
Rosetten-Zeichnungen
Georg Kabierske, Bénédicte Maronnie, Maria Krämer und Irene BrückleDas Ornament (aus dem Lateinischen „ornare“ für „schmücken“) kennt endlose Vielfalt. Die Rosette (französisch für „kleine Rose“) als eine spezielle, blütenartig geschmückte Rundform ist ein seit der Antike und in fast allen Kulturkreisen besonders beliebtes Motiv. In den Karlsruher Klebebänden gibt es 25 Zeichnungen mit Darstellungen von Rosetten. Sie dokumentieren steinerne Reliefs, die in Rom als Gebäudeschmuck dienten. Einige der Rosetten gehören zu bekannten Bauwerken, die Piranesi und die Künstler um ihn herum beschäftigten. In ihrem blütenartigen Aufbau sehen die Rosetten einander recht ähnlich, denn fast immer fügen sich einzelne Blätter in einer sortierten Abfolge aneinander. Doch gibt es erstaunlich viele Varianten, die mit nur wenigen Blattarten und minimalem Beiwerk auskommen. Der Reichtum liegt für den Betrachter in der Vielfalt dieser Abwandlungen. Zu Zeiten Piranesis waren die Rosettenmotive äußerst gefragt. Das können wir auch an der Vervielfältigung dieser Zeichnungen mittels einer frühen, dem heutigen Fotokopieren ähnlichen Technik erkennen: dem Abklatsch. Dieser wurde unter Künstlern und Architekten oftmals genutzt und trug dazu bei, dass die Motive der Rosettenzeichnungen weit verbreitet wurden, u. a. nach England, in die Schweiz und nach Deutschland.
Die 25 Rosettenmotive werden in der folgenden Einführung als Gruppe erklärt, Einträge zu den einzelnen Zeichnungen sind zusätzlich direkt über das Tableau zugänglich.
Irene Brückle
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung (Rosetten als Objekt)
Bei Rosetten handelt es sich um ein gängiges Bauornament, das bereits in der römischen Antike seriell in der Baudekoration verwendet wurde, z.B. in den Kassetten des Gewölbes des Septimius-Severus-Bogens, des Titusbogens (Abb. 1), im Konsolgesims des Vespasianstempels (Abb. 2) oder als Zentrum von mit Rankenwerk gefüllten Soffitten.[1] Im Rückgriff auf diese antiken Vorbilder fand das stilisierte Blütenmotiv seit der Renaissance und im Barock weitreichende Verbreitung. Die Rosetten wurden direkt kopiert oder in zahlreichen motivischen Varianten adaptiert. In Materialien wie Stein, Stuck, Holz oder als Trompe-l’œil-Malerei umgesetzt, dienten sie auch zu späterer Zeit als Schmuck von Kassettendecken, Gewölben oder Gesimsen (Abb. 3).
Abb. 1: Gewölbe mit Rosetten, Titusbogen, Rom
Foto: Bénédicte Maronnie, CC0 1.0Abb. 2: Vespasianstempel, Konsolgesims, Marmor, Rom, Kapitolinische Museen
© Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali, Foto: Bénédicte MaronnieAbb. 3: Rosetten in Trompe l’œil Malerei, ab 1562, Rom, Santa Maria degli Angeli, vestibolo circolare
© Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali, Foto: Georg KabierskeIm zweiten Karlsruher Klebealbum sind 23 Rosetten als Einzelmotive eingeklebt, die sowohl auf antike als auch auf neuzeitliche Motive zurückzuführen sind (Abb. 4). Nur auf einem Blatt ist die Rosette explizit im bauornamentalen Zusammenhang mit der Unterseite des Konsolgesimses vom Vespasianstempel (IX 5159-36-23-1) wiedergegeben. Zu dieser Ornament- bzw. Zeichnungstypologie gehören noch drei weitere Zeichnungen mit je einer Patera, einer antiken Opferschale (IX 5159-36-21-1, IX 5159-36-23-2, IX 5159-36-24-3), die als rosettenartiger, ornamentaler Schmuck in Friese eingesetzt worden ist (Abb. 5). Rosetten finden sich in den Alben darüber hinaus auch als Teilmotiv von Soffitten oder Rankenfriesen, auf die in diesem Kontext jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
Abb. 4: Gegenüberstellung von sechs Rosetten, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-3, IX 5159-36-22-5, IX 5159-36-25-3, IX 5159-36-24-2, IX 5159-36-26-4, IX 5159-36-27-2 Abb. 5: Gegenüberstellung von drei Paterae, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-21-1, IX 5159-36-23-2, IX 5159-36-24-3 Acht der Rosetten in Karlsruhe sind mit Verortungen beschriftet (IX 5159-36-22-2, IX 5159-36-23-4, IX 5159-36-24-4, IX 5159-36-25-4, IX 5159-36-26-2, IX 5159-36-26-3, IX 5159-36-26-4, IX 5159-36-27-3, IX 5159-36-28-1), d.h. mit Angaben eines Ortsnamens oder eines Monuments, auf den bzw. auf das sich die originale Vorlage bezieht. Die meisten Blätter in Karlsruhe sind jedoch nicht beschriftet und daher motivisch nur schwer zu lokalisieren. Die fehlende Systematik weist darauf hin, dass die Lokalisierung erst nach Fertigstellung der Zeichnungen von anderer Hand als Gedankenstütze angebracht wurde. Aus Vergleichen mit ähnlichen Beschriftungen geht hervor, dass es sich dabei um die Schrift von Giovanni Battista Piranesi handelt (Abb. 6).
Abb. 6: Detailvergleich zwischen Beschriftung auf einer Rosette, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-3; Giovanni Battista Piranesi, Handschrift aus Skizzenbuch, Courtesy Ministero della Cultura – Gallerie Estensi, Biblioteca Estense Universitaria, Inv. GAMMA.Y.06.33, fol. 27r (CC BY-NC-SA 4.0); Giovanni Battista Piranesi, Handschrift auf Kaminentwurf, New York © The Morgan Library & Museum. 1966.11:67. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. Morgan. Weitere Vergleiche mit beschrifteten Rosetten-Zeichnungen anderer Sammlungen und Druckgraphiken ermöglichen in wenigen Fällen die Identifizierung der Motive. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang das Rosetten-Album von David Vogel (1744–1808, in Rom 1763–1765) in Zürich bzw. New York[2] und einige Zeichnungen von Pierre-Adrien Pâris (1745–1819, in Rom von 1771–1774 und zu Beginn des 19. Jahrhunderts) in Besançon, aber auch die Tafeln der Rosoni aus Carlo Antoninis (1777–1821) Manuale di vari ornamenti.[3] So lässt sich beispielsweise im Vergleich die Karlsruher Rosetten-Zeichnung IX 5159-36-23-4 in der Kassettendecke des Atriums des Palazzo Massimo alle Colonne lokalisieren, wo sie bis heute zu sehen ist (Abb. 7). Die mit „Campidoglio“ (Kapitol) beschriftete Rosette IX 5159-36-23-4 wird im Vogel-Album präzisiert „au Capitole dans le soffitte du Lamier par Michel Ange“ („auf dem Kapitol im Konsolgesims von Michelangelo“), wodurch zudem der enge Zusammenhang beider Sammlungen belegt wird. Denn auf einer Zeichnung von Pierre-Adrien Pâris ist das gleiche Motiv im Triumphbogen von Septimius Severus verortet, auf dem Druck aus Carlo Antoninis Manualedi varii ornamenti (1781, Bd. 2, Taf. 48) wird der Ort dagegen nur ungenau als „bei antiken Fragmenten“ („preso da frammenti antichi“) angegeben (Abb. 8).
Abb. 7: Baldasare Peruzzi, Rosette mit Eichenlaub, Kasettendecke des Portikus, 1532–1536, Rom, Palazzo Massimo alle Colonne (Foto: Georg Kabierske); Rosette mit Eichenlaub, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-1; Rosette mit Eichenlaub aus dem Palazzo Massimo alle Colonne, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 44 (CC0 1.0); Zwei Rosetten aus dem Palazzo Massimo alle Colonne © Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, Vol. 482, n° 128. (Detail) Abb. 8: Rosette aus dem Kapitol, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-23-4; Konsolgesims, Innenhof des Palazzo Nuovo, Rom, Kapitolinische Museen © Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali, Foto: Bénédicte Maronnie; Rosette aus dem Kapitol, beschriftet mit: „Au Capitole dans le soffitte du Lamier par Michel Ange“, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 31 (CC0 1.0); Pierre-Adrien Pâris, zwei Rosetten aus dem Septimius-Severus Bogen, beschriftet mit „Rose de l’arc de Septime Severe“, © Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, Vol. 476, Nr.n° 115 (Detail); Carlo Antonini, „Rosone preso da Frammenti Antichi“, in: Manuale di Vari Ornamenti, Bd. 2, Taf. 48., Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, NUM 4 EST 413 (CC0 1.0) Die sich teils widersprechenden Zuordnungen belegen, dass die Identifizierung formgleicher Rosetten-Motive wegen ihrer Präsenz an mehreren Orten nicht immer eindeutig möglich ist. In der Antike wie in der Neuzeit wurden Rosettenmotive an verschiedenen Bauten identisch wiederholt, wodurch die Zeichnungen auf unterschiedliche Orte zurückgeführt werden können. Aufgrund der Serialität der Motive könnte es beim nachträglichen Beschriften der Zeichnungen aber auch zu Verwechslungen gekommen sein, die durch das Kopieren der Blätter untereinander weiter tradiert wurden.
Direkte Vergleiche mit den auf den Zeichnungen angegebenen Bauten sind in vielen Fällen wenig hilfreich. Zum einen sind die Rosetten oft kaum erkennbar an Konsolgesimsen weit oben an Fassaden angebracht, wie etwa im Innenhof des Konservatorenpalasts (siehe Abb. 8). Zum anderen sind sie heute teilweise verloren oder durch ihren schlechten Zustand schwerlich zu identifizieren. Dies betrifft etwa jene Rosetten, die sich laut der Beschriftungen in Karlsruhe und im Vogel-Album im Kloster von Santa Maria del Popolo befinden sollen (IX 5159-36-25-4, IX 5159-36-26-1).
In der Zeichnung auf den rein ornamentalen Aspekt reduziert, stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Bezug zum gebauten Vorbild und vor allem nach der spezifischen Zeichenpraxis und dem Kontext, in dem sie hergestellt wurde.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Identifizierte Orte, mit denen die Karlsruher Rosetten-Zeichnungen in Verbindung stehen: Palazzo Massimo alle Colonne; Sybillen-Tempel in Tivoli; Villa Adriana; Vespasianstempel (Tempio di Giove Tonante); Tempel des Antoninus Pius; Titusbogen; Septimius-Severus-Bogen; Konstantinsbogen; im Innenhof von Santa Maria del Popolo; am Konservatorenpalast auf dem Kapitol; in Santa Maria degli Angeli.
2. Im Verlauf der Recherche von Bénédicte Maronnie zum Vogel-Escher-Album in Zürich stellte sich in Diskussion mit Christoph Frank heraus, dass das Rosettenalbum, das sich bis vor kurzem im Besitz der Avery Architectural Library an der Columbia University in New York befand (Signatur: AA3450 D79 F), auch zum Bestand der Zentralbibliothek Zürich gehört. Dieses Album stammt ebenfalls aus dem Nachlass von Hans Caspar Escher im Felsenhof, siehe Donationsbuch, Jahrgang 1859. Es muss zu einem unbekannten Zeitpunkt abhanden gekommen sein. Die Columbia University hat das Album im Januar 2022 an die Zentralbibliothek Zürich restituiert (Signatur: FA Escher v.G. 188.6a). Siehe dazu: Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, hier S. 29.
3. Carlo Antonini: Manuale di vari ornamenti tratti dalle fabbriche, e frammenti antichi per uso e commodo de’ pittori (…), Rom 1777–1781, 4 Bde., 1777–1781. Siehe vor allem Bd. 1 (1777) und Bd. 2 (1781) mit Rosetten von in und außerhalb Roms.
- Bildübersicht aller Rosetten-Zeichnungen
Abb. 1: Rosette vom Palazzo Massimo alle Colonne, Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-1 Abb. 2: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-2 Abb. 3: Rosette (aus der Hadriansvilla?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-3 Abb. 4: Rosette (aus der Hadriansvilla?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide mit Überzeichnung in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-4 Abb. 5: Rosette (aus der Hadriansvilla?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide mit Überzeichnung in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-5 Abb. 6: Patera (?), Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-2 Abb. 7: Rosette (vom Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-3 Abb. 8: Rosette vom Kapitol, Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-4 Abb. 9: Rosette aus der Hadriansvilla, Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-1 Abb. 10: Rosette (vom Titus-Bogen?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-2 Abb. 11: Patera vom Palazzo Massimo alle Colonne, Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-3 Abb. 12: Rosette (vom Titus-Bogen?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-4 Abb. 13: Rosette (vom Septimius-Severus-Bogen?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-1 Abb. 14: Rosette (aus der Hadriansvilla?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-2 Abb. 15: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-3 Abb. 16: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-4 Abb. 17: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo?), Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-1 Abb. 18: Rosette (vom Septimius-Severus-Bogen?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-2 Abb. 19: Rosette (vom Kapitol?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-3 Abb. 20: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-4 Abb. 21: Rosette (vom Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-1 Abb. 22: Rosette (vom Konstantinsbogen?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-2 Abb. 23: Rosette aus der Hadriansvilla, Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide mit Detail in hellem Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-3 Abb. 24: Rosette (vom Palazzo Massimo alle Colonne?), Abklatsch in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4 Abb. 25: Rosette (aus Santa Maria degli Angeli?), Rötel über Abklatsch in Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-28-1 Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
- Zeichenpraxis, Stil- und Zuschreibungsfragen
Die Rosetten wurden zumeist nicht nach dem dreidimensionalen Objekt vor Ort, sondern nach gezeichneten Vorlagen oder Abgüssen gezeichnet. Diese Kopierpraxis war Teil des mit zunehmender Schwierigkeit gestaffelten Zeichenunterrichts, wie er etwa im akademischen Kontext an der Académie de France, aber auch darüber hinaus an der École royale gratuite de dessin in Paris praktiziert wurde (Abb.1).[1] Dem im besten Fall jungen Schüler wurden zunächst die Grundlagen des Zeichnens und der Stiftführung gelehrt, gefolgt von extensivem Kopieren und Imitieren zeichnerischer oder gedruckter Vorlagen, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts erschienen waren. Das Kopieren nach einer zweidimensionalen Vorlage ist vor allem für einen noch ungeübten Zeichner wesentlich einfacher als nach einem dreidimensionalen Objekt, da Proportionen und Schattierungen vorgegeben waren und durch das Übertragen in die eigene Zeichnung verinnerlicht werden konnten. Rosetten scheinen dabei alles enthalten zu haben, was für den Anfänger notwendig war. So konnten die Motive größengleich übertragen oder auch maßstabsgerecht in der Größe variiert werden. Zudem boten abwechslungsreiche Details eine breite Motivvarianz, durch die der Zeichner im weiteren Verlauf auch selbst zum Entwerfen angeregt werden konnte. Hatte man sich durch diese Kopierpraxis zeichnerische Techniken und einen homogenen sowie objektiven Stil angeeignet, befähigte dies zum Zeichnen von dreidimensionalen Aktmodellen oder Gipsabgüssen in kontrollierter akademischer Umgebung. An letzter Stelle stand das freie Zeichnen „nach der Natur“ oder das eigenständige Entwerfen, wofür sowohl die erlernte Vorgehensweise als auch die Technik und die studierten Motive eine hohe Qualität garantierten.[2]
Abb. 1: Anonymer Zeichner, Großer Saal der École gratuite de dessin in Paris im 18. Jahrhundert, Bleigriffel, 266 x 387 mm, Paris, Musée Carnavalet, Histoire de Paris, Inv. D. 4181
Public Domain Mark 1.0Die Rosetten wurden dabei nicht als Teil eines Gebäudes oder mit den zugehörigen Maßangaben dokumentiert, wie dies in Architekturtraktaten oder in Bauaufnahmen erfolgte.[3] Stattdessen ging es darum, ihre ornamentale Eigenschaft wiederzugeben, sich eine möglichst breite Formenvielfalt als Motivvorlagen zu erarbeiten und in Anlehnung an Vorbilder neue Rosetten zu entwerfen. Um Plastizität und Reliefwirkung zu verdeutlichen, wurde die Frontalansicht seitlich oft um das jeweilige Rosetten-Profil ergänzt.
