Die ornamentale Detailgestaltung ist auf den drei Urnen partiell nur schematisch angedeutet, wodurch es im Vergleich mit der Druckgraphik zu kleineren Abweichungen kommt. Detailbezüge geben aber auch Einblicke in den Entstehungsprozess des Drucks.
Die obere Urne wurde im Druck links auf den großen Inschriftenstein mit der Widmung an General Schovvaloff (Andrei Petrowitsch Schuwalow 1742–1789) platziert und ist aus demselben Blickwinkel wie in der Zeichnung vollständig wiedergegeben (Abb. 2).
Abb. 2: Detailvergleich der oberen Urne (IX 5159-35-32-4) und deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1)CC BY-NC-SA 3.0
Abb. 3 : Detailvergleich der mittleren Urne (IX 5159-35-32-4), deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1) und zweifachen Abriebs einer Pause mit Flechtbandornament, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-32-4vCC BY-NC-SA 3.0 Die mittlere, bauchige Urne steht links neben dem Inschriftenstein, teilweise verdeckt von Pflanzen, die an dem lagernden Block emporwachsen (Abb. 3). Durchaus bemerkenswert ist, dass der ornamentale Dekor der Urne an diesen Stellen in der Zeichnung ausgelassen wurde, als ob der Verwendungszweck der Zeichnung zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bereits feststand. Im Unterschied zur Entwurfsskizze wurde der nur schemenhaft angedeutete, schuppenartige „Bauchring“ nicht in der Radierung umgesetzt. Stattdessen ist ein Flechtband wiedergegeben, für das eine abgepauste Rötelzeichnung auf der Rückseite des Blattes (IX 5159-35-32-4) existiert; ein weiterer Hinweis, dass dieses beidseitig bezeichnete Blatt in Karlsruhe in den Entstehungsprozess der Radierung für die Vasi, candelabri eingebunden war.
Die untere Urne wurde dann im Druck etwas versteckt in der zweiten Reihe rechts hinter dem im Vordergrund stehenden Rhyton-Gefäß eingefügt (Abb. 4). Aufgrund der verschatteten, halb verdeckten Positionierung scheint auch der in der Zeichnung noch zart angedeutete Girlandenfries nicht in den Druck übertragen worden zu sein. Dass an dieser Stelle der Radierung auch der Henkel etwas abgeflacht und somit verändert angebracht wurde, spricht zusammen mit den anderen Abweichungen eindeutig dafür, dass es sich bei dem Karlsruher Blatt um eine vorbereitende Zeichnung für den Druck und nicht um eine Kopie danach handelt.
Abb. 4: Detailvergleich der unteren Urne (IX 5159-35-32-4) und deren Wiedergabe in der Radierung Piranesis (Abb. 1)CC BY-NC-SA 3.0 Nach derzeitigem Stand ist nicht bekannt, ob es noch eine gesamtkompositorische Vorzeichnung für diese Radierung aus den Vasi, candelabri gab oder ob Piranesi sie erst auf der Druckplatte aus verschiedenen Einzelzeichnungen, seinen Gedanken folgend, zusammenstellte. Letzteres scheint durchaus möglich, denn er hatte vor allem in der zweiten Hälfte seiner Karriere, ab 1760, nicht mehr die Geduld oder die Zeit, für große Vedutenkompositionen detaillierte Vorzeichnungen auszuarbeiteten, sondern stützte sich vielmehr auf sein Erinnerungsvermögen und seine Vorstellungskraft.[1] Ein in der Kunstbibliothek Berlin (Inv. Hdz 6303r ) erhaltener Entwurf für das Widmungsblatt an Papst Clemens XIII. für die 1762 publizierten Antichità d’Albano gibt hingegen einen Eindruck, wie auch für die Vasi, candelabri ein Gesamtentwurf vorstellbar wäre: In großen Teilen sehr summarisch angelegt, könnten gerade für dort fehlende kleinteilige Motive Einzelzeichnungen, wie die Urnen aus Karlsruhe, als finale Vorlage für den Übertrag auf die Druckplatte gedient haben. Allerdings könnten die Einzelzeichnungen auch als Repertoire für unterschiedliche Urnenmotive genutzt worden sein, um sie in größere Vorstudien zu überführen. Grundsätzlich verhalten sich Piranesis Vorzeichnungen, entgegen der traditionellen Praxis, jedoch überwiegend seitenrichtig zu den Drucken.
Einzelne Elemente konnten dabei auch als Pause seitenrichtig auf die Druckplatte übertragen werden (siehe Essay „Mit Öl und Wasser kopiert “) oder er war vielleicht sogar dazu fähig, den für die Seitenrichtigkeit des Drucks notwendigen Invertierungsvorgang „freihändig“ durchzuführen.[2]
Georg Kabierske
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