Im kompositionellen Prozess nutzte Piranesi die Einzelstudien auf diesem Blatt, um sie zusammen mit anderen Motiven in seinen Radierungen zu neuen Bildkompositionen zu arrangieren.
So findet sich etwa eine vergleichbare Relief- und Büstenkomposition in ähnlich schräg perspektivischer Ansicht links im Hintergrund der fiktiven Ansicht der Via Appia antica , die auf dem 1756 erschienenen Frontispiz des zweiten Bandes der Antichità Romane zu sehen ist (Abb. 1 und 2).
Abb. 1: Giovanni Battista Piranesi, Fantastische Ansicht der antiken Kreuzung der Via Appia und Via Ardeatina, in: Antichità Romane II, Erstauflage Rom 1765, Frontispiz, Biblioteca Histórica de la Universidad Complutense de Madrid. BH GRL 4(3)CC BY-NC 4.0
Abb. 2: Detailvergleich der denkmalhaften Komposition in der Zeichnung (IX 5159-35-32-4v) und der Radierung Piranesis (Abb. 1)CC BY-NC 4.0 Im Wesentlichen wurden nur die Podeste der flankierenden Büsten durch Konsolen ersetzt und die fünf Brustbilder auf vier reduziert. Die im British Museum aufbewahrte, skizzenhaft-lebendige Vorzeichnung (Inv. 1908,0616.43 ) gibt hingegen diese Komposition nur als schematisch rechteckigen Kasten wieder.[1] Die in Rötel skizzierte bauchige Urne am rechten Rand des Karlsruher Blattes wurde am linken Rand der imaginären Ansicht des Circus Maximus, als Frontispiz des dritten Bandes der Antichità Romane , aufgegriffen (Abb. 3 und 4), wenn auch in Perspektive und Ausrichtung etwas verändert.
Abb. 3: Giovanni Battista Piranesi, Fantastische Rekonstruktion des Circus Maximus, in: Antichità Romane III, Erstauflage Rom 1765, Frontispiz, Biblioteca Histórica de la Universidad Complutense de Madrid. BH GRL 4(4)CC BY-NC 4.0 Abb. 4: Detailvergleich der Urne in der Zeichnung (IX 5159-35-32-4v) und der Radierung Piranesis (Abb. 3)CC BY-NC 4.0 Beide erwähnten Frontispize wurden etwas später von Piranesi in verkleinerten Dimensionen in den Lettere di Giustificazione (1757) und den Opere varie (Ausgabe nach 1761, Idea delle antiche vie Appia e Ardeatina und Veduta d’uno de’circhi antichi ) erneut aufgegriffen. Die hier in die Diskussion einbezogenen Elemente sind jedoch so schematisch wiedergegeben, dass kein direkter Bezug der Zeichnungen in Karlsruhe zu der verkleinerten Version der Radierungen besteht.
Für die so prägnant in der Mitte des Karlsruher Blattes platzierte, mit einer Inschrift versehene, aber ansonsten schmucklose Urne lässt sich bislang keine direkte Umsetzung in eine Radierung feststellen. In der bereits erwähnten Ansicht der Via Appia antica (Abb. 1 ) ist lediglich am rechten Rand ein ähnliches Gefäß angeschnitten.
Später als die zuvor genannten Zeichnungen entstand dann das sich überlagernde Flechtbandornament, das, wie Untersuchungen von Maria Krämer ergaben, durch ein Pausverfahren von einer Vorlage zweifach abgeriebenen wurde, möglicherweise als Test vor der Übertragung auf die Druckplatte (siehe Essay „Mit Öl und Wasser kopiert, Die Pause “). Zusammen mit den zusätzlichen Motiven auf der heutigen Vorderseite IX 5159-35-32-4 diente es vermutlich der Vorbereitung des Titelblatts für den zweiten Band der Vasi, candelabri , wo es auf dem Bauch der am linken Rand angeordneten Urne Verwendung fand (Abb. 5 und 6). Vermutlich vor 1756 entstanden zunächst jene im Kontext der Antichità Romane stehenden Motive, vor 1770 dann die Urne, das durchgepauste Flechtband sowie die weiteren Urnen auf der heutigen Vorderseite.
Abb. 5: Giovanni Battista Piranesi, Titelblatt des zweiten Bandes von Vasi, candelabri , Taf. 56, Rom 1770 (laut Katalog von 1792), Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, SM-GS 6.2.696, fol. 1CC BY-NC-SA 3.0 Abb. 6: Detailvergleich des zweifachen Abriebs einer Pause mit Flechtbandornament (IX 5159-35-32-4v) und der Wiedergabe auf der Urne in der Radierung Piranesis (Abb. 5)CC BY-NC-SA 3.0 Georg Kabierske
Kommentare
Hier können Sie uns Anmerkungen und Kommentare zu unseren Objekten hinterlassen, die nach Sichtung durch unsere Mitarbeiter*innen allen Leser*innen angezeigt werden.