Giovanni Battista Piranesi scheint die Sammlung des Kardinals Albani um 1760 bereits gut gekannt zu haben, da er in seinen druckgrafischen Arbeiten mehrfach auf die Sammlungsstücke Bezug nimmt – vor allem in der 1761 veröffentlichten Druckserie Della Magnificenza dei Romani . Als Vorzeichnung für Tafel 12 diente zum Beispiel die dreiköpfige Skulptur (Hekataion) auf Blatt IX 5159-35-32-2 . Die Zeichnung des Sarkophagfragments ist in den druckgrafischen Tafeln hingegen nicht wiedergeben, muss sich aber, wie die auf Blatt IX 5159-35-32-2 dargestellten Objekte, bereits in Albanis Sammlung befunden haben, als es von Piranesi nachgezeichnet wurde.
Die stilistische Nähe beider Blätter IX 5159-35-32-2 und IX 5159-36-16-1 lässt vermuten, dass sie in zeitlicher Nähe um 1760 entstanden. In diesem Zeitraum genoss Piranesi, seinem Biografen Legrand zufolge, die besondere Protektion des Kardinals.[1] Um 1769 stellte Piranesi die Albani-Villa in einer Druckgrafik dar und zehn Jahre später gab er in der Serie Vasi, candelabri (1778) mehrere Sammlungsstücke wieder. Diesmal kombinierte er sie mit prestigeträchtigen Objekten aus anderen Sammlungen in idealen Kompositions- bzw. Restaurierungsvorschlägen, die die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden und vor allem die Albanis, dessen Name mehrfach in den Tafeln genannt wird, erweckt haben dürften. In Tafel 53 kombinierte er in dieser Weise die Brunnenanlage mit einem das Becken stützenden Satyrn aus der Albani-Sammlung mit einem als Sockel umfunktionierten Relief aus der Villa Negroni; in Tafel 68 schlug er eine Rekonstruktion eines Monuments mit Karyatiden aus der Albani-Sammlung vor.
Alessandro Albani (1692–1779) war der Neffe von Papst Clemens XI. (Papst von 1700–1721) und einer der damals wichtigsten Antikensammler Roms. Die Villa, die aus einem sogenannten Casino in einem prächtigen Garten mit verschiedenen kleinen Gebäuden besteht, liegt an den nördlichen Toren Roms auf der Via Salaria. Das Hauptgebäude war um 1763 so gut wie fertig – war jedoch schon früher für den engen Künstlerkreis um Albani zugänglich.[2] Für die Errichtung der Villa und die Aufbewahrung seiner Sammlung hatte er sich von den besten zeitgenössischen Künstlern, Architekten und Theoretikern beraten lassen. Darunter befanden sich Persönlichkeiten, mit denen auch Piranesi in direktem Kontakt war, wie Charles Louis Clérisseau und die Gebrüder Adam. Im Umfeld des Kardinals kamen auch Persönlichkeiten zusammen, die einander nicht ausschließende, aber von Piranesi differierende Auffassungen der Antike hatten und in gewisser Weise auch mit ihm in Konkurrenz standen – so der Architekt Carlo Marchionni (1702–1786), der Bildhauer und Antikenhändler Bartolomeo Cavaceppi (1716–1799) als Restaurator von Antiken und Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), der 1759 von Albani als Bibliothekar angestellt wurde. Wie es Carlo Gasparri und Steffi Röttgen dargelegt haben, sind die dokumentarischen Belege eines direkten Kontakts zwischen Piranesi und Albani eher rar.[3] Umso wichtiger sind die mit der Sammlung Albani verbundenen Drucktafeln und Zeichnungen aus der Werkstatt als Spuren ihrer Beziehung – die Blätter IX 5159-36-16-1 und IX 5159-35-32-2 , aber auch die Zeichnung der Sopraporte der Galleria del Parnasso (Inv. 1966.11.35) [4] und der Brunnenanlage (Inv. 1966.11.112) [5] in der Morgan Library, auf die in diesem Beitrag nicht eingegangen werden kann.
Dieses Fragment eines Sarkophags mit Löwenkopf wurde erstmalig von Johann Joachim Winckelmann in dem Kardinal Albani gewidmeten Werk Monumenti inediti (1767) publiziert (Abb. 1).[6] Dass es die Aufmerksamkeit beider Protagonisten der Erforschung und Wiederentdeckung der Antike erweckte, erscheint besonders interessant. In der nicht signierten Radierung der Monumenti inediti – einem antiquarisch-archäologischen Werk, das einen Kanon zu erfassen suchte – wird das Stück schematisch, in einer neutralen, rein dokumentarischen Weise wiedergegeben und ergänzt den theoretischen Diskurs.[7] Die lebendige Zeichnung in Karlsruhe hingegen stammt aus der Hand eines Künstlers, dessen erfindungsreiche und visionäre Kreativität auf dem Studium der Antike basiert. Auch wenn die Absichten von Piranesi und Winckelmann auf den ersten Blick unterschiedlich erscheinen mögen, wäre eine genauere Untersuchung ihrer Beziehung von Interesse.[8]
Abb. 1: Fragment eines Löwensarkophags, in: Johann Joachim Winckelmann, Monumenti inediti , Bd. 1, Rom 1767, Taf. 29, Digitalisat Universität HeidelbergPublic Domain Mark 1.0 Bénédicte Maronnie
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