Die Darstellung der drei untereinander wiedergegebenen Urnen wirkt aufgrund der Anordnung, Größe und Ausführung systematisch. Ihre Umrisslinien sind klar festgelegt, die ornamentalen Ausschmückungen ausführlich gegliedert. Einige Details jedoch sind unvollständig wiedergegeben und nur flüchtig angedeutet. Giovanni Battista Piranesi verwendete die Motive für die Titelseite des zweiten Bandes seiner Druckserie Vasi, candelabri, der 1770 erschien.
Werkdaten
Künstler
Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) (?) und/oder Zeichner der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 2
Ort und Datierung
Rom, vor 1770
Abmessungen (Blatt)
271 x 144 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-32-4
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide und Rötel; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Georg Kabierske: Vasi, urne, cinerarie, altari e candelabri. Newly Identified Drawings for Piranesi’s Antiquities and Sculptural Compositions at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Francesco Nevola (Hg.): Giovanni Battista Piranesi. Predecessori, contemporanei e successori: Studi in onore di John Wilton-Ely, Rom 2016, S. 245–262, hier S. 247f., Abb. 7.
- Hadernpapier
Vergé; italienische Herstellung; Zeichnung auf der Siebseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Wiedergegeben sind drei ornamental geschmückte Urnen sowie ein Bukranion, das in Frontal- und Profilansicht gezeigt wird. Hinzu kommt am unteren rechten Rand eine stark fragmentierte Darstellung, deren Motiv (vielleicht ein Feston?) aufgrund einer späteren Beschneidung des Blattes nicht mehr zu identifizieren ist.
Georg Kabierske
- Beschreibung und Komposition
Wie in Register gegliedert, sind drei Urnen in schwarzer Kreide vertikal übereinander angeordnet. Dieser Eindruck wird durch die horizontalen Konstruktionslinien verstärkt, auf denen die beiden oberen Urnen stehen. Vertikale, ebenfalls mit dem Lineal gezeichnete Linien markieren die Mittelachsen aller drei Gefäße, wobei sich die zwei unteren eine gemeinsame teilen. Während bei der oberen Urne der ornamentale Dekor vollständig angedeutet wurde, weisen die beiden übrigen teilweise Leerstellen auf. Links neben der mittleren, kugeligen Urne ist zudem in Rötel ein Bukranion in Frontalansicht sowie am Blattrand daneben im Profil flüchtig und etwas kleiner skizziert. Die im unteren Register am rechten Rand nur angedeutete, beschnittene Skizze mit einer herabhängenden Girlandenform (ein Feston?) ist ebenfalls in Rötel angelegt.
Georg Kabierske
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Giovanni Battista Piranesi nutzte die drei Urnen für die Titelseite des erstmals 1770 erschienenen zweiten Bandes seiner Druckserie Vasi, candelabri.[1] Dort in der linken unteren Blatthälfte platziert, arrangierte er sie zusammen mit weiteren Vasen und Urnen vor und neben einem Inschriftensockel zu einer antikisierend-denkmalhaften Szenerie, deren krönenden Abschluss der ebenfalls in einer Vorzeichnung (IX 5159-35-35-1) überlieferte bekränzte Adler aus Santi Apostoli bildet. Mit ausgebreiteten Schwingen bestimmt er das rechteckig gerahmte Feld eines zweiten Steinblocks, der über dem Sockel liegt und diesen an den Seiten und in der Höhe überragt (Abb. 1).
