Linien in schwarzer Kreide, rechts in fetthaltigem, schwarzem Stift korrigiert - Zeichnerischer Prozess
Die drei kompositorisch verbundenen Zeichnungen auf Seite zwölf des ersten Bandes (IX 5159-35-12-1, IX 5159-35-12-2, IX 5159-35-12-3) gehören auch materialtechnisch zusammen. Die Zeichnungen wurden in schwarzer Kreide vorgezeichnet, gerade Linien wurden mithilfe eines Lineals gezogen. Die Linienzeichnung wurde korrigiert, überarbeitet und schraffiert. Dabei kam ein fetthaltiger schwarzer Stift zum Einsatz, dessen teils kräftiges Linienbild häufig deutlich erkennbar ist, auch wenn der Übergang zwischen den Zeichenmedien stellenweise fließend und schlecht differenzierbar ist. In den Zeichnungen sind zahlreiche geänderte und teilweise getilgte Linienverläufe sichtbar. Die in breiten, kräftigen Strichen hinzugefügten Überarbeitungen scheinen der Konturfindung und Vertiefung von Schattierungen zu dienen.
Die drei Abschnitte eines Frieses wurden auf mindestens zwei unterschiedlichen Bögen der gleichen Sorte Papier angefertigt, denn Blatt 1 (IX 5159-35-12-1) und Blatt 3 (IX 5159-35-12-3) weisen jeweils eine Variante des gleichen Wasserzeichens auf. Da die Zeichen sich zwar stark ähneln, jedoch nicht identisch sind, könnte es sich dabei um ein Zwillingspaar handeln. Die Papiere von Blatt 1 und 2 wurden mit gleich ausgerichteter Siebstruktur verwendet. Anhand der Kanten ist nicht mehr identifizierbar, ob hier ein Bogen in zwei Teile zerschnitten wurde. Blatt 3 ist eine Komposition auf zwei Papierstücken (Durchlicht IX 5159-35-12-3, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt), die mit einer Stecknadel (Detail 4) festgesteckt wurden. In diesen zusammengesetzten Papieren verläuft die Siebstruktur entgegengesetzt zu den anderen beiden Blättern. Der linke Blattteil umfasst den Großteil des Gesamtformats und trägt ein Wasserzeichen aus Fabriano. Ein schmaler Abschnitt dieses Blattes wurde rechts von der Mitte verkürzt, indem ein etwa ein Zentimeter breiter Streifen senkrecht z-förmig eingefaltet wurde (dunkler Streifen im Durchlicht, Abb.). Am heute rechten Rand des Blattes, der früher der untere Büttenrand war, wurde mithilfe von Stecknadeln ein Papierstück angeheftet, um die Zeichenfläche um etwa ein Viertel zu erweitern. Im Durchlicht wird sichtbar, dass dieses Blattstück bis zurück zur gefalzten Stelle reicht und somit fast bis zur Hälfte unter dem anderen Papier liegt. Offensichtlich war man hier ein schnelles und großzügiges Hantieren mit Papier gewöhnt, wobei die breite Überlappung der beiden Papiere mit den beiden voneinander abgesetzten Stecknadelverbindungen zur Stabilisierung dieser verlängerten Konstruktion intendiert war.
Maria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An vier Blattkanten beschnitten; Klebepunkte und anhaftende Papierfragmente (frühere Montierung) an den Ecken und entlang der langen Kanten verso sind recto als verbräunte Flecke sichtbar, Ecken teils gedünnt, bzw. ausgerissen, dort auch Insektenfraß; senkrechte Knickfalte mittig; weitere Knicke in der rechten Bildhälfte.
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Siehe auch Abschnitt eines Frieses mit Bukranien, kultischen Geräten und Schiffstrophäen aus den Kapitolinischen Museen (IX 5159-35-12-3).
Montierungshistorie:
Rückseitige Klebepunkte und Papierfragmente auf den Blättern sind heute als fleckige Verbräunung auf der Vorderseite sichtbar.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Marmor
- Fries
- Schwarzer Stift
- Italienisches Papier
- Schwarze Kreide
- Stilistische Gruppe 09
- Fries mit Bukranion
- Kultische Gegenstände
- Diverse maniere
- IX 5159-35-12-1
- Giovanni Antonio Dosio
- Cassiano dal Pozzo
- Richard Topham
- Eton College
- San Lorenzo fuori le Mura
- Lafréri, Speculum Romanae
- Sammlung Albani
- Kapitolinische Museen
- Fabriano
- Schiffstrophäe
- Lilie im Kreis (Beizeichen: F und Herz mit AMG S und Kreuz)
GND-Begriffe
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