Die Marc-Aurel-Säule wurde von Piranesi um 1775 in einem monumentalen Druck, die Veduta del prospetto principale della Colonna Antonina , bestehend aus sechs zusammengesetzten Druckplatten, dargestellt.[1] Die beiden in Karlsruhe aufbewahrten Zeichnungen der Statue des Heiligen Paulus dienten als Vorbereitung für den obersten Teil dieser monumentalen Radierung (Abb. 1).
Abb. 1: Giovanni Battista Piranesi, Heiliger Paulus, im obersten Teil des Druckes Veduta del prospetto principale della Colonna Antonina, in: Trofeo ossia magnifica colonna […], Rom 1775, Biblioteca Histórica de la Universidad Complutense de Madrid, BH GRL 12(1)CC BY-NC 4.0 Insofern gilt 1775 als terminus ante quem für die Blätter IX 5159-36-5-1 und IX 5159-36-11-1 . In Folge der vorangegangenen Dokumentation der Trajanssäule 1774 wurde die monumentale Darstellung der Marc Aurel Säule auch innerhalb der Druckserie Trofeo o sia Magnifica colonna Coclide […] um 1775 veröffentlicht.[2] Diese wurde mit einem zweiten Frontispiz und zusätzlichen Tafeln zur Antonius-Pius-Säule ergänzt. Die finale Ausgabe der Serie wurde wahrscheinlich bis 1779 von Francesco vervollständigt, der die Tafeln XX und XXI signierte. Die monumentalen Ansichten der Trajans- und Marc-Aurel-Säule konnten auch separat erworben werden.
Beide Zeichnungen stehen in so enger Verbindung, dass die eine Version des Heiligen Paulus nach der anderen freihändig (ohne Nutzung einer Pause) kopiert worden sein muss (siehe Zeichnerischer Prozess ). Besonders komplex sind die Fragen der Rolle der jeweiligen Zeichnung im Herstellungsprozess des Druckes sowie die Reihenfolge ihrer Entstehung. Die technische Analyse des Papiers, die Beobachtung von Nadel- und Ölspuren (siehe Merkmale historischer Nutzung ) sowie die Ausführung des Sockels in Rötel im Blatt IX 5159-36-5-1 sprechen dafür, dass diese Version für die Übertragung auf die Druckplatte benutzt wurde – zumindest in Bezug auf Proportionen und wichtige Elemente der Komposition. Bei der Umsetzung wurde die Position der Füße leicht korrigiert, damit sie in direktem Kontakt mit dem Sockel kommen.
Welche Zeichnung zuerst gezeichnet wurde ist nicht eindeutig zu definieren. Im Blatt IX 5159-36-5-1 wurden die Statue und der Sockel proportional gezeichnet. Maria Krämer vermutet, dass die Höhe der Statue in IX 5159-36-11-1 , die in diesem Fall zuerst entstanden sein müsste, in die Zeichnung IX 5159-36-5-1 übertragen wurde (siehe Zeichnerischer Prozess ), wobei die Figur mit leichtem Strich skizziert wurde, wie es die unterliegende Vorzeichnung erkennen lässt. Dann wurde der Sockel in Rötel gezeichnet und schließlich die Statue nach Vorbild von IX 5159-36-11-1 ergänzt und präzisiert. Jedoch wurde in der Zeichnung IX 5159-36-5-1 die perspektivische Position des linken Arms sowie der rechten Hand am Schwertknauf leicht korrigiert (Abb. 2) – zwei schwierigere Stellen, die von einer suchenden Ausführung gekennzeichnet sind. Solche Pentimenti lassen eher an einen ersten Zeichnungsschritt denken anstatt an eine Kopie nach einer bereits vorliegenden Vorlage. Darüber hinaus sind die Falten im Gewand in IX 5159-36-5-1 härter ausgearbeitet. Der untere Teil des Schwertknaufes wurde zudem in IX 5159-36-5-1 links am Rande der Statue präziser und näher an IX 5159-36-11-1 gezeichnet. Demnach ist also nicht auszuschließen, dass das Blatt IX 5159-36-11-1 in einem zweiten Schritt zur Präzisierung der Figur und im Hinblick auf die Umsetzung im Druck entstand.
Abb. 2: Detailvergleich des Arms in Inv. IX 5159-36-5-1 (oben), Inv. IX 5159-36-11-1 (unten); des Schwertknaufs mit Hand in Inv. IX 5159-36-5-1 (links), Inv. IX 5159-36-11-1 (rechts); des rechten Gewandteils in Inv. IX 5159-36-5-1 (links), Inv. IX 5159-36-11-1 (rechts)CC0 1.0 Zudem ist zu bemerken, dass die Zeichnung IX 5159-36-11-1 in einigen Details näher am Druck ist als IX 5159-36-5-1. Dies ist zum Beispiel in den Falten des Tuches am Hals- und Hüftbereich, im Gesicht und im Schwertknauf zu erkennen, wobei der Druck insgesamt viel härter und massiver wirkt (Abb. 3).
Abb. 3: Detailvergleich von Gesicht, Gewand im Halsbereich, Hüfte (von unten nach oben) zwischen Inv. IX 5159-36-5-1, Druck und Inv. IX 5159-36-11-1 (von rechts nach links)CC0 1.0 Weniger eindeutig hingegen sind andere Stellen wie der linke Oberschenkel; der Druck ist an dieser Stelle näher an IX 5159-36-5-1 (Abb. 4).
Abb. 4: Detailvergleich zwischen Inv. IX 5159-36-11-1, Druck und Inv. IX 5159-36-5-1CC0 1.0 Möglich ist daher, dass die etwas präzisere Zeichnung IX 5159-36-11-1 für die Übertragung und detaillierte Bearbeitung der Statue parallel zur Zeichnung IX 5159-36-5-1 benutzt wurde. Dafür spricht auch die vergrößerte Darstellung des Fußes in Rötel auf dem Blatt IX 5159-36-11-1 , die das Detail der Sandale klarer zeigt.
Bénédicte Maronnie
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