Abb. 1: Giovanni Battista, Titelblatt des zweiten Bandes von Vasi, candelabri, Taf. 56, Rom 1770 (laut Katalog von 1792), Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, Inv. SM-GS 6.2.696, fol. 1
CC BY-NC-SA 3.0Für das Bukranion ließ sich kein direkter Bezug zu einer spezifischen Radierung finden. Auf der darüber befindlichen Urne ist diese Motiv zwar auch angedeutet, die Zeichnung in Rötel wurde jedoch, sollte sie sich als Präzisierung darauf bezogen haben, nicht bei der Umsetzung in die Radierung berücksichtigt. Bukranion-Motive tauchen aber immer wieder in Piranesis Werk auf (z. B. in den Diverse maniere, etwa Taf. 25, 40, 66), nicht zuletzt erscheint auf dem genannten Titelblatt zwischen den Urnen vor dem Inschriftensockel ein Rhyton-Gefäß mit einem ähnlich frontal wiedergegebenen Stierkopf.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Siehe auch Georg Kabierske: Vasi, urne, cinerarie, altari e candelabri. Newly Identified Drawings for Piranesi’s Antiquities and Sculptural Compositions at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Francesco Nevola (Hg.): Giovanni Battista Piranesi. Predecessori, contemporanei e successori: Studi in onore di John Wilton-Ely, Rom 2016, S. 245–262, hier S. S. 247f. Der Bezug zu den Vasi, candelabri wurde in diesem Aufsatz nur bei den ersten beiden Urnen erkannt, tatsächlich ist auch die dritte Urne in Piranesis Radierung vorhanden.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Die ornamentale Detailgestaltung ist auf den drei Urnen partiell nur schematisch angedeutet, wodurch es im Vergleich mit der Druckgraphik zu kleineren Abweichungen kommt. Detailbezüge geben aber auch Einblicke in den Entstehungsprozess des Drucks.
Die obere Urne wurde im Druck links auf den großen Inschriftenstein mit der Widmung an General Schovvaloff (Andrei Petrowitsch Schuwalow 1742–1789) platziert und ist aus demselben Blickwinkel wie in der Zeichnung vollständig wiedergegeben (Abb. 2).
Abb. 2: Detailvergleich der oberen Urne (IX 5159-35-32-4) und deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1)
CC BY-NC-SA 3.0Abb. 3: Detailvergleich der mittleren Urne (IX 5159-35-32-4), deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1) und zweifachen Abriebs einer Pause mit Flechtbandornament, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-32-4v
CC BY-NC-SA 3.0Die mittlere, bauchige Urne steht links neben dem Inschriftenstein, teilweise verdeckt von Pflanzen, die an dem lagernden Block emporwachsen (Abb. 3). Durchaus bemerkenswert ist, dass der ornamentale Dekor der Urne an diesen Stellen in der Zeichnung ausgelassen wurde, als ob der Verwendungszweck der Zeichnung zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bereits feststand. Im Unterschied zur Entwurfsskizze wurde der nur schemenhaft angedeutete, schuppenartige „Bauchring“ nicht in der Radierung umgesetzt. Stattdessen ist ein Flechtband wiedergegeben, für das eine abgepauste Rötelzeichnung auf der Rückseite des Blattes (IX 5159-35-32-4) existiert; ein weiterer Hinweis, dass dieses beidseitig bezeichnete Blatt in Karlsruhe in den Entstehungsprozess der Radierung für die Vasi, candelabri eingebunden war.
Die untere Urne wurde dann im Druck etwas versteckt in der zweiten Reihe rechts hinter dem im Vordergrund stehenden Rhyton-Gefäß eingefügt (Abb. 4). Aufgrund der verschatteten, halb verdeckten Positionierung scheint auch der in der Zeichnung noch zart angedeutete Girlandenfries nicht in den Druck übertragen worden zu sein. Dass an dieser Stelle der Radierung auch der Henkel etwas abgeflacht und somit verändert angebracht wurde, spricht zusammen mit den anderen Abweichungen eindeutig dafür, dass es sich bei dem Karlsruher Blatt um eine vorbereitende Zeichnung für den Druck und nicht um eine Kopie danach handelt.