Im Kontext des Zeichenunterrichts in Rom wurden Rosetten und andere Ornamentmotive seriell in schwarzer Kreide oder in Rötel kopiert, abgeklatscht und weiterverbreitet. Vergleichbare Rosetten-Zeichnungen und Abklatsche konnten in verschiedenen Nachlässen von Architekten, die in den 1760er-Jahren in Rom waren, identifiziert werden. Es handelt sich u.a. um Bestände von den Gebrüdern Adam (London, Sir John Soane’s Museum),[4] Thomas Hardwick (New York, Metropolitan Museum),[5] Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (Dessau, Kupferstichkabinett),[6] Caspar Frederik Harsdorf (Privatbesitz),[7] David Vogel (aktuell in New York; Avery Library),[8] um ein anonymes französisches Album (London, Sir John Soane’s Museum)[9] und um ein Konvolut in der Sammlung Maciet (Paris, Musée des Arts Décoratifs)[10] (Abb. 2).
Abb. 2: Rosetten aus verschiedenen Sammlungen: Zwei Rosetten, © Sir John Soane’s Museum, London, Adam vol. 26/80; Rosette, New York, The Metropolitan Museum, 34.78.2(68) (Public Domain Mark 1.0); Rosette, Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. Z 2756 (Foto: Christoph Frank); Rosetten-Album von David Vogel, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 40 (CC0 1.0); Zwei Rosetten, Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 82; Rosette, © Sir John Soane’s Museum, London, Adam vol. 129/95 David Vogel (1744–1808) brachte aus Rom Ornamentzeichnungen nach Zürich, darunter ein querformatiges Album mit vorwiegend beschrifteten Rosetten-Zeichnungen in schwarzer Kreide, das bislang als das größte bekannte Ensemble dieser Motive gilt. Charakteristisch für diese Rosetten-Zeichnungen sind parallele Schraffuren, die je nach Dichte und Strichbreite Volumen und Schattierung erzeugen. Dieser Zeichenstil kann im Vergleich mit Blättern in der Kunstbibliothek Berlin und mit Ornamentstichen aus dem Livre d’ornements und dem Recueil d’ornemens mit dem Zeichner, Bildhauer und Dekorateur Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793) in Verbindung gebracht werden (siehe Essay „Stilistische Gruppen”, Gruppe 4). Lhuillier hatte sich auf Kreidezeichnungen nach Bauornamentik spezialisiert, die er im Zeitraum um 1755 bis 1768 an Reisende in Rom verkaufte. Dabei scheint er seine Motive, darunter auch Rosetten, durch Abklatsche oder händische Nachzeichnungen vervielfältigt zu haben, was anhand von identischen Motiven in unterschiedlichen Sammlungen noch heute nachvollzogen werden kann (Abb. 3). Außerdem belegt die schriftliche Korrespondenz von Johann Friedrich Reiffenstein (1719–1793), dass Lhuillier dem jungen David Vogel Zeichenunterricht erteilte und in diesem Zusammenhang seine zeichnerischen Vorlagen von Vogel kopieren ließ.[11] Dies beweist auch ein Blatt in Vogels Rosetten-Album (aktuell in New York), auf dem in Vogels Handschrift Lhuillier als Entwerfer einer Rosette („composé par Mr. Lhuillier“) erwähnt wird, die hier als Vorlage diente (Abb. 4).[12] Aufgrund der weiten Verbreitung von Zeichnungen in der Art Lhuilliers ist anzunehmen, dass dieser in Rom noch weitere Zeichenschüler hatte, die seine Vorlagen händisch kopierten und zeitsparende Abklatsche anfertigten (siehe Essay „Mit Öl und Wasser kopiert", Abklatsch). Diese Kopierpraktiken wurden sicher auch von ihm selbst angewendet. Neben dem möglichst exakten Übertragen des Motivs galt es dabei ebenso, den Zeichenstil der Vorlage zu imitieren. So verbreitete sich nicht nur ein motivisch homogener Corpus, sondern überdies eine charakteristische Zeichenmanier (siehe Essay „Stilistischen Gruppen”, Gruppe 4 bis 6).
Abb. 3: Rosette (aus Santa Maria del Popolo?), beschriftet „Popolo“, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-4; Rosette (aus Santa Maria del Popolo?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-1; Rosette, Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9771.211 (Foto: Christoph Frank); Rosette, beschriftet „dans la cour de la Madone del Popolo“ (in der Schrift von David Vogel), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 1 (CC0 1.0); Rosette, Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9763.203 (Foto: Christoph Frank) Abb. 4: Nicolas François Daniel Lhuillier oder David Vogel nach Lhuillier, schwarzer Stift, beschriftet “composé par Mr Lhuillier” (in der Schrift von David Vogel), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 47, CC0 1.0 Vor dem Hintergrund dieser Serienproduktion und der weiten Verbreitung eines einheitlichen Zeichenstils ist eine eindeutige Zuschreibung an Lhuillier nur selten sicher zu belegen. Weitaus ergiebiger sind dagegen Untersuchungen nach der Zeichenpraxis und der Migration von Motiven aus Rom in die europäischen Kunstzentren (z.B. in den französischen, englischen, deutschen und schweizerischen Raum). Grundsätzlich lässt sich die umfassende Motivproduktion in eine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Tradition von in Rom entstandenen Ornament- und Antikenzeichnungen einordnen, die durch eine hohe Nachfrage bei reisenden Architekten, Künstlern und Sammlern gefördert wurde. In diesem Kontext scheint Lhuillier mit seinen Zeichnungen und Vervielfältigungsmethoden eine Marktlücke gefüllt zu haben, indem er eine gängige Zeichen- und Kopierpraxis intensivierte, um eine verstärkte Nachfrage nach Ornamentblättern zu befriedigen.[13]
Der auffallend einheitliche Stil über verschiedene Bestände hinweg erschwert die Händescheidung. Dennoch soll hier versucht werden, unterschiedliche Qualitäten aufzuzeigen. Bei den Blättern dieser Gruppe zeigt sich das etwa im Fall der Patera IX 5159-36-21-1, die stilistisch völlig anders und qualitätsvoller als die Zeichnungen IX 5159-36-23-2 und IX 5159-36-24-3 ausgeführt wurde (Abb. 5). Denn in der Zeichnung des Kopfes auf IX 5159-36-21-1 weisen die dicken Haarsträhnen, die Stirnfalten, die modellierte rechte Wangenpartie, die rundlich-leeren Augen mit kontrastierenden Lidern, die scharfen Konturen am unteren Teil der Nase und die welligen wulstigen Lippen eine hohe Ähnlichkeit zur Darstellung der Dea Roma in der Zeichnung IX 5159-35-1-1 auf, die Nicolas Lhuillier selbst zugeschrieben werden kann. Die Paterae unterscheiden sich untereinander durch die bei den dunklen Partien flächig-verwischte Anwendung des Rötels in IX 5159-36-21-1, während IX 5159-36-23-2 und IX 5159-36-24-3 eine tendenziell steifere Linienführung aus Einzelstrichen aufweisen. Ein anderes Blatt im Vogel-Album, das die gleiche Patera wie IX 5159-36-24-3 zeigt, ist einer weiteren Hand zuzuschreiben (Abb. 6). Die Komplexität dieser Kopierpraxis zeigt sich darin, dass sich die drei Zeichnungen (Vogel-Album; IX 5159-36-24-3; IX 5159-36-21-1) im Detail zwar unterscheiden, übergreifend betrachtet aber auf einer gemeinsamen, stilistisch übereinstimmenden Vorlage Lhuilliers basieren.
Abb. 5: Detailvergleich zwischen Patera, Patera vom Vespasianstempel, Dea Roma, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-2; IX 5159-36-21-1, IX 5159-35-1-1 Abb. 6: Detailvergleich zwischen Patera aus dem Palazzo Massimo alle Colonne, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 36 (Foto: Christoph Frank, CC0 1.0); Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-3; Patera aus dem Vespasianstempel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-21-1 Bei der Ausführung von Linien, Schraffuren und in der Wiedergabe der Volumina sind wiederholt Abweichungen zu beobachten, die auf verschiedene Kopisten hinweisen. Dies wird auch beim Vergleich des sammlungsübergreifend in verschiedenen Zeichnungen vorliegenden Rosetten-Motivs von IX 5159-36-28-1 deutlich (Abb. 7).
Abb. 7: Lhuillier oder nach Lhuillier, Rosette (aus Santa Maria degli Angeli?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-28-1; Rosette, Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9792.232 (Z 2882) (Foto: Christoph Frank); Rosette, beschriftet „alla Charteuse - peint dans l’églse –“ (in der Schrift von David Vogel), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 45 (CC0 1.0); Rosette, New York, The Metropolitan Museum, Sammlung Thomas Hardwick, Inv. 34.78.2(68) (Public Domain Mark 1.0) So fällt beispielsweise ein Unterschied in der Schattierung am Rand der Rosette auf, die in der Karlsruher Zeichnung spontaner und lebendiger erscheint, während sie im Vogel-Album flächiger und mit steif begradigter Kontur ausgeführt wurde (Abb. 8).
Abb. 8: Detailvergleich zwischen Rosette (aus Santa Maria degli Angeli?), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 45 (CC0 1.0); Rosette (aus Santa Maria degli Angeli?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-28-1 Bei den Zeichnungen aus dem Bestand von Vogel und Erdmannsdorff sind die Blätter der zentralen Blüte zudem länglicher geformt, während sie bei Hardwick rundlicher erscheinen (Abb. 9).[14]
Abb. 9: Detailvergleich zwischen Rosette (aus Santa Maria degli Angeli?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-28-1; Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9792.232 (Z 2882) (Foto: Christoph Frank); Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 45 (CC0 1.0); New York, The Metropolitan Museum, Sammlung Thomas Hardwick, Inv. 34.78.2(68) (Public Domain Mark 1.0) Des Weiteren handelt es sich bei den Rosetten-Zeichnungen in Karlsruhe bis auf vier Fälle (IX 5159-36-23-2, IX 5159-36-24-3, IX 5159-36-26-1, IX 5159-36-27-4) um Abklatsche, die in einem zweiten Arbeitsschritt in Rötel überarbeitet wurden. Je nach Farbigkeit des zuunterst liegenden Abklatsches – schwarze Kreide oder Rötel – ergeben sich unterschiedliche plastische Wirkungen (siehe auch Zeichnungsprozess) (Abb. 10). Eine geläufige Praxis bei Abklatschen war die nachträgliche Überarbeitung, um schwache Abdrucke im Detail wieder lesbar und die Motive in ihrer Plastizität erfahrbar zu machen. Zudem wurde dadurch ermöglicht, das überarbeitete Motiv erneut abzuklatschen.
Abb. 10: Detailvergleich zwischen Rosette aus Villa Adriana, Rosette (vom Septimius-Severus-Bogen ?) und Rosette (vom Kapitol ?), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4, IX 5159-36-26-2, IX 5159-36-26-3 Lhuillier dürfte selbst auf diese Technik zurückgegriffen haben, um effizient Vorlagematerial zum Verkauf an Reisende herzustellen.[15] Im Kontext des Zeichenunterrichts wurden Abklatsche wahrscheinlich auch als Hilfsvorlagen für Zeichenübungen genutzt. Anstatt eine Rosette abzupausen oder freihändig zu kopieren, konnte ein Zeichenanfänger die Ausführung von Konturen und Schattierungen direkt am Abklatsch üben, indem er diese Elemente nachfuhr und überzeichnete. Ein solches Vorgehen lässt sich für zwei weitere Zeichnungen in den Karlsruher Alben vermuten (IX 5159-35-25-2, IX 5159-35-29-1), bei denen die Konturen der Soffittenfüllung teilweise mit Feder nachgezogen wurden. Diese Praxis ist auch in anderen Zeichnungssammlungen nachweisbar, etwa bei Blättern im Nachlass der Mailänder Architektenfamilie Albertolli.[16] Neben antiquarisch-archäologischen druckgraphischen Werken der 1750er bis 1770er Jahre dienten, von der Forschung bislang wenig beachtet, auch damals zirkulierende Zeichnungen als Vorlagen für diese Sammlung. Darunter Blätter in der Art Lhuilliers, die demnach bis Ende des Jahrhunderts und vielleicht noch darüber hinaus in Rom weitergegeben wurden.
