Dieses Blatt gehört zu einer Gruppe von drei Zeichnungen (siehe IX 5159-35-12-2 , IX 5159-35-12-3 ) nach antiken Friesstücken mit Schiffstrophäen und Opfergeräten, die im 18. Jahrhundert in der Stanza dei Filosofi in den Kapitolinischen Museen (Palazzo Nuovo) eingemauert wurden (Abb. 1).
Abb. 1 : Fries mit Schiffstrophäen aus der Kirche von San Lorenzo fuori le mura, Marmor, 0,59 x 2,27 m, Rom, Kapitolinische Museen Foto: Neg. D-DAI-Rom 31.657Von den insgesamt sechs Friesstücken aus augusteischer Zeit wird dieses im 1912 erschienenen Katalog von Henry Stuart Jones unter der Nummer 99 aufgeführt.[1] Zu sehen ist von links nach rechts eine Schöpfkelle (Simpulum, der Henkel fehlt), ein Stierschädel (Bukranion), ein Schiffsschnabel mit Hundekopf (Prora rostrata ), ein Steuerruder, eine Bugzier in Form eines Gänsekopfes (Cheniscus), ein Anker, eine Heckzier in Fächerform (Aplustre), ein Weihrauchbrenner und eine zweite, spiegelverkehrte Heckzier.[2] Die zwei zugehörigen Zeichnungen entsprechen den bei Stuart Jones aufgeführten Friesteilen Nr. 102 (IX 5159-35-12-2 ) und Nr. 105 (IX 5159-35-12-3 ) und stellen – wie die Nr. 107, von der in Karlsruhe keine Zeichnung erhalten ist – vergleichbare Motive dar.[3] Vielleicht existierten noch weitere Zeichnungen nach den drei anderen Friesstücken.[4] Doch könnte auch auf weitere Darstellungen verzichtet worden sein, da das Friesstück Nr. 107 die gleichen Motive wie das Friesstück Nr. 105 (nur in gespiegelter Anordnung) zeigt, und auf den Friesstücken Nr. 100 und Nr. 104 keine Schiffstrophäen, sondern allgemeinere Opfergeräte dargestellt sind. Alle drei Reliefstücke gehörten ursprünglich zur Albani-Sammlung, für die sich Piranesi bekanntlich besonders interessierte.
Die antike Provenienz der Friesstücke ist nicht gesichert. Möglicherweise gehörten sie zur Cella eines Tempels oder eines Gebäudes, das anlässlich eines Seesieges in der Nähe der Porticus Octaviae, vielleicht beim antiken Militärhafen Roms nahe des Marcellus-Theaters (ehem. Zirkus Flaminius), errichtet wurde.[5]
Durch die zahlreichen Renaissance-Nachzeichnungen weiß man, dass sich der Fries im Mittelalter in der Klosterkirche San Lorenzo fuori le mura befand und dort seit dem 13. Jahrhundert als Verzierungselement des Vorchors eingebaut war. Schriftliche Überlieferungen und eine Abbildung in Giovanni Giustino Ciampinis Vetera Monimenta (1690) geben eine präzisere Auskunft über die Platzierung von zwei der Friesstücke im Mittelalter. Dort (Abb. 2) ist das Fragment Nr. 99 mit dem anderen dazugehörigen Stück (Nr. 102 und IX 5159-35-12-2 ) abgebildet.[6] Im Druck erscheint das Relief spiegelverkehrt als Verzierungselement des sogenannten Evangelienambos, der Kanzel, die sich im Mittelschiff im Bereich des Vorchors, parallel zur Südkolonnade und gegenüber der Epistelkanzel, befindet. Die Friesstücke Nr. 99 und Nr. 102 bilden die Rücklehne der in dem hohen Sockel integrierten Sitzbank.[7] Sie wurden im Laufe der Zeit aus der Sitzbank herausgenommen und sind folglich auf der Zeichnung des Evangelienambos aus dem Nachlass von Séroux d’Agincourt (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, Anonym, BVA, Vat. lat. 13479, fol. 251r) nicht mehr vorhanden.