Abb. 4: Detailvergleich der unteren Urne (IX 5159-35-32-4) und deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1)
CC BY-NC-SA 3.0Nach derzeitigem Stand ist nicht bekannt, ob es noch eine gesamtkompositorische Vorzeichnung für diese Radierung aus den Vasi, candelabri gab oder ob Piranesi sie erst auf der Druckplatte aus verschiedenen Einzelzeichnungen, seinen Gedanken folgend, zusammenstellte. Letzteres scheint durchaus möglich, denn er hatte vor allem in der zweiten Hälfte seiner Karriere, ab 1760, nicht mehr die Geduld oder die Zeit, für große Vedutenkompositionen detaillierte Vorzeichnungen auszuarbeiteten, sondern stützte sich vielmehr auf sein Erinnerungsvermögen und seine Vorstellungskraft.[1] Ein in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz 6303r) erhaltener Entwurf für das Widmungsblatt an Papst Clemens XIII. für die 1762 publizierten Antichità d’Albano gibt hingegen einen Eindruck, wie auch für die Vasi, candelabri ein Gesamtentwurf vorstellbar wäre: In großen Teilen sehr summarisch angelegt, könnten gerade für dort fehlende kleinteilige Motive Einzelzeichnungen, wie die Urnen aus Karlsruhe, als finale Vorlage für den Übertrag auf die Druckplatte gedient haben. Allerdings könnten die Einzelzeichnungen auch als Repertoire für unterschiedliche Urnenmotive genutzt worden sein, um sie in größere Vorstudien zu überführen. Grundsätzlich verhalten sich Piranesis Vorzeichnungen, entgegen der traditionellen Praxis, jedoch überwiegend seitenrichtig zu den Drucken.
Einzelne Elemente konnten dabei auch als Pause seitenrichtig auf die Druckplatte übertragen werden (siehe Essay „Mit Öl und Wasser kopiert“) oder er war vielleicht sogar dazu fähig, den für die Seitenrichtigkeit des Drucks notwendigen Invertierungsvorgang „freihändig“ durchzuführen.[2]
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Siehe dazu Sarah Vowles: Piranesi Drawings. Visions of Antiquity, Ausst. Kat. London, British Museum, London 2020, S. 17f., 108, Nr. 38, sowie die berühmte Anekdote aus der Biographie von Jacques-Guillaume Legrand, in der Giovanni Battista Piranesi gegenüber dem französischen Maler Hubert Robert erwähnt, dass er bisweilen gänzlich aus seiner Erinnerung zeichne: „Le peintre Robert avec lequel il dessinait quelques fois aussi d’après nature, et qui était si bien en état d’apprécier son talens, ne concevait pas ce qu’on pouvait faire de croquis aussi peu arrêtés; Piranesi, voyant son étonnement, lui disait: le dessin n’est pas sur mon papier, j’en conviens, mais il est tout entier dans ma tête, et vous le verrez par la planche, elle était fidèle, en effet, et rien n’y était omis.“(„Der Maler Robert, mit dem er [Piranesi] manchmal auch nach der Natur zeichnete, und der [Piranesis] Talent zu schätzen wusste, konnte nicht verstehen, dass man Skizzen so unvollendet ließ. Piranesi, der sein Erstaunen bemerkte, sagte ihm: Die Zeichnung ist nicht auf meinem Papier, das gestehe ich, sie ist aber vollständig in meinem Kopf, Sie werden es in der Druckplatte sehen. Tatsächlich, sie war getreu und dort fehlte nichts.“), in: Gilbert Erouart/Monique Mosser: À propos de la „Notice historique sur la vie et les ouvrages de J.-B. Piranesi": origine et fortune d’une biographie, in: Piranèse et les français, Kolloquium, Rom, Villa Médicis, 12.–14. Mai 1976, Rom 1978, S. 213–252, hier S. 231.
2. Siehe dazu die berühmte Anekdote aus der Biographie von Jacques-Guillaume Legrand, in der Giovanni Battista Piranesi gegenüber dem französischen Maler Hubert Robert erwähnt, dass er bisweilen gänzlich aus seiner Erinnerung zeichne : „Le peintre Robert avec lequel il dessinait quelques fois aussi d’après nature, et qui était si bien en état d’apprécier son talens, ne concevait pas ce qu’on pouvait faire de croquis aussi peu arrêtés; Piranesi, voyant son étonnement, lui disait: le dessin n’est pas sur mon papier, j’en conviens, mais il est tout entier dans ma tête, et vous le verrez par la planche, elle était fidèle, en effet, et rien n’y était omis.“, („Der Maler Robert, mit dem er [Piranesi] manchmal auch nach der Natur zeichnete, und der [Piranesis] Talent zu schätzen wusste, konnte nicht verstehen, dass man Skizzen so unvollendet ließ. Piranesi, der sein Erstaunen bemerkte, sagte ihm: Die Zeichnung ist nicht auf meinem Papier, das gestehe ich, sie ist aber vollständig in meinem Kopf, Sie werden es in der Druckplatte sehen. Tatsächlich, sie war getreu und dort fehlte nichts.“) in: Gilbert Erouart/Monique Mosser: À propos de la „Notice historique sur la vie et les ouvrages de J.-B. Piranesi": origine et fortune d’une biographie, in: Piranèse et les français, Kolloquium, Rom, Villa Médicis, 12.–14. Mai 1976, Rom 1978, S. 213–252, hier S. 231.