Auf die Lehrpraxis weist gleichfalls das Vergrößern oder Wiederholen von Details am Rande einer Zeichnung hin, was sich etwa bei Blatt IX 5159-36-27-3 beobachten lässt (Abb. 11). Hier könnte vermutet werden, dass die Rosetten von einem der Werkstatt nahestehenden Mitarbeiter, z.B. einem der Kinder Piranesis, während der Ausbildung überarbeitet wurden. Allerdings ist gänzlich unklar, ob Francesco oder Laura vor 1768 über ihren Vater mit Lhuillier in Kontakt standen (siehe Essay stilistische Gruppen, Gruppe 6). Es wäre jedoch durchaus möglich, dass sie in der zweiten Hälfte der 1760er- und Anfang der 1770er-Jahre anhand der Zeichnungen Lhuilliers, die sich in Piranesis Werkstatt befanden, das Zeichnen erlernten. Andererseits ist nicht auszuschließen, dass diese Rosetten schon von Lhuillier selbst überarbeitet in die Motivsammlung der Werkstatt gelangten.
Abb. 11: Lhuillier oder nach Lhuillier, Rosette aus Villa Adriana mit vergrößertem Blattdetail, Rötel über Abklatsch in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-3 Aufgrund ihrer ikonographischen, stilistischen und technischen Übereinstimmungen können die 23 Rosetten-Zeichnungen als eine Gruppe mit vier Untergruppen behandelt werden (siehe auch den kunsttechnologischen Beitrag). Aus einer Gruppierung nach formalen bzw. botanischen Merkmalen lassen sich hingegen keine grundlegenden kunsthistorischen Erkenntnisse gewinnen. Als stilisierte, künstlerische Erfindungen evozieren sie nur eine Reminiszenz an natürliche Blüten, ohne Naturformen wirklichkeitsgetreu abzubilden. Ferner ist meist eine präzise Bezugssetzung der Rosetten zu einem bestimmten vorbildhaften Gebäude wegen der rein ornamentalen, singulären Wiedergabe, losgelöst von der umgebenden Architektur, nicht zu leisten, zumal identische Motive an unterschiedlichen Gebäuden auftreten können oder potenzielle Vorlagen inzwischen verloren sind. Aufgrund der vielfältigen Produktion dieser Motive scheidet eine architekturbezogene Klassifizierung ebenfalls aus.
Die erste Gruppe besteht aus elf Rosetten, die in Rötel über einem Abklatsch in schwarzer Kreide gezeichnet wurden (IX 5159-36-22-3; IX 5159-36-22-4; IX 5159-36-22-5; IX 5159-36-23-3; IX 5159-36-23-4; IX 5159-36-24-1; IX 5159-36-25-2; IX 5159-36-25-3; IX 5159-36-25-4; IX 5159-36-27-1; IX 5159-36-27-3).
Besonders lebendig sind die Volumina in der zweiten Gruppe wiedergegeben, bei der die Rosetten über einem hellen Rötel-Abklatsch nochmals mit Rötel überarbeitet wurden (IX 5159-22-1; IX 5159-36-22-2; IX 5159-36-24-2; IX 5159-36-24-4; IX 5159-36-25-1; IX 5159-36-26-2; IX 5159-27-2). Mit dieser Gruppe können auch die Zeichnungen einer Patera (IX 5159-36-21-1) sowie das Konsolengesims vom Vespasianstempel (IX 5159-36-23-1) in Bezug gesetzt werden, zwei Motive, bei denen sich eine besonders weitreichende Vervielfältigung beobachten lässt (siehe dazu Zusammenhänge und Verbreitung).
Die dritte Gruppe beinhaltet drei Abklatsche in orangefarbenem Rötel, die in einem dunkleren Rötel überarbeitet wurden (IX 5159-36-26-3; IX 5159-36-26-4; IX 5159-36-28-1).
Einer vierten Gruppe gehören zwei stilistisch vergleichbare Zeichnungen von Paterae mit Gesichtern an, die ohne unterliegenden Abklatsch ausgeführt wurden. Diese entfernen sich stilistisch von den anderen Rosettengruppen und können einer gemeinsamen Hand zugeschrieben werden (IX 5159-36-23-2; IX 5159-36-24-3). Zwei Sonderfälle sind die Rosette IX 5159-36-26-1, die freihändig ohne unterliegenden Abklatsch kopiert wurde sowie ein einzelner Abklatsch IX 5159-36-27-4, der nicht überarbeitet wurde.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Ulrich Leben: New Light on the Ecole Royale Gratuite de Dessin. The Years 1766–1785, in: Studies in the Decorative Arts, vol. 1, Nr. 1, New York 1993, S. 99–118; Ulrich Leben: L’École Royale gratuite de dessin de Paris (1767–1815). Saint-Rémy-en-l’Eau 2004. Bislang wurde die Praxis des Ornamentzeichnens an der Académie de France kaum untersucht.
2. Siehe dazu auch Lorrain Daston und Peter Galison: Objectivity. New York 2010, S. 99–100. Wir danken Christoph Frank für diesen Hinweis.
3. Siehe z.B. die Zeichnung von Giuseppe Venanzio Marvuglia in Angela Cipriani/Gian Paolo Consoli/Susanna Pasquali (Hg.): Contro il Barocco. Apprendistato a Roma e pratica dell’architettura civile in Italia 1780–1820, Ausst. Kat. Rom, Accademia Nazionale di San Luca, Rom 2007, Kat. II.2, S. 490f. (Pierfrancesco Palazzotto).
4. Sir John Soane’s Museum London, Inv. Adam vol.26/80 und 158.
5. New York, The Metropolitan Museum of Art, z.B. Inv. 34.78.2(67), 34.78.2(68), 34.78.2(83), 34.78.2(71), 34.78.2(75). Georg Kabierske brachte die Zeichnungen erstmals mit dem Stil Lhuilliers und den Zeichnungen in Karlsruhe wie auch im Soane’s Museum London in Verbindung.
6. Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Kupferstichkabinett, Inv. Z 2751–Z 2762, Z 2861–Z 2882. Christoph Frank erkannte den Bezug der Zeichnungen mit vergleichbaren Blättern in den Karlsruher Klebealben.
7. Harsdorff scheint in Rom auch nach Zeichnungen Lhuilliers kopiert und diese als „Recueil des Idées de l’Antiquité et des plusieurs Maitres de l’Architecture Assemblées l’An 1767“ gebunden zu haben. Für dieses sich in unbekanntem Privatbesitz befindliche Album siehe Hakon Lund: Klassicismens arkitekters studierejser: om Harsdorffs, Meyns og C.F. Hansens rejseskitser, in: Architectura, 1986, S. 53–81, hier Abb. 7 und Hakon Lund: C. F. Harsdorff. De Byggede Danmark. Kopenhagen 2007, S. 32. Georg Kabierske brachte die Zeichnungen mit dem Stil Lhuilliers in Verbindung.
8. Zürich, Zentralbibliothek (Signatur: FA Escher v.G. 188.6a), siehe dazu: Anm. 2, Abschnitt Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung (Rosetten als Objekt).
9. Sir John Soane’s Museum London, Inv. Soane’s Vol. 126, fol.95. Während einer Forschungsreise von Stefan Morét, Maria Krämer und Georg Kabierske gelang die Einordnung einiger Blätter dieses Albums in den Kontext von Lhuillier.
10. Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 82–86, 88–93. Diese Blätter wurden von Georg Kabierske mit dem Stil Lhuilliers in Verbindung gebracht.
11. Siehe Briefe von Reiffenstein (an Johann Heinrich Füssli, 3. November und 31. November 1764) und von Winckelmann (an Füssli, 19 Juni 1765), publiziert in Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, S. 28f., S. 35–17.
12. Zürich, Zentralbibliothek (Signatur: FA Escher v.G. 188.6a). Eine weitere Rosette (fol. 46) im Vogel Album ist mit „Composé par Mr. Giard“ (Der Bildhauer Laurent Guiard (1723–1788), der mit Lhuillier 1768 nach Paris ging).
13. Siehe Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), S. 10–12.
14. Diese Rosette findet man auch im „Recueil des Idées de l’Antiquité et des plusieurs Maitres de l’Architecture Assemblées l’An 1767“ von Caspar Frederik Harsdorff, siehe Hakon Lund: Klassicismens arkitekters studierejser: om Harsdorffs, Meyns og C.F. Hansens rejseskitser, in: Architectura. arkitekturhistorisk arsskrift, S. 53–81, Abb. 7 u. 8; Hakon Lund: C. F. Harsdorff. De Byggede Danmark. Kopenhagen 2007, S. 32. Georg Kabierske brachte die Zeichnungen mit dem Stil Lhuilliers in Verbindung.
15. Das Überarbeiten und abermalige Abklatschen ist auch bei Zeichnungen Jean-Robert Ango nach Vorlagen von Hubert Robert belegt, siehe Sarah Catala: Les usages de la contre-épreuve dans le dessin français du XVIIIe siècle, in: Les Cahiers d’Histoire de l’Art 13 (2015), S. 35–43, hier S. 41, Anm 50.
16. Unser Dank gilt Christoph Frank und Daniela Mondini, die uns erstmals auf diesen Bestand hinwiesen. Siehe Carlo Agliati, Paola Cordera, Giuliana Ricci (Hg.): Ornato e architettura nell’Italia neoclassica. Il fondo degli Albertolli di Bedano sec. XVIII–XIX, Kat. 229, S. 464, sowie S. 355, Kat. 10, 11 (Abklatsche, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts). Giocondo Albertolli dirigiert die Akademie von Mailand zwischen 1786 und 1812. Siehe auch Anna Finocchi: La Scuola d’ornato dell’accademia di Brera e Giocondo Albertolli, in: Luigi Anzivino (Hg.): Architettura in Emilia-Romagna dall’illuminismo alla restaurazione, Florenz 1977, S. 159–169, zur Praxis des Zeichens von Ornamenten besonders S. 162–164 und zum Einfluss der archäologisch-antiquarisch gezielte Druckwerken der 1750–70er Jahren S. 165f.
- Zusammenhänge und Verbreitung
Die genauen Vorbilder für die einzelnen Rosetten sind aus oben genannten Gründen zwar schwierig oder gar nicht zu identifizieren, doch ermöglichen die Bezüge zu anderen Zeichnungsbeständen bisweilen, den Entstehungskontext einiger Blätter nachzuvollziehen. So tauchen etwa sämtliche Rosetten-Motive der Gruppe 1, die in Karlsruhe in schwarzer Kreide abgeklatscht und in Rötel überarbeitet wurden, als Zeichnungen in schwarzer Kreide im sog. Rosetten-Album von David Vogel auf.[1] Diese Zeichnungen dienten jedoch bis auf einen Fall nicht als direkte Vorlagen für die Karlsruher Rosetten, wie die kunsttechnologische Untersuchung von Maria Krämer bestätigte. Denn der jeweils zuunterst liegende Abklatsch (siehe IR-Aufnahmen) stimmt in seinen Konturen mit den Zeichnungen bei Vogel nicht überein. Demnach müssen die Karlsruher Blätter von anderen Zeichnungen abgeklatscht worden sein, die bislang nicht identifiziert wurden. Daraus folgt, dass es noch mehr Rosetten-Motive dieser Art gegeben hat bzw. geben muss, die sowohl durch händisches Kopieren wie durch mechanisches Abklatschen eine serielle Verbreitung fanden und im Rom der damaligen Zeit in verschiedenen Sammlungen zirkulierten
Obwohl sich die Rosetten-Zeichnungen in Karlsruhe und im Vogel-Album gleichen, kann man Abweichungen beobachten, die auf mindestens zwei verschiedene Hände schließen lassen. So sind im Vogel-Album die Konturen etwas steifer (Abb. 1), zudem zeigen sich Überarbeitungen, mit denen versucht wurde, die Konturlinien in einem zweiten Schritt zu präzisieren (Abb. 2). Die Schattierungsflächen werden oftmals mit einer abschließenden Umfassungslinie schematisch begrenzt, hier z.B. der Bereich zwischen den Blättern der inneren Krone (Abb. 3). Im Vogel-Album sind diese Flächen durch angestrengte, sich ausprobierende Strichführung mal regelmäßig parallel, mal schematisch überkreuzt ausgeführt. In Karlsruhe erreichen die flächig-dicht schraffierten Schattierungen durch ausfransende Kanten eine vergleichsweise lebendigere Wirkung.
Abb.1: Detailvergleich zwischen Rosette, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 18 (CC0 1.0); Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-22-4 Abb. 2: Detail einer Rosette, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 3, CC0 1.0 Abb. 3: Detailvergleich zwischen Rosette, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 17 (CC0 1.0); Rosette, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-5 Bemerkenswert ist, dass die einzige Rosette in Karlsruhe, die man nicht in Rötel überarbeitete, von einem Blatt im Vogel-Album abgeklatscht wurde (Abb. 4). Es besteht also eine direkte Verbindung zwischen den Sammlungen. Wie das Blatt von Vogel zu Piranesi gelangte, bleibt zwar unklar, doch stammen die Rosetten aus Piranesis Werkstattmaterial damit erwiesener Maßen aus dem Kontext von Lhuilliers Tätigkeit und lassen sich mit der allgemeinen Zeichen- und Unterrichtspraxis in Rom in Verbindung bringen.
Abb. 4: Abklatsch einer Rosette in schwarzem Stift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4; Zeichnungsvorlage in schwarzem Stift, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 43 (CC0 1.0) Neben den Abklatschen liegen in Karlsruhe aber auch einige Originalzeichnungen vor, die zum Teil mehrfach abgeklatscht und überarbeitet oder als händische Nachzeichnungen in andere Sammlungen gelangten. So etwa die große Rötelzeichnung einer Patera (IX 5159-36-21-1), die als Abklatsch zusammen mit anderen Blättern in der Art Lhuilliers in die Sammlung von Robert (1728–1792) und James Adam (1732–1794) gelangte (Abb. 5).[2] Wie aus der Korrespondenz von Robert Adam hervorgeht, scheint Lhuillier für beide Brüder in Rom gezeichnet zu haben (siehe auch Essay „Stilistische Gruppen").[3] Die Zeichnungen und überarbeiteten Abklatsche, die sich heute im Sir John Soane’s Museum in London unter den sogenannten Adam travel drawings Album 26 befinden, sind auch dort mit dem Namen Nicolas Lhuillier verbunden.[4]
Abb. 5: Nicolas Lhuillier, Patera aus dem Fries des Vespasianstempel, Rötel, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-21-1, und © Sir John Soane’s Museum, London, Adam vol. 26/158 Das Konsolgesims vom Vespasianstempel (IX 5159-36-23-1, siehe Katalogeintrag und Essay „Mit Öl und Wasser kopiert”) ist Gegenstand einer besonders komplexen Verbreitung: Zum einen existieren drei Abklatsche, von denen zwei jeweils überarbeitet wurden. Dies könnte wie bei einigen Rosetten auf eine Verwendung der Blätter im Kontext des Zeichenunterrichts hindeuten. Aufgrund der in beiden Fällen sehr qualitätsvollen Überzeichnungen wäre es aber auch vorstellbar, dass es sich bei dem Akteur um Nicolas Lhuillier selbst handelt, der mit dieser Technik seine eigenen Zeichnungen zum Verkauf seriell reproduzierte. Andererseits gibt es händisch in schwarzer Kreide gezeichnete Kopien, die aufgrund der schwächeren und abweichenden Qualität im Kontext des Zeichenunterrichts entstanden sein dürften. (Montage Abb. 6)[5].