Abb. 2 : Giovanni Giustino, Evangelienambo von San Lorenzo fuori le mura, in: Ciampini: Vetera Monimenta, Rom 1690, Bd. 1, Taf. 13 (Detail), Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 6010 Folio RES 1Public Domain Mark 1.0 Die in der Renaissance entstandenen Zeichnungen (siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination ) nach den sechs Friesstücken sind für die Rekonstruktion ihrer Geschichte besonders hilfreich. Die Friese Nr. 100 und Nr. 104 mit heidnischen Opfergeräten, die sich ursprünglich in der Umfriedung der Schola Cantorum (bis zu ihrem Abbruch zwischen 1570 und 1572) befanden, waren spätestens ab 1572 im Konservatorenpalast zu sehen. Dies wird auch in der Legende des an Nicolas Beatrizet traditionell zugeschriebenen Druckes, publiziert in Antonio Lafreris (1512–1577) Speculum romanae magnificentiae (Rom, ca. 1540-1775, Tafel nicht nummeriert, 1572, Abb. 3) bestätigt (Abb. 3).[8]
Abb. 3 : Nicolas Berizet, Friesfragmente (Nr. 104, 100, 102, 99), ab 1572, Radierung, in: Antonio Lafreri, Speculum romanae Magnificentiae, um 1540–1771, Tafel nicht nummeriert), Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, Bibliothèque Jacques Doucet, FOL EST 175Public Domain Mark 1.0 Ein weiteres Zeugnis ihres frühen Transfers ins Museum bilden Pierre Jacques’ (1520–1596) Zeichnungen von 1572/77 (römischer Aufenthalt), der beide Reliefs im Konservatorenpalast sah (Paris, Bibliothèque Nationale, Fb-18a-4, fol. 9 ).[9] Die Friespaare Nr. 99 und 102 sowie Nr. 105 und 107 mit Schiffstrophäen blieben hingegen länger in der Kirche, wohl als Verzierungselemente des Evangelienambos.[10] Eine Zeichnung von Giovanni Antonio Dosio (1533–1611, Abb. 4) aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dokumentiert die Reliefs Nr. 99 und 102 noch als zusammengehörenden Fries in der Kirche.[11] Dort sind sie im Laufe des 17. Jahrhunderts weiterhin dokumentiert, u.a. in Cassiano dal Pozzos (1588–1657) Museo Cartaceo (erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, Florenz, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe degli Uffizi, Inv. 7114A und 7115A).[12] Auch Raffaele Fabretti (1620–1700) bildet 1690 in seinem Werk De Columna Traiani die Schiffsschnäbel der Friesstücke Nr. 99, 102, 105 ab und verortet sie an derselben Stelle.[13] Anhand von zeitgenössischen Überlieferungen zeigt Luca Leoncini, dass die vier Reliefteile nach ihrem Erwerb durch Kardinal Alessandro Albani (1692–1779) in der ersten Hälfte der 1720er Jahre aus der Kirche verbracht wurden.[14] Sie gingen 1733 mit weiteren Objekten aus der Albani-Sammlung in den Bestand der Kapitolinischen Museen ein.[15] So findet man Nr. 99, 102 und 107 auf der Bildtafel 34 des 4. Bandes (1782) von Del Museo Capitolino . Das vierbändige Werk (1741–1782), das von dem florentinischen Gelehrten Giovanni Gaetano Bottari (1689–1775) und nach seinem Tod von Nicola Maria Foggini (Bibliothekar der Familie Corsini in den 1780er Jahren) herausgegeben wurde, sollte die von Clemens XII. aus der Albani-Sammlung 1733 erworbenen Stücke in einem Katalog zusammenzufügen.[16] Die Vorzeichnungen (Istituto Centrale per la Grafica, Fondo Corsini, Inv. FC128169-71) für den Druck der Tafel wurden vom Zeichner und ersten Direktor der Calcografia Camerale, Giovanni Domenico Campiglia (1692–1775), nach den eingemauerten Marmorstücken angefertigt. Kurz nach dem Erwerb wurden die Fragmente im oberen Mauerbereich des Museumsaals angebracht, wo sie noch heute zu sehen sind. An diesem neuen Platz sind die Friesteile schwer sichtbar und wurden deshalb seltener nachgezeichnet.
Bénédicte Maronnie
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