- Zuschreibungshypothesen
Wie dargelegt, stehen die Urnen mit dem Entwurfsprozess der Radierung für die 1770 erstmals gedruckte Titelseite des zweiten Bandes der Vasi, candelabri in direktem Zusammenhang. Eine Zuschreibung des Blattes an Giovanni Battista Piranesi ist jedoch schwierig, da von ihm selbst nur sehr wenige der einst sicher zahlreichen eigenhändigen Zeichnungen zu dekorativen oder architektonischen Einzelmotiven erhalten sind. Für seine Hand spricht zunächst einmal die unidentifizierte Skizze am rechten Rand, die im Duktus und in dem kräftigen Rötel mit Kaminentwürfen aus der Morgan Library in New York (Inv. 1966.11 69 recto, 1966.11 64 recto) übereinstimmt (Abb. 5).
Abb. 5: Stilistischer Detailvergleich der unidentifizierten Rötelskizze (IX 5159-35-32-4) mit zwei Kaminstudien von Giovanni Battista Piranesi, Feder, braune Tinte und Rötel, 220 x 152 mm, und Feder, braune Tinte und Rötel, 204 x 289 mm
© The Morgan Library & Museum. 1966.11:69 und 1966.11:64. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. Morgan.Das ebenfalls nur schemenhaft in Rötel skizzierte Bukranion weist in einem Schwung gezogene, lineare Umrisskonturen auf, die, wenn auch schwer konkret zu belegen, ebenfalls an die sichere Hand Piranesis denken lassen. Naheliegend scheint der Vergleich mit der Rückseite des Blattes, wo die in der Handschrift Piranesis bezeichnete Urne ebensolche klaren Konturen zeigt (Abb. 6). Im ersten Klebealbum finden sich zudem zwei weitere Studien von Bukranien (IX 5159-35-9-3, IX 5159-35-9-6), von denen die zweite möglicherweise auch Giovanni Battista Piranesi selbst zugeordnet werden kann.
Abb. 6: Stilistischer Detailvergleich des Bukranions (IX 5159-35-32-4) mit der in der Handschrift von Giovanni Battista Piranesi beschrifteten Urne auf der Rückseite des Blattes, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-32-4v
CC0 1.0Die drei Urnen wurden sicherlich von einer gemeinsamen Hand in schwarzer Kreide gezeichnet. Der ornamentale Dekor ist summarisch, oft nur flüchtig angelegt, während die Umrisse mehrfach nachgefahren wurden, teilweise zart, teilweise in dicht-dunklem Pigmentauftrag. Die Kanneluren der oberen Urne, genauer deren hakenförmig geschlossene Enden, erinnern an ein ähnliches Detail von der Hand Giovanni Battista Piranesis in der Vorzeichnung für das Titelblatt der Antichità d' Albano aus der Morgan Library in New York (Inv. 1966.11:71v) (Abb. 7). Die Verwendung von vertikalen, die Mitte markierenden Konstruktionslinien lässt sich bei vielen der Zeichnungen in Karlsruhe beobachten (etwa 35-21-3, 35-30-5, 35-31-5).
Abb. 7: Stilistischer Detailvergleich der Kanneluren auf der oberen Urne (IX 5159-35-32-4) und einem Säulenfragment am linken Rand der Vorzeichnung für das Titelblatt der Antichità d' Albano von Giovanni Battista Piranesi, 1764, Feder, braune Tinte, Rötel und Graphit, 180 x 264 mm © The Morgan Library & Museum. 1966.11:71v. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. Morgan. Insgesamt weisen die Urnen jedoch nicht die Präzision und Spontaneität auf wie jene von der Rückseite. Durch das Fehlen qualitativ ähnlicher Blätter ist daher ein überzeugender Vergleich und damit einhergehend eine eindeutige Zuschreibung dieser drei Urnen an Giovanni Battista Piranesi selbst nur unter Vorbehalt möglich. Zusammen mit der dem Meister selbst zuzuweisenden Rückseite, den vermutlich auch von ihm stammenden Rötelskizzen auf der Vorderseite sowie der eindeutigen Funktion der Urnen als Vorlagen für den Titel des zweiten Bandes der Vasi, candelabri stammt dieses Blatt jedoch eindeutig aus dem Zentrum der Piranesi-Werkstatt.