Abb. 6: Konsolgebälk und Ornamentmotive vom Vespasianstempel, Motivvervielfältigung durch Abklatsch, Überarbeitung und händischem Kopieren.
B2: Sammlung Thomas Hardwick, New York, The Metropolitan Museum, 34.78.2(71) (Public Domain Mark 1.0);
C2: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-23-1, CC0 1.0;
D1 und D2: Nicolas Lhuillier zugeschrieben, © Sir John Soane’s Museum, London, Adam vol. 26/96;
E1 und E2: Zentralbibliothek Zürich, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 49r, 52v, 59r, 60r, CC0 1.0;
F2: © Sir John Soane’s Museum, London, Soane’s 129, fol. 2;
G1: Sammlung Thomas Hardwick, New York, The Metropolitan Museum, Inv. 34.78.2(75) (Public Domain Mark 1.0)
Diese Praxis von Nachzeichnung, Abklatsch und Überarbeitung lässt sich ebenso bei Motiven wie dem Palmettenfries (IX 5159-35-5-2) oder Greifenfries (IX 5159-35-3-1, IX 5159-35-15-2) nachvollziehen, bei dem es sich wie bei der Patera (IX 5159-36-21-1) um eine Zeichnung handelt, die den Beginn einer Reihe von Motivvervielfältigungen markiert. Aufgrund der davon ausgehenden Kopien und deren zeichnerischer Qualität können sie Lhuillier selbst zugeschrieben werden.Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Auf diesen Zusammenhang wies Bénédicte Maronnie erstmals hin.
2. Georg Kabierske erkannte erstmals den Zusammenhang zwischen den Zeichnungen in Karlsruhe und jenen Blättern im Sir John Soane’s Museum London, siehe Georg Kabierske: A Cache of Newly Identified Drawings by Piranesi and his Studio at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Master Drawings 53, 2015, S. 147–178, hier S. 159.
3. Diese bislang unveröffentlichte Passage wurde erstmals von Christoph Frank identifiziert, dem unser herzlicher Dank gilt. Edinburgh, National Records of Scotland, GD18/4817; Robert Adam and James Adam, Rom, 11. September 1756: „I have besides these three [Zeichner, also Clérisseau sowie Brunias und Dewez] another Beagle [Lhuillier] who is the most worthless young dig I ever knew, but draws ornaments to perfection. He it is that I am to sett about coppying over all the things I have in a little book for you, that when here you may see what I have & if there is any other thing, that you wou’d wish to have done, & he is one of four men at 1 Shill.g p. day.”
4. Sir John Soane’s Museum London, Adam travel drawings vol. 26, z.B. fol. 96; 158. In der online Datenbank des Soane’s Museum liest man allerdings fälschlich Nicolas François David Lhuiller [sic!]. Die Verbindung dieser Blätter mit den Karlsruher Klebealben wurde bereits 2014 durch Georg Kabierske hergestellt. Siehe Georg Kabierske: A Cache of Newly Identified Drawings by Piranesi and His Studio at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Master Drawings 53, 2015, S. 147–178, hier S. 159.
5. Bildnachweise der Abb. 6: B2: New York, The Metropolitan Museum, Sammlung Thomas Hardwick, Inv. 34.78.2(71) (Public Domain); C2: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-1; D1 u. D2: London, Sir John Soane’s Museum, Inv. Adam vol. 26/96; E1 u. E2: New York, Columbia University, Avery Architectural and Fine Arts Library, Inv. AA3450 D79, fol. 49r, 52v, 59r, 60r (Fotos: Christoph Frank); F2: London, Sir John Soane’s Museum, Inv. Soane’s 129, fol. 2; G1: New York, The Metropolitan Museum, Sammlung Thomas Hardwick, Inv. 34.78.2(75) (Public Domain)
- Verbreitung in Zeichnungen
In der Sammlung Maciet des Musée des Arts décoratifs in Paris befinden sich ebenfalls Abklatsche von 20 Rosetten (Abb. 1) sowie drei Blätter mit Friesen bzw. Reliefs in der Art Lhuilliers.[1] Einige Motive weichen dabei von den zuvor erwähnten, gedruckten Vorlagen im Recueil d’Ornemens und, soweit bekannt, auch von den Vorlagen für die École gratuite ab. Stattdessen weisen die drei Einzelblätter Bezüge zu Lhuilliers 1771/1772 erschienenem Livre d’ornements bzw. ihm zuzuschreibenden Zeichnungen in der Kunstbibliothek Berlin[2] auf. Es könnte sich dabei also auch um früher in Paris oder bereits in Rom entstandene Kopien nach Lhuillier handeln.[3] Außerdem sind in dem Konvolut drei Zeichnungen mit Beschriftungen in italienischer Sprache vorhanden, die nach den von Carlo Antonini 1781 publizierten Rosoni kopiert wurden. Hier ist unklar, ob sie von Anfang an zu diesem Abklatsch-Konvolut gehörten oder erst im Kontext der motivisch geordneten Collection Maciet hinzugefügt wurden, worauf stilistische Unterschiede hindeuten.
Abb. 1: Nach Nicolas Lhuillier, Vier Rosetten und zwei Paterae, Abklatsch in Rötel, Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, Maciet 244/1, S. 84, 86, 90 In diesem Zusammenhang sind auch vier Rosetten-Zeichnungen in der Kunstbibliothek Berlin besonders interessant. Sie wurden von Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps (1742–1836), Sohn des Architekten und Gründers der École gratuite de dessin in Rouen, Jean-Baptiste Descamps (1706–1715), gezeichnet und entstanden während seines von 1773 bis vermutlich 1782 andauernden Aufenthalts in Rom (Abb. 2).[4] Die mit seinem Monogramm „DC.“ signierten und 1776 datierten Blätter können mit weiteren als „Decamps fils“ signierten Zeichnungen, die sich im Kunsthandel befinden, in Verbindung gesetzt werden.[5] Während zwei der in Rom gefertigten Rosetten-Zeichnungen motivisch an den Recueil d’Ornemens erinnern (vgl. Verbreitung im Druck, Abb. 3),[6] stimmen drei der vier Blätter mit den Ornamentstichen der École gratuite de dessin überein (Abb. 3). Möglicherweise besaß auch die vierte Zeichnung Descamps eine direkte Vorlage, denn die auf den Vorzeichnungen Lhuilliers basierenden Drucke sind in den uns bekannten Sammlungen unvollständig erhalten - zehn gellistete Rosetten fehlen gänzlich.[7] Dies dürfte darauf hindeuten, dass die für den Zeichenunterricht konzipierten Stiche auch in Rom vorhanden waren, vermutlich an der Académie de France, wo Descamps danach zeichnete. Dies ist insofern bemerkenswert, da diese von Paris nach Rom zurück gerichtete künstlerische Beeinflussung erklären könnte, weshalb in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch typisch französische Ornamententwürfe in Rom auftauchten (siehe IX 5159-35-2-1).
Abb. 2: Jean-Baptiste Marc Antoine Descamps, Vier Rosetten, Rötel, 1776, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Inv. Hdz 6448 u. Hdz 6449
Fotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Fotograf: Dietmar Katz, CC BY-NC-SA 3.0 DEAbb. 3: Jean-Baptiste Marc Antoine Descamps, Vier Rosetten, Rötel, 1776, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Inv. Hdz 6448 u. Hdz 6449 (Fotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Fotograf: Dietmar Katz , CC BY-NC-SA 3.0 DE); Nach Nicolas Lhuillier, Drei Rosetten, Radierungen in Kreidemanier für die École gratuite de dessin, Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, Inv. 4 Est. 347 (4), fol. 112, 117, 122 (Public Domain Mark 1.0) Friedrich Weinbrenner, der die Zeichnungen beider Klebealben der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe aller Wahrscheinlichkeit nach in Rom zwischen 1792 und 1797 erworben hatte, nutzte diese Ornamentzeichnungen nicht nur als Inspirationsquelle für seine eigenen Bauten, sondern auch als Vorlagenmaterial in seiner 1800 in Karlsruhe gegründeten privaten Architekturschule. Wie schon die jungen Architekten in Rom mussten Weinbrenners Schüler in Karlsruhe diese Zeichnungen ebenfalls kopieren, was zahlreiche, linear durchgepauste Schülerarbeiten von Heinrich Geier (1802–1857) auf Transparentpapier aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts in den Beständen des Archivs für Architektur und Ingenieurbau (saai) in Karlsruhe belegen (Abb. 4).[8]
Abb. 4: Heinrich Geier, Studienzeichnungen nach den Rosetten der Klebealben der Stattlichen Kunsthalle Karlsruhe, Klebealbum (in der älteren Literatur als Geiersches Skizzenbuch bezeichnet), Feder und Tinte auf Transparentpapier, Karlsruhe, KIT, Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Inv. Geier 1, fol. 98
CC0 1.0Dass Weinbrenner die Vorlagen dabei als seine eigenhändigen Blätter ausgegeben haben könnte, geht aus der Biografie von Melchior Berri hervor, der 1819–1823 ein Schüler von ihm war:
„Die neu eingetretenen Schüler hatten anfänglich Ornamente und kleine Rosetten nach Zeichnungen von Weinbrenner, die er in Rom nach Antiken, ziemlich breit und ohne Zierlichkeit gehalten, gefertigt hatte, zu copieren.“[9]
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Bis auf ein Blatt in schwarzem Stift sind alle Abklatsche in Rötel ausgeführt. Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 82–86, 88–93; Album Décoration. Frises. Pays divers. XVIIIe siècle. France-Z, S. 61, 66 u. 67; Diese Blätter wurden während des Karlsruher Projekts von Georg Kabierske identifiziert.
2. Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, z.B. Inv. Hdz. 3447 bis 3454; Hdz 3460a, HdZ 3495, HdZ 3508, HdZ 3509, HdZ 3510, HdZ 3511; Hdz. 617 bis 619, Hdz 622. Christoph Frank gelang die Identifizierung als Zeichnungen von Lhuillier.
3. Die Rosette in Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 82 ist oben mit handschriftlichen Lokalisierung in drei verschiedenen Handschriften mit exakten Ortsangaben beschriftet, die angeben, an welchen Stellen eines Gebälks sich die Rosette in der Villa Adriana befunden hat.
4. In der Kunstbibliothek Berlin wurde das Monogramm DC, mit dem die Rosetten beschriftet sind, noch nicht mit Descamps in Verbindung gebracht. Stefan Morét schickte uns freundlicherweise Fotos dieser Rosetten-Zeichnungen, wofür ihm unser Dank gilt. Siehe weiterführend Aude Henry-Gobet: De la province de Normandie à la Ville Éternelle. Les élèves de l’école de dessin de Rouen à Rome au XVIIIe siècle, in: Studiolo 6, 2008, S. 145–165, hier S. 151 u. S. 162, Anm. 48.
5. Auf diesen Zusammenhang wies Bénédicte Maronnie erstmals hin, siehe https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2018/old-master-british-works-on-paper-l18040/lot.85.html (eingesehen am 20.12.2021).
6. Darauf verwies bereits Eckhard Berckenhagen, siehe Ekhart Berckenhagen (Bearb.): Die Französischen Zeichnungen aus der Kunstbibliothek Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Kritischer Katalog. Berlin 1970, S. 407.
7. Laut dem 1783 in Paris veröffentlichten Mémoire sur l'administration et la manutention de l'Ecole royale gratuite de dessin fehlen die auf Lhuilliers Zeichnungen basierenden Rosetten Nr.: 214, 215, 226, 230, 232, 235, 236, 239, 243, 244.
8. Siehe Georg Kabierske: Weinbrenner und Piranesi. Zur Neubewertung von zwei Grafikalben aus dem Besitz Friedrich Weinbrenners in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, in: Brigitte Baumstark/Joachim Kleinmanns/Ursula Merkel (Hg.): Friedrich Weinbrenner, 1766–1826: Architektur und Städtebau des Klassizismus, Ausst. Kat. Karlsruhe, Städtische Galerie und Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau, Petersberg 2015 (2. Aufl.), S. 75–87, hier S. 84 und S. 436, Kat. 11.47; Heinrich Geier: Studienzeichnungen aus der Architekturschule von Friedrich Weinbrenner, sog. Geier’sches Skizzenbuch. saai, Inv. Nr. Geier .
9. Wir danken Stefan Morét, der uns freundlicherweise auf dieses Zitat hinwies. Siehe Arnold Pfister: Melchior Berri. Ein Beitrag zur Kultur des Spätklassizismus, Teil 2, in: Basler Jahrbuch 1936, S. 179–223, hier S. 193; Stefan Morét: Due album di disegni di Giovanni Battista Piranesi e della sua bottega dal lascito dell'architetto Friedrich Weinbrenner (1766–1826), in: Vita Segreto (Hg.): Libri e album di disegni 1550–1800, Rom 2018, S. 203–212, hier S. 211f., Anm. 39.
