Bis ins kleinste Detail sind die ornamentierten Voluten, der Eier- und Perlstab sowie die gewölbten Akanthusblätter dieses Kapitells wiedergegeben. So eine präzise Zeichnung war nur mit feinen Konstruktionslinien zu realisieren; diese kann man seitlich erkennen. Vergleichbare Kapitelle wurden in der Antike in großer Menge seriell produziert. Auch wenn die Zeichnung in Piranesis druckgraphischen Werken nicht vorkommt und keine Beschriftung trägt, so gelang ihre genaue Zuordnung doch anhand anderer, genau verorteter Darstellungen desselben Kapitells.
Werkdaten
Künstler
Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793), Gruppe 4
Ort und Datierung
Rom, vermutlich zwischen 1755 und 1768
Abmessungen (Blatt)
431 x 478 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-37-1
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide über Konstruktionslinien in Rötel; weitere Informationen, siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas-François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, hier S. 26, Abb. 9.
- Hadernpapier
Vergé, holländische Herstellung (Zaan Distrikt); Zeichnung vermutlich auf der Filzseite
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Die großformatige Zeichnung gibt ein Kapitell wieder, das sich zu Lebzeiten Piranesis in den Farnesischen Gärten (Orti Farnesiani) auf dem Palatin befand. Durch die Verlagerung der gesamten Antikensammlung der Familie Farnese ab 1786 und weit bis in den 1790er Jahren hinein, befindet sich ein solches Kapitell heute in Neapel und gehört zum Bestand des Museo Archeologico Nazionale (Abb. 1).[1] Die Identifikation der Vorlage, auf die sich diese Zeichnung bezieht, kann dank des Vergleichs mit Zeichnungen und Drucken, in denen die Verortung des Bauornaments angegeben ist, nachvollzogen werden (siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination). In der Antike wurden jedoch Bauornamente dieser Art seriell produziert, weshalb in Rom an verschiedenen Orten – und vielleicht auch selbst in den Farnesischen Gärten – mehrere vergleichbare Exemplare eines solchen Kapitells zu sehen waren.[2] Darüber hinaus wurde das antike Kapitell in der Zeichnung vervollständigt und somit in einem Idealzustand dargestellt. Es wurde in monumentaler Größe wiedergegeben, wobei die symmetrische Konstruktion mit Hilfe einer mittig gesetzten, vertikalen Linie erfolgte und die einzelnen Abschnitte mit Hilfe von Horizontallinien in Graphit bzw. roter Kreide angelegt wurden.
Abb. 1: Kapitell aus den Farnesischen Gärten, Marmor, Neapel, Museo Archeologico Nazionale
© su concessione del Ministero della Cultura — Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Foto: Bénédicte MaronnieStefan Morét und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Federico Rausa: Le collezioni farnesiane di sculture antiche: storia e formazione, in: Carlo Gasparri (Hg.): Le sculture farnese. Storia e documenti, , Neapel 2007, 57–60.
2. Vergleichbare Kapitelle befinden sich im oberen Geschoss vom Portikus in Santa Maria in Cosmedin. Für diesen Hinweis bedanke ich mich bei Stefan Morét. Ein anderes Kapitell wurde von Pierre-Jacques de Reims um 1576 in seinem Skizzenbuch dargestellt und mit der Angabe versehen, es befinde sich in der Kirche Santa Sabina („i presso S Sabina“, siehe Paris, Bnf, Estampes et photographie, Inv. Rés. Fb-18a-4, Fol. 25).
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Dieses Kapitel gehört wie die Säulenbasis IX 5159-35-38-1 zu Piranesis Vorlagenrepertoire von Bauornamenten. Im Unterschied zur Säulenbasis kommt dieses Kapitell jedoch in keinem seiner gedruckten Werke vor.
Motive dieser Art gründen auf einer weitreichenden Kopiertradition und einer breiten Rezeption in Zeichnung und Druckgraphik. Zahlreiche Zeichenalben der Renaissance illustrieren die unzähligen ornamentalen Varianten solcher Bauornamente und sind repräsentativ für die über mehrere Jahrhunderte fortgeführte Kopierpraxis. Zitiert sei beispielsweise der Codex Escurialensis (Madrid, Real Biblioteca de El Escorial), der Codex Coner (London, John Soane’s Museum)[1] und Drucke auf losen Blättern wie die des Meisters G.A. oder von Hughes Sambin sowie Publikationen innerhalb von Architekturtraktaten.[2]
Anhand des Karlsruher Blattes kann somit exemplarisch nachvollzogen werden, wie eng Piranesis Repertoire von Bauornamenten, das im Wesentlichen aus Zeichnungen von Zeitgenossen wie Lhuillier besteht, dieser Kopiertradition verbunden ist.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe Carlo Gasparri: Piranesi e il suo archivio di modelli di architettura, in: Ginevra Mariani (Hg.): Giambattista Piranesi, Matrici incise, Bd. 3: 1761–1765, Rom, 2017, S. 27–37.