Georg Kabierske
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Sechsstrahliger Stern belegt mit dem Buchstaben "M" im Kreis, darüber ein doppelkonturiges Kreuz, darunter der Buchstabe "F"Belege: Corpus Chartarum Italicarum:
icpl.cci.VII.039.a (Collezione Amori, no date)Sammlungen:
Karlsruher Alben:
Identische Varianten: IX 5159-36-5-2; IX 5159-36-14-5; IX 5159-36-17-1; IX 5159-36-18-1; IX 5159-36-32-4. Getrennte Bögen: IX 5159-36-8-4 und IX 5159-36-12-2.Varianten: IX 5159-35-19-3; IX 5159-35-33-2; IX 5159-35-33-4; IX 5159-36-16-1; IX 5159-36-23-2; IX 5159-36-26-1.
Hamburg, Kunsthalle: Typ: Inv. 1915-653; 1915-646.
New York, Morgan Library & Museum: Varianten: Inv. 1966.11:5; 1966.11:87; 1966.11:114; ebd. Thaw Coll. Inv. 1968.13.
Washington, National Gallery of Art: Varianten: Inv. 2007.111.143; 2011.42.5.
Herstellungsmerkmale:
dünne Stärke; knötchenhaltiger Faserstoff mit dunklen Pflanzenpartikeln; feine Siebstruktur (Durchlicht; Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); kräftige Filzmarkierung (Detail 3b); starker und streifiger Oberflächenglanz (manuell geglättet).
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide: meist schmaler, geringfügig deckender Strich (Detail 1); vereinzelt übergehend in kräftige Akzente mit weitgehend deckenden und furchigen Linien und deutlich erkennbarer Strichrichtung, die auf fetthaltiges Bindemittel hinweisen (Detail 2).
Detail 1a: Auflicht
Schwarze Kreide über Blindlinien, geringfügig deckender StrichDetail 1b: Streiflicht
Schwarze Kreide über Blindlinien, geringfügig deckender StrichDetail 2a: Auflicht
Schwarze Kreide, akzentuierter, deckender StrichDetail 2b: Streiflicht
Schwarze Kreide, akzentuierter, deckender StrichRötel: schmale, leicht verwischte Linien (Detail 3a u. b), jedoch meist klar abgegrenzter Pigmentauftrag, Strichbild wirkt verdichtet (Detail 3c).
Detail 3a: Auflicht
RötellinienDetail 3b: Streiflicht
RötellinienDetail 3c: Close-up
Rötel, verdichtetes leicht beriebenes ErscheinungsbildMaria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Das Blattfragment wurde beidseitig verwendet, wobei die Zeichnungen auf beiden Seiten anhand des Sujets und der Technik eindeutig zusammen gehören. Während die Zeichnungen in Rötel auf der heutigen Rückseite eher freie, schnelle Skizzen von Gefäßen und Zierelementen sind (auch eine Urne der Vorderseite ist abgebildet), wurden die auf der Vorderseite abgebildeten Urnen sorgfältig in zentrierter Frontalansicht in schwarzer Kreide dargestellt. Dazu kommen, den Abbildungen der Rückseite entsprechend, freiere Zeichnungen in Rötel, die sich auf die dargestellten Elemente beziehen, ein Bukranion, das vergrößert ein Zierelement auf dem oberen Gefäß wiedergibt, sowie eine weitere Rötelskizze, die stark angeschnitten am rechten Rand zu sehen ist. Der Wechsel des Stifts könnte Hinweis auf einen arbeitsteiligen Prozess mehrerer Zeichner oder wenigstens eine zeitverzögerte Verinnerlichung oder Klärung des Gezeichneten in Vorbereitung auf die Herstellung der Druckplatte sein. Während die heutige Vorderseite ein Hochformat ist, liegen die Zeichnungen der Rückseite um neunzig Grad gedreht.