- Verbreitung im Druck
Ausgehend von Rom wurde im übrigen Europa Ende der 1770er-Jahre diese Rosetten-Typologie zunehmend in das Programm des akademischen Zeichenunterrichts aufgenommen. Besonders in Frankreich, Italien, Deutschland, in der Schweiz und in England wurden sie überdies als wichtige Elemente in gedruckten Vorlagesammlungen publiziert. In Frankreich wurden den Zeichenschülern Drucke in Kreidemanier – u.a. nach Lhuilliers gezeichneten Vorbildern – an der École gratuite de dessin, einer kostenlosen Zeichenschule, vorgelegt, die in Paris um 1766 von Jean-Jacques Bachelier gegründet worden war.[1] Bis 1783 wurden 108 Kreidemanier-Drucke nach Vorzeichnungen Lhuilliers publiziert.[2] In den Konvoluten (u.a.) der Bibliothèque Jacques Doucet und der Sammlung Maciet (Musée des Arts décoratifs) ist nur ein Teil davon erhalten (Abb. 1),[3]darunter auch Drucke nach Vorlagen weiterer Dekorateure, wie etwa nach Lhuilliers zeitweiligem Geschäftspartner Jean-Siméon Rousseau de La Rottière (1747–1820).[4]
Abb.1: Nach Nicolas Lhuillier, verschiedene Rosetten, Radierungen in Kreidemanier für die École gratuite de dessin, Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Graveurs et ornemanistes. XVIe–XVIIIe siècles. Lh-Opp, S. 19, 25 und Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, Inv. 4 Est. 347 (4),fol. 113, 117, 119, 121 (CC0 1.0) Eines dieser Blätter zeigt eine Rankenblume, die eindeutig den Rankenpilastern der Villa Medici entlehnt ist.[5] Davon ist einer auch als Zeichnung von Lhuillier in Karlsruhe vorhanden (IX 5159-35-10-1) und wurde leicht abgeändert im Recueil d’ornemens abgedruckt (Abb. 2). In dem ab 1778 in elf Heften bei dem Verleger Chéreau erschienenen Druckwerk wurden durch Elisabeth und Louise Brinclaire Ornamentmotive und mindestens zwölf Rosetten in Kreidemanier nach Zeichnungen Lhuilliers und eventuell auch Rousseau de La Rottières (1747–1820) ausgeführt (Abb. 3).[6] Dabei wurden mindesten zwei Rosetten-Motive wiederholt, die schon zuvor für die École gratuite abgebildet worden waren.[7] Das jeweilige Rosetten-Profil ist bei beiden Druckserien, so weit bekannt, meist nur zur Hälfte abgebildet. Lediglich im ersten Heft des Recueil d’Ornement wird es bei Nr. 1 und 2 als Umriss vollständig wiedergegeben.
Abb. 2: Mlle. Brinclaire nach Nicolas Lhuillier, Pilasterrankenrelief aus der Villa Medici, in: Recueil d’ornemens, 1778, Radierung in Kreidemanier, Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, Inv. NUM PL EST 105 (CC0 1.0); Anonym nach Nicolas Lhuillier, Blume aus derselben Ranke, Radierung in Kreidemanier, Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, Inv. 4°Est. 347 (4), fol. 72 (CC0 1.0) Abb. 3: Mlle. Brinclaire nach Nicolas Lhuillier, Premier Cahier du Recueil d’Ornemens, Vier Rosetten, Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, Inv. NUM PL EST 105
Public DomainDie im Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beliebte Drucktechnik „en manière de crayon“ erlaubte es, den unmittelbaren Charakter der damals hochgeschätzten Kreidezeichnungen authentisch nachzuahmen. In annähernd gleichen Maßen wie die Karlsruher Zeichnungen geben die Drucke die Rosetten, aber auch andere Motive, als reine Ornamentdetails isoliert auf dem Blatt wieder. Bestimmend ist eine idealisierte Darstellung, die das Motiv zuzüglich des Rosetten-Profils jeweils in neutralem Kontext separiert und ohne geographische Einordnung zeigt. Die gedruckten Motive dienten dann bei der akademischen Ausbildung als Vorlagen zur Zeichenübung, aber auch als Inspirationsquelle oder Muster für die Wiederverwendung in anderen dekorativen oder architektonischen Entwürfen.
Mit dem 1777 durch den Radierer, Zeichner und Architekten Carlo Antonini (1750–1836)[8] publizierten Manuale di varii ornamenti kam ein weiteres Stichwerk zu Rosetten auf den Markt, das sich in ganz Europa weit verbreitete und in den verschiedenen Kunstzentren für die Entstehung und den Übergang zur klassizistischen Bauornamentik eine wichtige Rolle spielte. Antonini wollte den Malern, Bildhauern, Architekten, Steinmetzen und anderen („Pittori, Scultori, Architetti, Scarpellini…“) ein Repertoire an Motiven, die auf den „sehr edlen Werken der Antike“ basierten, zur Verfügung stellen, um die zeitgenössische Architektur bzw. Bauornamentik mit einem klassizistischen Theorieansatz zu unterlegen und sie durch geeignete Vorlagen auf den Weg der „schönen Einfalt“ zurückzuführen.[9] So finden sich in den zwei ersten Bänden eine Reihe von Rosetten, deren Bildunterschriften auf den Herkunftsort des Motivs hinweisen (Abb. 4). Die Motive konnten sowohl als Übungsmaterial zum Nachzeichnen als auch als Inspirationsquelle für Neuerfindungen auf dem Gebiet der Bauornamentik benutzt werden.[10] Anfang des 19. Jahrhundert vermehrten sich solche gedruckten Vorbilder exponentiell in illustrierten Handbüchern, die spezifisch für die Ausbildung des Ornamentzeichens gedacht waren.
Abb. 4: Carlo Antonini, Rosetten (Bd. 1, Taf. 5, 7, 29, 36, 61 und Bd. 2, Taf. 48), in: Manuale di Vari Ornamenti, 2 Bd., Rom 1781, Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, Inv. NUM 4 EST 413
Public Domain Mark 1.0Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Ulrich Leben: New Light on the Ecole Royale Gratuite de Dessin. The Years 1766–1785, in : Studies in the Decorative Arts, vol. 1, Nr. 1, New York 1993, S. 99–118; Ulrich Leben: L’Ecole royale gratuite de dessin de Paris (1767–1815), Saint-Rémy-en-l’Eau 2004; Agnès Lahalle: Les Écoles de dessin au XVIIIe siècle. Entre arts libéraux et arts mécaniques, Rennes 2015.
2. Über eine Liste, die 1783 in der Publikation Mémoire sur l'administration et la manutention de l'Ecole royale gratuite de dessin in Paris erschien und den auf den Blättern abgedruckten Nummern können alle bis dahin erschienenen Vorlagedrucke und deren Autoren eindeutig identifiziert werden. Für Lhuillier siehe S. 45 u. Ornements Nr. 88-89, 131-133, 141, 149, 168, 173-176, 179, 209, 212-215, 218-220, 224-244, 266-269, 272- 274, 277-279, 281, 287, 298-302, 304-309, 316, 339-345, 347-350, 370, 372-377, 392, 400, 414-418, 421, 424, 438, 448-449, 451 u. 456.
3. Siehe z.B. Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Graveurs et ornemanistes. XVIe–XVIIIe siècles. Lh-Opp, S. 19-25 u. 27-32. Es handelt sich dabei um die in der vorherigen Anmerkung genannten Nummern 131-133, 141, 149, 168, 173, 174, 176, 179, 209, 212, 224, 228, 233, 273, 278, 301, 344, 370, 375 u. 416.
4. Am 4. Oktober 1770 ging Lhuillier eine auf zwölf Jahre angesetzte Partnerschaft mit Dekorationsmaler und Ornamentbildhauer Jean-Siméon Rousseau de La Rottière für „ouvrages de sculpture, modèles arabesques, dessins“ ein, zitiert nach: Christian Baulez: La vie et l’œuvre de Pierre Gouthière, in: Pierre Gouthière, ciseleur-doreur du roi, Paris 2016, S. 25–81, hier S. 35 u. Anm. 47. Möglicherweise wurden im Recueil d’ornemens 1778 die Drucke nach gemeinsamen Vorzeichnungen publiziert. Unser herzlicher Dank gilt Peter Fuhring und Jean-Baptiste Corne, mit denen wir uns über die Druckwerke Lhuilliers und dessen Beteiligung an der École gratuite de dessin austauschen konnten. Diese wiesen uns auch erstmals auf das Konvolut in der Bibliothèque Jacques Doucet hin.
5. Siehe Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, Inv. 4 Est. 347 (4), fol. 141, 142.
6. In vielen Sammlungen ist der Recueil d’Ornemens nur unvollständig vorhanden, was eine definitive Bestimmung der Blattanzahl erschwert. Jeweils vier Rosetten pro Blatt sind im ersten, zweiten und fünften Heft des Recueil d’Ornemens wiedergeben. Überwiegend handelt es sich um Röteldrucke, in seltenen Fällen finden sich auch Abzüge in schwarz. Im Cabinet Edmond de Rothschild des Louvre befinden sich zudem zwei zusätzliche Blätter mit je zwei Rosetten, von denen das eine mit der Signatur L.B. (Louise Branclaire) beschriftet ist, sonst aber keine für den Recueil d’Ornemens typische Beschriftungen vorhanden sind, Musée du Louvre, Cabinet Edmond de Rothschild, portefeuille 602, inv. 28001 LR. Unser sehr herzlicher Dank gilt Peter Fuhring, der uns sein gesammeltes Material zum Recueil d’ornemens, u.a. verschiedene Zustände der Abzüge und eine Auflistung verschiedener Sammlungen zur Verfügung stellte. Siehe auch Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), S. 12–13.
7. Es handelt sich um die im 1783 im Mémoire sur l'administration et la manutention de l'Ecole royale gratuite de dessin genannten Nummern Nr. 224 und 225, erstgenannte ist dabei seitenverkehrt zur Rosette im Recueil d’ornemens.
8. Giovanna Scaloni: Carlo Antonini, in: Elisa Debendetti (Hg.): Architetti e ingegneri a confronto, Bd. 1: l’immagine di Roma fra Clemente XIII e Pio VII, Rom 2006, S. 116–120; Neri Scerni: Carlo Antonini incisore. Milano 1749-Roma 1835, in: Bollettino dell’Unione Storia e Arte Nr. 1–4, Januar-Dezember 1989, S. 83–88.
9. Vgl. Carlo Antonini: Manuale di vari ornamenti tratti dalle fabbriche, e frammenti antichi per uso e commodo de’ pittori (…), Rom 1777–1781, 4 Bd., 1777–1781, Bd. 1 (1777), S. IV–V: “(…) con grave pregiudizio dell’arte vennero introdotte dal solo capriccio di taluni, i quali (…) andarono solamente in traccia di un nuovo stile, il quale di tempo in tempo risorgendo non cessa di alterare la bella semplicità dell‘Architettura. (…) per ottenere che vieppiù si vegga a di nostri rifiorire l’antico buon gusto nella decorazione delle Opere, miglior mezzo sembrami non potersi proporre ai Professori, e Dilettanti delle belle Arti, che l’imitazione delle nobilissime Opere degli Antichi”. („(…) Zum großen Schaden der Kunst, wurden sie [die neue Kunstmanier] durch die Laune einiger eingeführt, die, nachdem sie die perfekten Beispiele der antiken Art aufgegeben hatten, nur auf der Suche nach einem neuen Stil waren, der von Zeit zu Zeit wieder auflebt und nicht aufhört, die schöne Einfachheit der Architektur zu beeinträchtigen. (…) damit wir die Wiederbelebung des guten Geschmacks in der Verzierung unserer Werke immer mehr sehen, scheint es mir kein besseres Mittel zu geben, als den Professoren und Amateuren der schönen Künste die Nachahmung der edlen Werke der Alten vorzuschlagen.“)
10. Auch die Rosetten-Drucke von Antonini wurden in Zeichnungen kopiert, siehe z.B. Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 85, 87.
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnungen verschiedener Rosetten bilden nicht nur motivisch eine Gruppe, sondern auch unter material- und zeichentechnischen Aspekten. Fast alle sind überzeichnete Abklatsche, nur drei Zeichnungen wurden ohne Abklatsch direkt auf dem Papier entworfen (IX 5159-36-23-2, IX 5159-36-24-3 und IX 5159-36-26-1). Die Beschriftungen in brauner Feder oder Rötel wurden vermutlich nach Fertigstellung der Zeichnungen mit Angaben zur Motivherkunft hinzugefügt.
Die auf das leere Papier übertragenen Abklatsche stammen von bisher unbekannten Zeichnungen in schwarzer Kreide oder Rötel. Nur ein Abklatsch wurde nicht überarbeitet (IX 5159-36-27-4), die übrigen ausschließlich und vollständig in Rötel überzeichnet. Vielerorts sind diese Überzeichnungen in Rötel mit erkennbar breitem Strich angelegt (IX 5159-36-28-1) und nach den mitabgeklatschten Linien ausgerichtet (IX 5159-36-23-3). An nicht überarbeiteten Stellen, wo der Abklatsch freiliegt, ist auch für die dem Abklatsch zugrunde liegende Zeichnung eine routinierte Hand erkennbar (IX 5159-36-26-3, IX 5159-36-26-4). Dort ist der Abklatsch auch bewusst als schattierendes Moment in die Zeichnung einbezogen, zusätzlich gezeichnete Schatten sind in der Regel stark akzentuiert. Die Rötelschraffuren der Überzeichnung liegen meist im rechten Winkel über den Schraffuren der Abklatsche. Vermutlich sollte hiermit eine ausgewogene Strichverteilung erzeugt und ein Überlagern der Schraffuren vermieden werden. Nachkorrekturen finden sich in zwei Zeichnungen an den Querschnitten in schwarzer Kreide (IX 5159-36-26-3 und IX 5159-36-26-4). Im Übrigen sind die Querschnitte in unterschiedlichen Positionen an die Frontalansicht grenzend angeordnet.
Einen direkten Bezug zwischen der Karlsruher Rosettengruppe und dem Album in der Zentralbibliothek Zürich zeigt ein Karlsruher Abklatsch, der von einer Züricher Zeichnung stammt (Abb. 1 und Abb. 2). Die übrigen Karlsruher Blätter zeigen die Motive des Züricher Albums gespiegelt, so dass man auf den ersten Blick auch hier direkte Abklatsche vermuten könnte. Die gezeichneten Linien sind jedoch nicht deckungsgleich. Die übereinstimmende motivische Anordnung von Schatten und Querschnitten in beiden Zeichnungsgruppen (Abb. 3 und Abb. 4) lässt jedoch die Vermutung zu, dass ihnen die gleichen Vorlagen zugrunde liegen.
Abb. 1: Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793) oder Kopie nach Lhuillier (?), Rosette (vom Palazzo Massimo alle Colonne ?), Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift, 207 x 269 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4 Abb. 2: David Vogel nach Nicolas Lhuillier (?), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 43, CC0 1.0 Abb. 3: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, 228 x 199 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-22-3 Abb. 4: David Vogel nach Nicolas Lhuillier (?), Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher v.G. 188.6a, fol. 15, CC0 1.0 Bis auf ein einzelnes Akanthusblatt, das in hellem Rötel neben einer Zeichnung ergänzt wurde (IX 5159-36-27-3) sind die Zeichnungen mit einer Rötelkreide von relativ einheitlichem, dunklen Rotton ausgeführt, der einen durchgehend ähnlichen Stift vermuten lässt. Das wird allerdings nur unter Vergrößerung deutlich, weil die gezeichneten Rötellinien so einzeln begutachtet werden können. Erst so kann der Betrachter unterschiedliche, kleinteilige Farbfelder einzeln wahrnehmen, die das Auge bei großem Abstand zu einer gemeinsamen Mischfarbe addiert. Eine Rötelzeichnung ohne Abklatsch wirkt dunkler im Vergleich zu einer Rötelzeichnung über einem Rötelabklatsch, dessen hellorange Farbigkeit die Farbwirkung des Bildes beeinflusst. Dagegen wirkt eine Rötelzeichnung über einem Abklatsch in schwarzer Kreide in der Gesamtansicht brauntonig.
Abb. 5a: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo ?), Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, 267 x 196 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-26-1 Abb. 5b: Auflicht
Gezeichneter Rötel mit verdichtetem, dunklem Erscheinungsbild, DetailAbb. 6a: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide, 205 x 255 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-26-4 Abb. 6b: Auflicht
Erscheinungsbild des gezeichneten Rötels über Abklatsch in Rötel, DetailAbb. 7a: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, mit Überarbeitungen in schwarzer Kreide, 178 x 176 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-22-4 Abb. 7b: Auflicht
Erscheinungsbild des gezeichneten Rötels über Abklatsch in schwarzem Stift, DetailInsgesamt zeigen die Rötellinien ein ebenmäßig dunkles, verdichtetes Erscheinungsbild. Allerdings gibt es einige Ausnahmen: Zu nennen ist ein nur lokal auftretendes Phänomen, das offensichtlich durch eine ungleichmäßige Übertragung von Rötel entstand (IX 5159-36-24-4 und IX 5159-36-22-2). Hier weisen die Strichfelder einige auffällig blasse Stellen auf, die deutlich strichbezogen und nicht abriebbedingt sind (IX 5159-36-22-2). Vermutlich war das Papier nach dem Abklatschprozess noch stellenweise etwas feucht, so dass derebenfalls feuchte Rötelstift hier für ungleichmäßigen Abrieb sorgte. In einer Nachbildung weisen Rötelstriche auf teilweise feuchtem Papier einen ungleichmäßigen Auftrag mit variabler Auftragsdichte (Detail 3) auf. Die Striche wurden teilweise schlecht auf dem Papier angenommen, andernorts kam es zu einer intensiveren Anhäufung von Rötel als in den trockenen Bereichen.
Detail 1: Rosette (vom Titus-Bogen ?), Inv. IX 5159-36-24-4
Ungleichmäßiger Rötelauftrag, möglicherweise durch eine Restfeuchte des Papiers bei der ÜberarbeitungDetail 2: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli ?), Inv. IX 5159-36-22-2
Ungleichmäßiger Rötelauftrag, möglicherweise durch eine Restfeuchte des Papiers bei der ÜberarbeitungDetail 3: Versuch: Probestriche in Rötel auf mittig feuchtem Papier Hinsichtlich ihrer zeichnerischen Ausführung bilden die Rosetten eine relativ homogene Gruppe, die eine gekonnte Fertigkeit und Sorgfalt erkennen lässt. Die weitgehend in Gruppen gebündelten Parallelschraffuren rings um die Rosetten zeigen allerdings eine gewisse Freiheit in ihrer Länge und Ausrichtung, sodass man trotz der motivischen Einheitlichkeit durchaus mehr als eine Hand vermuten kann, die sich der dokumentarischen Funktion anzupassen wusste. Dabei ist zu beobachten, dass der Querschnitt der jeweiligen Rosette, der nur in einem Fall weggelassen (IX 5159-36-28-1) und in zwei Fällen eventuell nachträglich abgetrennt (IX 5159-36-22-4, IX 5159-36-22-5), jeweils unterschiedlich platziert wurde. Schon in diesen gezeichneten Vorlagen wurden einige Querschnitte eng an die Frontalansicht herangerückt, was auf ein pragmatisches Hantieren mit kleinformatigen Papieren schließen lässt.[1]
Maria Krämer und Irene Brückle
Einzelnachweis
1. Zu Auftragstechniken von Rötel siehe Krämer, M., Henniges, U., Brückle, I. et al. Analysis of red chalk drawings from the workshop of Giovanni Battista Piranesi using fiber optics reflectance spectroscopy. Herit Sci 9, 112 (2021).
- Kopieren nach Abgüssen
Neben den graphischen Vorbildern dienten allgemein auch Abgüsse von Originalen für den Ornament- und Zeichenunterricht als Vorlagen. Daher dürften Rosetten auch nach Gipsen kopiert worden sein (dazu siehe auch IX 5159-35-29-4). Diese Praxis existierte schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Rom und verbreitete sich in den Akademien um die Jahrhundertwende in Europa. Vor allem in Frankreich begünstigte dieses Verfahren Debatten über die akademischen Ausbildungsmethoden und deren Zugänglichkeit und Verbreitung in Provinzstädten, was schließlich zur Gründung erster Architekturmuseen und –sammlungen führte, in denen Gipse und Modelle gezeigt wurden. Neben Abgüssen der berühmtesten Antiken und renaissancezeitlichen Skulpturen gab es auch immer solche von plastischen Bauornamenten, die von der Forschung aber bislang weniger berücksichtigt wurden.[1]
Die hoch oben an den Monumenten angebrachten Baudetails waren in der Regel nur schwer zugänglich. Stieg man mit einer Leiter empor, konnte man sie nur schräg und nicht frontal betrachten. Thomas Hardwick (1752–1829), der wie John Soane (1753– 1837) in den 1770er-Jahren den Castor-und-Pollux-Tempel auf diese Weise dokumentierte, unterliefen dabei Messfehler, weshalb er bei einer erneuten Aufnahme auf Abgüsse des Gebälks zurückgriff.[2]
Während man einen leichteren Zugang zu den als Spolien in mittelalterliche Kirchen eingebauten antiken Bauelementen hatte (siehe z.B. IX 5159-35-38-1), war es nur mit selten erteilten Genehmigungen möglich, die im Zuge von Restaurierungen an den großen Monumenten errichteten Gerüste zu besteigen.[3] In einem Brief vom 11. November 1760 berichtete sogar Giovanni Battista Piranesi dem Architekten Robert Mylne (1734–1811), dass George Dance anlässlich eines am Castor-und-Pollux-Tempel aufgebauten Stützgerüsts die Gelegenheit nicht verpassen wollte, Teile des Bauwerks in Gips abzuformen.[4] Auch anlässlich eines zur Restaurierung am Vespasianstempel (Tempel des Jupiter Tonans) errichteten Gerüstes wollte Dance die Kapitelle von einem „sehr schlauen Bildhauer“ abformen lassen.[5] Die Genehmigung scheint dafür erteilt worden zu sein, zwei Monate später waren sie fast fertig.[6] Dies belegt auch, dass Abgüsse eine essentielle Rolle beim Zeichnen und dreidimensionalen Kopieren von Bauornamentik in Rom spielten, zumal die Originale an den Monumenten aus der unmittelbaren Nähe nur schwer und selten zu erreichen waren.
In der Abgusssammlung des Sir John Soane’s Museums sind Rosetten erhalten, die mit einigen der Lhuillier-Zeichnungen erstaunlich genau übereinstimmen (Abb. 1).[7] Hier wird eine medienübergreifende Kopierpraxis deutlich. Dies bestärkt zudem die Vermutung, dass auch Lhuillier und seine Schüler nach solchen Gipsen zeichneten, wie es auch David Vogels Brief an Johann Heinrich Füssli belegt.[8] Zudem brachte Lhuillier 1768 als einer der ersten eine große Abgusssammlung von Bauornamenten nach Paris, die schon bald von Kollegen als Vorbilder genutzt wurden.[9]
Abb. 1: Drei Abgüsse von Rosetten aus Rom, © Sir John Soane’s Museum, London, SC37, M520, M1301; Drei Rosetten, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-4, IX 5159-36-27-1, IX 5159-36-25-3 Ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erwarben auch andere europäische Architekten in Rom neben Zeichnungen und Drucken auch zunehmend Gipsabgüsse von antiken Bauornamenten. Diese dienten nach ihrer Rückkehr in die Heimat als dreidimensionale Mustervorlagen für die Ausbildung und als Inspirationsquelle.[10] Im Oktober 1760 schrieb beispielsweise George Dance (1741–1825) an seinen Vater, dass er sein Geld für nützliche Gipsabgüsse, Zeichnungen und Drucke ausgeben möchte – die drei Medien wurden demnach als gleichwertig angesehen.[11] In der Kopierpraxis spielten die Abgüsse eine vergleichbare Rolle wie Zeichnungen, waren jedoch, wie auch aus den Briefen von Dance hervorgeht, sehr teuer. Vermutlich wurden daher potenziell günstigere Zeichnungen häufiger als Vorlagen erworben. Die Blätter in der Art Lhuilliers könnten dabei den Vorteil gehabt haben, dass sie die Ornamente idealisiert und sehr plastisch wiedergeben.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe u.a. in Manon Vidal: Jacques-Guillaume Legrand (1753–1807). Pratique, théorie et histoire de l’architecture à la fin du XVIIIe siècle, 2 vol., Dissertation der École des Chartes, 2014, nicht publiziert (AN, Pierrefitte-sur-Seine, archives privées, ABXXVIII 1629). Zur Nutzung von Gipsabgüssen in der Lehrpraxis siehe u.a. Tomas Macsotay: Plaster Casts and Memory Technique: Nicolas Vleughels‘ display of cast collections after the antique in the French Academy in Rome (1725–1793), in: Plaster Casts. Making, Collecting and Displaying from Classical Antiquity to the Present, Berlin/New York, 2010, S. 182-196; Helen Dorey: Sir John Soane’s Casts as Part of his Academy of Architecture at 13 Lincoln’s Inn Fields, in: ebd., S. 597-609; Elisabeth Le Breton/Jean-Luc Martinez u.a. (Hg.): Une Antiquité moderne, Ausst. Kat. Rom, Villa Médicis-Académie de France /Paris, Musée du Louvre, Mailand 2019, S. 145 und 161, Abb. 39. Valentin Kockel: „Dhieweilen wier die Antiquen nicht haben können…“ — Abgüsse, Nachbildungen und Verkleinerungen antiker Kunst und Architektur im 18. und 19. Jh., in: Dietrich Boschung/Henner von Hesberg (Hg.), Antikensammlungen des europäischen Adels im 18. Jahrhundert als Ausdruck einer europäischen Identität, Mainz 2000, S. 31-48, hier S. 36.
2. Siehe Frank Salmon: "Storming the Campo Vaccino“: British Architects and the Antique Buildings of Rome after Waterloo. In: Architectural history 38 (1995), S. 146–175, hier S. 150.
3. Auszug vom Brief von George Dance Junior an George Dance Senior, 2. November 1760 (RIBA, British Architectural Library, DA I/I/ii(v)-iii(r)): „I had the greatest difficulty to get permission (…) and am principally oblig’d to Seign. Giansimone for the licence who spar’d no pains & trouble to procure it“, zitiert nach ebd., S. 152.
4. Giovanni Battista Piranesi an Robert Mylne, 11. November 1760 (RIBA, British Architectural Library, MyFam 4/56): „Siccome esiste peranche il castello alle tre colonne il Sig. G. Dance a Lei ben cognito, e studusissimo di queste antichità, non ha voluto tralasciare una delle più rare occasioni, qual’è La presente, per ritrarre in gesso Le forme delle parti dello stesso monumento.“, zitiert nach Frank Salmon: "Storming the Campo Vaccino“: British Architects and the Antique Buildings of Rome after Waterloo. In: Architectural history 38 (1995), S. 146–175, hier S. 151f. und Anm. 21.
5. Auszug des Brief vom 4 Oktober 1760 (RIBA, Mss Collection, DaFam/1/2): „The three famous Columns of the Temple of Jupiter in the Campo Vaccino being / in a very ruinous condition, The Campidoglis have employ’d Workmen to / repair & preserve them, to perform which they have rais’d a Scaffold quite / up to the Architrave. I have not let slip this opportunity of measuring / them, & have sav’d up money to get them modell’d, which I shall have done / as well as possible by a very clever Sculptor, who will do it for me as cheap as / it can be done; All I wait for is the License which Seigⁿ Gensimone has / promise’d to procure me. I shall have it made in sevl pieces which I can / afterwards get join’d by the Caxters [Casters] in England, which will make the Portage / come to a small Expence […] .“, zitiert nach Jill Lever (Hg.): Catalogue of the Drawings of George Dance the Younger (1741–1825) and of George Dance the Elder (1695–1768) from the collection of Sir John Soane’s Museum, Oxford 2003, S. 64 Kat. 10.
6. Auszug des Briefes vom 2. November 1760: “The Model of the Entablature of the three Columns in the / Campo Vaccino I mentioned in my last is almost finish’d, & I am / very happy to have in my hands so exact a copy of the most beaut- / full Order in the World, which will no doubt be a treasure to me / in England. It was never Modell’d before… [it] will be of the greatest use to me in my study & reputation“, zitiert nach Jill Lever (Hg.): Catalogue of the Drawings of George Dance the Younger (1741–1825) and of George Dance the Elder (1695–1768) from the collection of Sir John Soane’s Museum, Oxford 2003, S. 64, Kat. 10.
7. Es sind heute noch mehrere solcher Abgüsse bekannt, z.B. der einer Deckenkassette mit Rosette aus dem Septimius Severus Bogen, der sicherlich Ende des 18. Jahrhunderts abgenommen wurde. Er wurde im Jahr 1830 von der Royal Academy aus der Sammlung von Thomas Lawrence (1769–1830) erworben (Inv. 03/3874).
8. Siehe den unpublizierten Brief von David Vogel aus Rom an Johann Heinrich Füssli (1741–1825), Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung Ms. M.1 370, undatiert (Jahresende 1765?), fol. 97: „Die [hier] eingeschloßene Rosette ist das dritte stück dieser art, das ich gezeichnet habe und ich schicke es Ihnen zur Probe was ich werde thun können, wenn ich der Kunst allen Fleiss zü wiedmen anfange. Die könfftige woche wurde ich auch anfangen ornements nach gypsen zu zeichnen.“ Bénédicte Maronnie identifizierte im Laufe ihrer Recherche die von Gubler lediglich erwähnte Vogel-Korrespondenz (siehe Hans Martin Gubler: Der Zürcher Architekt David Vogel (1744–1808): zu seinen Architekturstudien in Rom 1763-1765, in: Unsere Kunstdenkmäler: Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Band 25, Heft 4, 1974, S. 281–294, hier S. 293, Anm. 16) und wies erstmals auf diesen Brief hin, siehe dazu ihre Dissertation (in Bearbeitung). Herzlicher Dank gilt Gabi Pahnke für die Hilfe beim Transkribieren dieses Briefes.