Die Zeichnungen in schwarzer Kreide der Vorderseite wurden scheinbar genau in dieser Größe konstruiert: Es finden sich nicht nur senkrechte Zentralachsen in schwarzer Kreide, sondern dort auch die Höhe begrenzende Zirkeleinstiche. Bei dem mittleren Gefäß wurden außerdem einige Linien als Blindlinien vorgezeichnet (Detail 1b). Diese Linien entsprechen nicht den in schwarzer Kreide ausgeführten Feldern im oberen Drittel der Vase, wo ein Schuppenmuster eingefügt wurde, sondern unterteilen das Feld in weitere parallele Bänder. Die Blindlinien beschränken sich nicht nur auf Unterteilungslinien, sondern geben auch ansatzweise Teile dieses Musters wieder. Die Größe der Urnen entsprechen genau denjenigen im Titelblatt des zweiten Bandes von Piranesis Vasi, candelabri (1778) umgesetzt wurden (Abb. 2). Die Zeichnungen unterscheiden sich in einzelnen Formen vom Druck, so etwa in der perspektivischen Wölbung der Friese, der Länge der Füße und der Henkelform (Abb. 8, siehe auch: Graphischer Transfer und mediale Umsetzung).Abb. 8: Giovanni Battista, Titelblatt des zweiten Bandes von Vasi, candelabri, Taf. 56, Rom 1770 (laut Katalog von 1792), Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, Inv. SM-GS 6.2.696, fol. 1CC BY-NC-SA 3.0 ©Museumslandschaft Hessen Kassel, 2020, darunter Überblendung (rot) der gezeichneten Urnen mit Ausschnitten des Druckwerks. Bearbeitung: Maria Krämer Maria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An drei Kanten beschnitten, Unterkante berissen; rechte obere Ecke schräg abgeschnitten; an allen anderen Ecken verso Klebepunkte mit Papierfragmenten und Ausrisse (frühere Montierung); kleine, über das Blatt verteilte, verbräunte Flecken; Kontaktverbräunungen durch eine ölige Substanz im unteren Blattbereich und am rechten Rand; schwarzfarbiger Fingerabdruck am linken Blattrand (UV-Strahlung auslöschend, UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); Abdruck einer Stecknadel u.r., (siehe UVF).
Detail 4a: Auflicht
Abdruck einer StecknadelDetail 4b: Auflicht
Spuren mit grünlicher AblagerungRötelablagerung an der unteren Blattkante; Klebstoffspuren (Detail 4) und Ölabdruck rechts unten; über dem mittleren Gefäß Abdruck einer UV-Strahlung auslöschenden Substanz (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Die zahlreichen Spuren auf dem Blatt weisen auf eine bewegte Werkstattgeschichte hin. Nicht nur ist das ganze Blatt mit feinen Flecken überzogen, die ein Hinweis auf Kontakt mit einem geölten Papier oder dem Firnis einer Druckplatte sein könnten; auch hat sich der untere Rand deutlich erkennbar mit Öl vollgesogen (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt). Die länglichen, tränenförmigen Abdrücke am rechten Rand stammen vermutlich vom Kontakt mit einem geölten Papier, in dem Stecknadeln steckten, beispielsweise durch gemeinsame Aufbewahrung in einem Album. Dadurch hat sich nur in dem Bereich, in dem die unterliegende Nadel das Ölpapier vorwölbte punktuell Öl übertragen. Aufgrund der öligen Spuren und der größengleichen Wiedergabe in der Radierung ist eine Verwendung in Vorbereitung zu dieser äußerst wahrscheinlich. Die Gefäße wurden jedoch vermutlich erneut abgepaust, bevor sie auf die Druckplatte übertragen wurden. Siehe auch den Essay Mit Öl und Wasser kopiert.
Schlagwörter
- Vasi, candelabri
- Rötel
- Giovanni Battista Piranesi
- Piranesi-Werkstatt
- Italienisches Papier
- Schwarze Kreide
- Pause
- Stilistische Gruppe 02
- Adler
- Stern im Kreis (Beizeichen: Kreuz und F)
- Bukranion
- Urne
- IX 5159-35-32-4
- Flechtband
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