9. Der Verleib von Lhuilliers Abgusssammlung ist unbekannt. Siehe Werner Szambien: Le Musée d’Architecture (1766–1836): projet inachevé. Institut d'études et de recherches en architecture et urbanisme, France. Direction de l'architecture. Service de la recherche architecturale. Paris, 1988, S. 44; Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), S. 27.
10. Andere französische Architekten wie Guillaume Martin Couture (1732-1799) oder Léon Dufourny (1754–1818) ließen ebenfalls Abgüsse nach Architekturteilen in Rom anfertigen. Couture bestellte etwa Abgüsse von römischen Kapitellen speziell für die Baustelle der Église de la Madeleine in Paris. Siehe z.B. Christiane Pinatel: La formation de la collection de moulages d'après l'antique à Versailles, in: Bulletin de la Société Nationale des Antiquaires de France, 1996, 1999. S. 318-327, hier S. 10f. Dufourny, dessen eigene Sammlung 1000 Stück umfasste, wurde ab 1798 als Leiter des neu im Collège des Quatre-Nations gegründeten und aus Gipsen bestehenden „musée d’Architecture“ eingesetzt, das in die großen Abgusssammlungen des 19. Jahrhunderts überging. Siehe dazu Werner Szambien: Le musée d’architecture (1776-1836), un projet inachevé. Paris 1988; Elisabeth Le Breton: Un conservatoire des plâtres antiques, 1. Des Académies royales du xviie siècle à la Nouvelle École royale et spéciale des beaux-arts (Paris) au xixe siècle. In: Des écoles d’art académiques aux écoles d’art: des collections et des lieux, un patrimoine à valoriser, In Situ. Revue des patrimoines, 43, 2021, https://doi.org/10.4000/insitu.28626. Mindestens eine Rosette aus Dufournys Abgusssammlung wurde 1818 auch von Alexandre-Évariste Fragonard und Jules de Joly in deren Recueil classique d’ornements et de bas-reliefs de sculpture publiziert, siehe Paris, Musée des Arts décoratifs, Collection Maciet: Album Décoration. Plafonds. Antiquité, S. 78.
11. Auszug des Brief vom 4 Oktober 1760: „all [the] / money I can save, I shall lay out in Casts of Antique Cornices, D[rawings] / & Prints, which will be of Service to me as long as I live; & of wh[ich a] / Man may make a finde collection in Rome, as cheap as any whe[re].“ zitiert aus Jill Lever (Hg.): Catalogue of the Drawings of George Dance the Younger (1741–1825) and of George Dance the Elder (1695–1768) from the collection of Sir John Soane’s Museum, Oxford 2003, S. 62.
- Merkmale der Papiere
Die Zeichnungen lassen sich auch anhand ihrer Papiere differenzieren. Es können vier Gruppen ähnlicher Papiere festgestellt werden, die vermutlich auf zusammenhängende Bearbeitungen hinweisen. Insgesamt wurden vor allem feine Zeichen- oder Schreibpapiere von dünner bis mittlerer Stärke verwendet. Nur 13 von ihnen tragen ein Wasserzeichen. Doch lassen sich auch die Papiere ohne Wasserzeichen anhand ihrer Siebstruktur sowie der Kett- und Bodendrähte den identifizierten Sorten zuordnen. Die Zeichnungen könnten also durchaus in einem zusammenhängenden Arbeitsprozess angefertigt bzw. abgeklatscht worden sein, wobei Papiere im Stapel verwendet wurden – auch wenn diese Annahme spekulativ bleiben muss.
Die vier Gruppen beinhalten Papiere mit den folgenden Wasserzeichen :
1. Sechszackiger Stern im Kreis, darüber doppelkonturiges Kreuz, darunter der Buchstabe „F“ (9 Bodendrähte pro Zentimeter, 25–27 mm Kettdrahtabstand)
Drei Zeichnungen dieser Gruppe liegt kein Abklatsch zugrunde (Abb. 1–3). Auf zwei der drei Blätter, einer Blütenrosette (Abb. 1, IX 5159-36-26-1) und einem mit Blütenblättern umkränzten Gesicht (Abb. 2, IX 5159-36-23-2), ist das Wasserzeichen deutlich erkennbar; das dritte Blatt – ebenfalls mit dem Motiv eines von Blättern umgebenen Gesichtes (Abb. 3a, IX 5159-36-24-3) – ist anhand seiner Siebstruktur dieser Papiersorte zuzuordnen. Alle drei Zeichnungen sind in Rötel über schwarzer Kreide ausgeführt. Der Rötel erscheint heute deutlich verdichtet – vermutlich ein Hinweis auf die Verwendung als Abklatsch-Matrize.
Abb. 1a: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo ?), Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, 267 x 196 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-1 Abb. 1b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-26-1Abb. 2a: Patera (?), Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, 207 x 180 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-2 Abb. 2b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels, mit schwarzem Stift gezeichnete Linie und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-23-2Abb. 3a: Patera vom Palazzo Massimo alle Colonne, Rötel über Vorzeichnung in schwarzem Stift, 171 x 194 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-3 Abb. 3b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, IX 5159-36-24-3Vergleichbar mit dieser Gruppe von Wasserzeichen sind einige Zeichnungen aus dem Nachlass Erdmannsdorff, wobei zwei von ihnen (Dessau 2866 und 2878) als Variante gelten können. Vergleichbar in den Motiven und in den Bearbeitungsspuren (z. Bsp. Zirkeleinstiche), sind sie weniger detailliert ausgeführt als die Karlsruher Blätter und oftmals mit rahmenden Kreidelinien versehen. Verso zeigen einige Kontaktübertragungen von Rötel und verteilten Rötelstaub (Dessau 2861), wahrscheinlich entstanden durch die Handhabung und Lagerung. Insgesamt sind sie jedoch weit weniger beansprucht als die Karlsruher Zeichnungen.
Abb. 4: Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2863
Foto: Christoph FrankAbb. 5: Ausschnitt, Durchlicht
Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2863
Foto: Irene BrückleAbb. 6: Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2866
Foto: Christoph FrankAbb. 7: Ausschnitt, Durchlicht
Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2866,
Foto: Irene BrückleAbb. 8: Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2878
Foto: Christoph FrankAbb. 9: Ausschnitt, Durchlicht
Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2878
Foto: Irene BrückleAbb. 10: Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2861
Foto: Christoph FrankAbb. 11: Verso
Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 2861
Foto: Christoph Frank2. Mehrfach unterteiltes, bekröntes Wappen (Wappen des Königreichs Neapel; 12 Bodendrähte pro Zentimeter, 25–28 mm Kettdrahtabstand)
Sieben Zeichnungen bilden aufgrund ähnlicher Papiere mit übereinstimmenden Siebmerkmalen eine Gruppe (Abb. 12–18). Zwei der Blätter (Abb. 12, IX 5159-36-25-1; Abb. 13, IX 5159-36-27-2) weisen zusätzlich komplexe Wasserzeichen mit dem Wappen des Königreichs Neapel auf, die entweder Zwillingswasserzeichen oder sogar identisch sind. Eine stark unterschiedliche Variante des Wasserzeichens findet sich auf einem weiteren Blatt der Gruppe (Abb. 14, IX 5159-36-27-4) mit dem einzigen, nicht überarbeiteten Abklatsch in schwarzer Kreide innerhalb des Konvoluts. Die übrigen Rosetten dieser Gruppe (Abb. 15, IX 5159-36-22-1; Abb. 16, IX 5159-36-24-2; Abb. 17, IX 5159-36-24-4; Abb. 12, IX 5159-36-25-1; Abb. 18, IX 5159-36-26-2; Abb. 13, IX 5159-36-27-2) wurden in Rötel über Abklatschen in Rötel ausgeführt, sind kompositionell sehr ähnlich und wurden nicht beschriftet. Der Zustand dieser Blätter könnte darauf hinweisen, dass sie als Abklatsch-Matrizen dienten: die Papiere sind faltig und mit verwaschenem Rötelstaub bedeckt.
Der zum Montieren verwendete Klebstoff ist durch das wenig feuchtigkeitsresistente Papier auf die Vorderseite durchgeschlagen. Dieses Phänomen ist innerhalb der Alben häufig bei abgeklatschten Blättern zu beobachten, und möglicherweise auf eine durch die mechanische Beanspruchung geschwächte Leimung zurückzuführen.
Abb. 12a: Rosette (vom Septimius-Severus-Bogen ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide , 227 x 325 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-1 Abb. 12b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels, Inv. IX 5159-36-25-1Abb. 13a: Rosette (vom Konstantinsbogen ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide, 226 x 322 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-2 Abb. 13b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-27-2Abb. 14: Rosette (vom Palazzo Massimo alle Colonne ?), Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift, 207 x 269 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4 Abb. 15a: Rosette vom Palazzo Massimo alle Colonne, Rötel über Abklatsch in Rötel, 329 x 231 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-1 Abb. 15b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-22-1Abb. 16a: Rosette (vom Titus-Bogen ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide, 229 x 322 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-2 Abb. 16b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-24-2Abb. 17a: Rosette (vom Titus-Bogen ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide, mit konstruierter Linie in Graphit (?), 230 x 323 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-4 Abb. 17b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-24-4Abb. 18a: Rosette (vom Septimius-Severus-Bogen ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in Rötel mit Markierungen in schwarzer Kreide, 232 x 323 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-2 Abb. 18b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels Abklatsch in Rötel und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-26-23. Lilie im Kreisring, darunter „CB“ (10 Bodendrähte pro Zentimeter, 27–29 mm Kettdrahtabstand)
Die Gruppe umfasst zehn Rötelzeichnungen auf Abklatschen in Rötel und in schwarzer Kreide. Sechs der Zeichnungen sind mit Feder beschriftet, die restlichen unbeschriftet. Vier der beschrifteten Blätter und zwei unbeschriftete weisen das Wasserzeichen Lilie im Kreisring mit dem Monogramm „CB“ auf (Abb. 19–24). Diese sind jeweils nur hälftig entlang einer gerissenen Blattkante erhalten, es wurde also für einen Abklatsch jeweils ein Viertelbogen verwendet. Sowohl obere als auch untere Wasserzeichenhälften sind erkennbar, jedoch ohne passende Gegenstücke. Vier der Blätter (Abb. 19, IX 5159-36-22-2; Abb. 20, IX 5159-36-23-4; Abb. 21, IX 5159-36-25-3; Abb. 22, IX 5159-36-28-1) sind auch anhand anderer Siebmerkmale (Kettlinienabstände, Anzahl der Bodendrähte pro Zentimeter) identisch, zwei der Blätter unterscheiden sich geringfügig in den Abständen der Kettlinien (Abb. 23, IX 5159-36-23-3; Abb. 24, IX 5159-36-26-4). Die übrigen Papiere ohne Wasserzeichen sind anhand ihrer Siebstruktur den vier Blättern mit Lilienwasserzeichen zuzuordnen (Abb. 25, IX 5159-36-24-1; Abb. 26, IX 5159-36-25-4; Abb. 27, IX 5159-36-26-3; Abb. 28, IX 5159-36-27-1).
Abb. 19a: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli ?), Rötel über Abklatsch in Rötel, mit Rötel und Feder in Schwarz (Eisengallustinte) beschriftet, 298 x 226 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-2 Abb. 19b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels Abklatsch in Rötel, Inv. IX 5159-36-22-2Abb. 20a: Rosette vom Kapitol, Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift mit Beschriftung in schwarzer Feder (Eisengallustinte), 222 x 300 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-4 Abb. 20b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels über Abklatsch in schwarzem Stift und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-23-4Abb. 21a: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo ?), Rötel (dunkel) über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift mit Überarbeitung in schwarzer Kreide und Markierungen in roter und schwarzer Kreide, 222 x 199 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-3 Abb. 21b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-25-3Abb. 22a: Rosette (aus Santa Maria degli Angeli ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide mit Beschriftung in braunschwarzer Tinte (Eisengallustinte), 295 x 222 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-28-1 Abb. 22b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-28-1Abb. 23a: Rosette (vom Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift mit Überarbeitung (?) in schwarzem Stift (Kreide?), 232 x 205 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-23-3 Abb. 23b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-23-3Abb. 24a: Rosette (vom Tempel der Sibylle in Tivoli ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide, 205 x 255 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-4 Abb. 24b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-26-4Abb. 25a: Rosette aus der Hadriansvilla, Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift mit Beschriftung in schwarzer Feder (Eisengallustinte), 295 x 224 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-24-1 Abb. 25b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels, Inv. IX 5159-36-24-1Abb. 26a: Rosette (vom Kapitol ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in roter Kreide mit Beschriftung in schwarzbrauner Tinte (Eisengallustinte), 222 x 295 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-26-3 Abb. 26b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-26-3Abb. 27a: Rosette (von der Kirche Santa Maria del Popolo ?), Rötel (dunkel) über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift mit Beschriftung in brauner Feder (Bister), 224 x 296 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-4 Abb. 27b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-25-4Abb. 28a: Rosette (vom Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum ?), Rötel über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzer Kreide, 255 x 224 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-1 Abb. 28b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-27-1Eine verwandte Zeichnung im Dessauer Nachlass Erdmannsdorff ist:
Abb. 29a: Auflicht
Rosette, Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9792.232 (Z 2880)Abb. 29b: Durchlicht, Wasserzeichen
Rosette, Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Grafische Sammlung, Sammlung Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Inv. 9792.232 (Z 2880)
Foto: Irene Brückle4. Bischofswappen (Kardinalshut),dreigeteilt, mittleres Feld belegt mit bekröntem Adler, darunter der Buchstabe "V" (etwa 25 mm Kettdrahtabstand, sehr feine, nicht zählbare Bodendrahtabstände)
Vier weitere, auch inhaltlich ähnliche Zeichnungen tragen als Wasserzeichenmotiv ein Wappen mit Kardinalshut (Abb. 25, IX 5159-36-22-3; Abb. 26, IX 5159-36-22-4; Abb. 27, IX 5159-36-22-5; Abb. 28, IX 5159-36-25-2). Alle vier Blätter wurden in Rötel über Abklatschen in schwarzer Kreide angefertigt, weisen ein annähernd quadratisches Format auf und sind unbeschriftet.
Abb. 30a: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, 228 x 199 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-3 Abb. 30b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-22-3Abb. 31a: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, mit Überarbeitungen in schwarzer Kreide, 178 x 176 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-4 Abb. 31b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-22-4Abb. 32a: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel über Abklatsch in schwarzer Kreide, mit Überarbeitungen in schwarzer Kreide, 172 x 176 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-5 Abb. 32b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-22-5Abb. 33a: Rosette (aus der Hadriansvilla ?), Rötel (dunkel) über Abklatsch einer Zeichnung in schwarzem Stift, 223 x 227 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-25-2 Abb. 33b: Auflicht
Detail mit Erscheinungsbild des Rötels und freiliegender Papieroberfläche, Inv. IX 5159-36-25-2Maria Krämer und Irene Brückle
- Anwendung und Rezeption
Einige der Rosetten-Zeichnungen aus der Motivsammlung der Piranesi-Werkstatt wurden in Radierungen übernommen. So sind auf den Tafeln 61 und 88 der Vasi, Candelabri insgesamt sechs Rosetten abgebildet, die dort in einer antikisierenden Inszenierung auf fragmentierte Friesstücke gesetzt wurden (Abb. 1).
Abb. 1: Giovanni Battista Piranesi, Relieffragmente und Rosetten aus Villa Albani und Aldobrandini, in: Vasi, candelabri, 1778, Taf. 61 und Taf. 90, Biblioteca Histórica de la Universidad Complutense de Madrid, BH GRL 13(63) und BH GRL 13(90)
CC BY-NC-SA 4.0Zwei der Rosetten sind mit Karlsruher Blättern identisch, zwei weitere entsprechen den Zeichnungen weitgehend (Abb. 2).
Abb. 2: Detailvergleiche zwischen den Rosetten aus den zuvor abgebildeten Piranesi-Radierungen (Biblioteca Histórica de la Universidad Complutense de Madrid, BH GRL 13(63) und BH GRL 13(90), CC BY-NC-SA 4.0) und den Rosetten in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-22-3, IX 5159-36-22-2, IX 5159-36-25-2, IX 5159-36-24-3
In Einzelfällen wurden sie zudem von Piranesi für dekorative Assemblagen verwendet. So erscheinen zum Beispiel zwei Rosetten in den oberen Ecken des Kamins von Tafel 54 der Diverse Maniere (Abb. 3), eine Patera kehrt im Kamin von Tafel 47 wieder (Abb. 4).
Abb. 3: Detailvergleich zwischen der Rosette in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-27-4 und einer Rosette aus einem Kaminentwurf Giovanni Battista Piranesis, in: Diverse Maniere, Rom 1769, Taf. 54, Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, SM-GS 6.2.692
CC BY-NC-SA 3.0Abb. 4: Detailvergleich zwischen Patera in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-36-21-1 und einer Patera aus einem Kaminentwurf Giovanni Battista Piranesis, in: Diverse Maniere, Rom 1769, Taf. 47, Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, SM-GS 6.2.692
CC BY-NC-SA 3.0Da das Karlsruher Konvolut nur einen Ausschnitt von Piranesis Motivsammlung zeigt, ist davon auszugehen, dass in seiner Werkstatt noch weitere dieser Zeichnungen vorhanden waren. Darüber hinaus entwickelten sich die in den 1760er-Jahren zirkulierenden Rosetten gegen Ende des Jahrhunderts zu beliebten und weit verbreiteten Motiven. So findet man in den Nachlässen verschiedener Architekten, beispielsweise bei Pierre-Adrien Pâris (1745–1819, als Stipendiat in Rom 1771-1774) oder Thomas Hardwick (1752-1829, in Rom 1777–1779), damals geläufige Rosetten, tafelartig auf einem Blatt arrangiert (Abb. 5 und Abb. 6).
Abb. 5: Pierre-Adrien Pâris, Rosettentafel, Feder, laviert
© Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, vol. 476, n° 115Abb. 6: Thomas Hardwick (?), Rosettentafel, Feder und Tinte in Schwarz, Grau und Rot, London, Royal Institut of British Architects, Hardwick-Album VOS/4 f.49
© RIBA Collections, RIBA 127518Jenseits einer Funktion innerhalb des Zeichenunterrichts mag es zunächst verwundern, dass diese Rosettenmotive seit der zweiten Mitte des 18. Jahrhunderts derart extensiv kopiert wurden. Der ornamentalen Ausgestaltung kam zu dieser Zeit jedoch in Architektur wie Kunsthandwerk eine wesentliche Bedeutung zu, anhand derer auch Qualität und Geschmack unter Beweis gestellt wurden. Im einsetzenden Klassizismus kamen Rosetten wie auch andere aus der Antike und der antikisierenden Renaissance entlehnte Motive an unterschiedlichsten Orten zum Einsatz: ausgesprochen klassisch an Konsolgesimsen und Kassettenfüllungen von Decken, aber auch an Türen, Treppengeländern oder Relief- und Wandfeldern. Die Ausführung erfolgte in unterschiedlichsten Materialien, in Stein gemeißelt oder aus Stuck geformt, in Holz geschnitzt, in Metall getrieben oder in Malerei ausgeführt. Auf den ersten Blick in der Grundform gleichförmig erscheinend, konnten sie im Detail als abwechslungsreich variierendes Ornament, kleinteilig und individuell gestaltet werden. Die römischen Vorbilder wurden dabei direkt übernommen oder abgewandelt und neu komponiert. Wie andere aus Rom entlehnte dekorative Vorbilder hat man auch die Rosetten in ihren Maßen und Proportionen an die neue Architektur angepasst. So wurden sie in Kassettenfüllungen an Decken oft hierarchisierend angeordnet – einfachere oder kleiner an den Rändern oder unten, größere und aufwändigere Formen hingegen an zentralerer Position. Dort waren sie schmückendes und den Architekturausdruck steigerndes Beiwerk. Einfache Rosettenmotive begleiteten schlichte dorische und ionische Architekturen, wogegen sich prächtigen Rosettenblüten bei korinthischen und kompositen Ordnungen finden. Daher verwundert es nicht, dass Rosettenmotive derart häufig gezeichnet wurden. Denn es war auch rein praktisch motiviert, sich während des Romaufenthalts eine Motivsammlung als spätere Arbeitsgrundlage zusammenzustellen.
Nicolas Lhuillier, der ab 1768 bis zu seinem Tod 1793 als Ornamentbildhauer in Paris für verschiedene Architekten und Auftraggeber arbeitete, dekorierte beispielsweise zwischen 1778-1782 die Kuppel des Naturhistorischen Kabinetts (Cabinet d’histoire naturelle) im Park der Folie Saint-James aufwendig mit Rosetten. Diese sind plastisch und detailliert in Stuck gegossen und lassen dabei direkte motivische Bezüge zu seinen Zeichnungen und den Drucken in Kreidemanier erkennen (Abb. 7). Aber auch Friedrich Weinbrenner, in dessen Bauschule die in Rom erworbenen Zeichnungen von seinen Schülern kopiert werden mussten, verzierte seine Bauten mit entsprechenden Motiven. Da sein architektonisches Oeuvre durch zahllose Abbrüche und Kriegszerstörungen stark fragmentiert ist, sind jedoch Rosetten in Karlsruhe Rosetten nur noch sehr selten anzufinden, wie etwa am Hauptgiebel des 1822 im Rohbau vollendeten Rathauses (Abb. 8).[1]
Abb. 7a: Nicolas Lhuillier, Deckendekor der Kuppel mit Rosetten, 1778–1782, Stuck, Neuilly-sur-Seine bei Paris, Cabinet d’histoire naturelle im Park der Folie Saint-James
Foto: Georg Kabierske, CC0 1.0Abb. 7b: Nicolas Lhuillier, Deckendekor der Kuppel mit Rosetten, 1778–1782, Stuck, Neuilly-sur-Seine bei Paris, Cabinet d’histoire naturelle im Park der Folie Saint-James
Foto: Georg Kabierske, CC0 1.0Abb. 8: Friedrich Weinbrenner, Rathaus Karlsruhe, Rosetten am Konsolgesims des Hauptgiebels, Sandstein, 1821-1825
Foto: Georg Kabierske, CC0 1.0Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Weitere Rosetten gibt es in Karlsruhe nur im partiell erhaltenen, stuckierten Konsolgesims und an der Eingangstür im Haus Reinhardt (1814/15) am Lidellplatz, in den Stuckfragmenten des Markgräflichen Palais (1810/11, in der Sammlung des Archivs für Architektur und Ingenieurbau, (saai) am KIT), sowie an Bauten von Weinbrenner-Schülern wie Christoph Arnold: Haus Meyerhuber, Kaiserstraße 237 (1816-17, Fassadenschmuck rekonstruiert), Grabmal des Hofpredigers Johann Leonhard Walz (1818) auf dem alten Friedhof sowie Munksches Haus, Stephanienstraße 14 (1827). Am Hauptgiebel der erst nach Weinbrenners Tod 1826 fertig gestellten Münze sind Rosetten nur als flache Scheiben angedeutet. Zur Verwendung von ornamentalen Motiven aus den Klebealben der Kunsthalle im Werk Weinbrenners siehe weiterführend Georg Kabierske: Weinbrenner und Piranesi. Zur Neubewertung von zwei Grafikalben aus dem Besitz Friedrich Weinbrenners in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, in: Brigitte Baumstark/Joachim Kleinmanns/Ursula Merkel (Hg.): Friedrich Weinbrenner, 1766-1826: Architektur und Städtebau des Klassizismus, Ausst. Kat. Karlsruhe, Städtische Galerie und Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau, Petersberg 2015 (2. Aufl.), S. 75–87.
- Prozesse historischer Nutzung
Ein häufiges Phänomen auf mehreren Zeichnungen sind Rötellinien mit verschwommen wirkenden Rändern (Detail 1). Vermutlich wurden sie durch eine flächige Feuchtigkeitseinwirkung verursacht, die ein leichtes seitliches Ausschwemmen von Rötel über die Strichgrenze hinaus bewirkte und weisen auf eine Weiterverwendung der Zeichnungen hin. Im Kontext der angewendeten Abklatschtechnik und in Zusammenhang mit weiteren Indizien – Verdichtung der Rötellinien, faltiges Papier, gekreuzte Siebstruktur (siehe Forschungsbeitrag Abklatsch) – lässt sich vermuten, dass die fertigen Zeichnungen ihrerseits für weitere Abklatsche verwendet wurden. Sie wurden jedoch nicht nur abgeklatscht, um zur Verbreitung der Motive beizutragen, sondern auch nach ihrer Fertigstellung zu Studien- oder Arbeitszwecken weiter verwendet. Darauf weisen nachträglich hinzugefügte Einstiche und gezirkelte Blindlinien sowie in schwarzer Kreide eingetragene Spiegelachsen hin (s. jeweilige Einträge zu Nutzungsspuren), die auch bei den motivisch eng verwandten Dessauer Zeichnungen verzeichnet sind. Klebstoffflecke auf der Vorderseite einiger Zeichnungen sowie dort stellenweise anhaftende Transparentpapierfragmente weisen zudem darauf hin, dass einige Blätter (IX 5159-36-22-1; IX 5159-36-23-2; IX 5159-36-24-1; IX 5159-36-24-2; IX 5159-36-25-1; IX 5159-36-25-4; IX 5159-36-26-3; IX 5159-36-26-4; IX 5159-36-27-3) in der Weinbrennerschule zu Übungszwecken abgepaust wurden.
Detail 1: Auflicht
Seitlich ausgeschwemmter Rötel an einer gezeichneten Linie, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, IX 5159-36-24-3, DetailMontierungshistorie:
Alle Zeichnungen weisen Spuren von zwei früheren Montierungen vor ihrer Einfügung in die Karlsruher Alben auf – häufig in Form ausgerissener Ecken, so dass nur eine geringe Zahl evidenztragender Klebepunkte ausgewertet werden konnte. Bei den noch vorhandenen handelt es sich den meisten Fällen um einen gelblich fluoreszierenden Klebstoff, der für die zweite Montierung verwendet wurde. Nur in einem Fall (IX 5159-36-25-4) konnte ein UV-Strahlung auslöschender Klebstoff identifiziert werden, der auf eine weitere, erste Montierung hinweist.
Übersicht der in den Rosetten vorhandenen 13 Wasserzeichen:
Abb. 1: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, beschnitten (obere Hälfte), Inv. IX 5159-36-22-2, DetailAbb. 2: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Bischofswappen (Kardinalshut), dreigeteilt, mittleres Feld belegt mit bekröntem Adler, darunter der Buchstabe „V", Inv. IX 5159-36-22-4, DetailAbb. 3: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Bischofswappen (Kardinalshut),dreigeteilt, mittleres Feld belegt mit bekröntem Adler, darunter der Buchstabe „V", Inv. IX 5159-36-22-5, DetailAbb. 4: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Sechszackiger Stern im Kreis, darüber doppelkonturiges Kreuz, darunter der Buchstabe „F“, Inv. IX 5159-36-23-2, DetailAbb. 5: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, beschnitten (untere Hälfte), darunter das Monogramm „CB“, Inv.IX 5159-36-23-3, DetailAbb. 6: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, beschnitten (obere Hälfte), Inv. IX 5159-36-23-4, DetailAbb. 7: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Mehrfach unterteilter Wappenschild, Wappen des Königreichs Neapel unter bourbonischer Herrschaft, bekrönt mit Bügelkrone, Inv. IX 5159-36-25-1, DetailAbb. 8: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, beschnitten (untere Hälfte), darunter das Monogramm „CB“, Inv. IX 5159-36-25-3, DetailAbb. 9: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Sechszackiger Stern im Kreis, darüber doppelkonturiges Kreuz, darunter der Buchstabe „F“, Inv. IX 5159-36-26-1, DetailAbb. 10: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, darunter das Monogramm CB (beschnitten, untere Hälfte), Inv. IX 5159-36-26-4, DetailAbb. 11: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Mehrfach unterteilter Wappenschild, Wappen des Königreichs Neapel unter bourbonischer Herrschaft, bekrönt mit Bügelkrone, Inv. IX 5159-36-27-2, DetailAbb. 12: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Mehrfach unterteilter Wappenschild, Wappen des Königreichs Neapel unter bourbonischer Herrschaft, bekrönt mit Bügelkrone, Inv. IX 5159-36-27-4, DetailAbb. 13: Durchlicht (in Graustufenbild umgewandelt)
Wasserzeichen: Lilie im Kreisring, beschnitten (obere Hälfte), Inv. IX 5159-36-28-1, DetailMaria Krämer
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