2. Siehe Michael J. Waters/Cammy Brothers: Variety, Archeology, & Ornament. Renaissance Architectural Prints from Column to Cornice, Ausst. Kat. Charlotteville, University of Virginia Art Museum, Charlotteville 2011; Michael J. Waters: A Renaissance without Order: Ornament, Single-Sheet Engravings, and the Mutability of Architectural Prints, in: Journal of the Society of Architectural historians 71, 2012, S. 488–523; Peter Fuhring: Le Maître HS ou Hughes Sambin, in: Nouvelles de l’estampe 257, 2016, S. 4–28.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Die hier besprochene Zeichnung eines Kapitells aus den Farnesischen Gärten sowie die der Säulenbasis IX 5159-35-38-1 lassen sich besonders gut mit der Serie von Kapitellen und weiteren Bauornamenten aus dem Bestand David Vogels in Zürich vergleichen (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, F.A. Escher vG.188.6). Es handelt sich dabei um eine Serie von großformatigen Zeichnungen, die der Schweizer Architekt um 1764/65 aus Rom nach Zürich gesendet hatte (siehe zur Geschichte der Zeichnungen IX 5159-35-38-1).[1] Stilistisch sind die Züricher Blätter mit der Zeichenart von Nicolas François Daniel Lhuillier zu verbinden, mit dem Vogel in Rom in engem Kontakt gewesen war. Sie können als Zeichnungen von Lhuillier selbst und in einigen Fällen als Kopien nach seinen Vorlagen bewertet werden. Vergleicht man die Karlsruher Zeichnung mit einem dieser Kapitelle, zum Beispiel dem aus Santa Maria in Cosmedin auf Folio 74, so werden Unterschiede in der Ausführung der Schraffierungen und der Details deutlich. Die Karlsruher Zeichnung weist parallele Linien auf, die jedoch größere Abstände besitzen. In der Züricher Zeichnung sind die Schraffuren hingegen dichter und die Schattierungen verwischter, was den Gesamteindruck sanfter erschienen lässt (Abb. 2). Diese auffallenden Differenzen in der Ausführung machen die Komplexität der Zuschreibungsfrage gerade angesichts der in Kopien angestrebten Nachahmung und der fehlenden Autorenangabe deutlich (mehr dazu siehe IX 5159-35-38-1).
Abb. 2: Detailvergleich zwischen Kompositkapitell aus den Farnesischen Gärten, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-37-1, und Nicolas François Daniel Lhuillier, Antikes Kompositkapitell aus Santa Maria in Cosmedin, 1764–1765, schwarzer Stift, 535 x 649 mm (ganzes Blatt), Zentralbibliothek Zürich, Vogel-Escher-Album, FA Escher vG. 188.6, fol. 74
CC0 1.0Ebenso wie das Karlsruher Blatt sind die Zeichnungen in Zürich zumeist in schwarzer Kreide ausgeführt. Von dem Kapitell aus den Farnesischen Gärten ist jedoch eine Zeichnung in grauem Pinsel über schwarzer Feder vorhanden (Abb. 3). Diese hat die gleichen Maße wie die Karlsruher Zeichnung, ist motivisch identisch und entspricht auch dem charakteristischen Darstellungsmodus Lhuilliers. Auch die lavierten Schattierungen stimmen mit denen der Karlsruher Zeichnung überein. Trotz ihrer unterschiedlichen Technik wurde die Zeichnung daher offensichtlich im selben Rahmen des Kopierens nach Zeichnungsvorlagen hergestellt. Während Lhuillier rote und schwarze Kreide bevorzugte, zeichneten andere auf dem Gebiet der Ornament- und Architekturzeichnung spezialisierte Zeichner wie Vincenzo Brenna (1747–1818?) eher mit Feder und Pinsel, wenngleich nicht nur. Obwohl dieses Blatt wahrscheinlich nicht vor dem Original gezeichnet wurde, weist die Beschriftung aus der Hand David Vogels auf die Verortung des dargestellten Kapitells hin.[2]
Abb. 3: David Vogel? (nach Nicolas François Daniel Lhuillier), Kapitell aus den Farnesischen Gärten, um 1764–1765, Feder und Pinsel laviert, 609 x 458 mm, Zentralbibliothek Zürich, Vogel-Escher-Album, FA Escher vG.188.6, fol. 76
CC0 1.0In diesem Zusammenhang ist es besonders interessant, dass sich innerhalb des anderen wichtigen Konvoluts aus Piranesis Werkstatt in der Morgan Library ebenfalls die Zeichnung eines Kapitells in schwarzer Kreide befindet (Abb. 4). Dieses Kapitell wurde nach einem anderen Vorbild gezeichnet und nur zur Hälfte dargestellt, wie es oft bei Ornamentzeichnungen vorkommt. Es wirkt etwas ungelenk, insbesondere hinsichtlich der perspektivischen Darstellung der Volute. Die Schattierungen und Konturen sind wenig akkurat ausgeführt. Hier wie auch in den Akanthusblättern wirken die Korrekturen sehr bemüht. Auch wird im Vergleich zu anderen skizzenhaften Ornamentzeichnungen des Karlsruher Bestands in der Art Lhuilliers (z.B. das WellenrankenfriesIX 5159-35-14-2 oder der Rankenpilaster IX-5159-35-11-2) der Mangel an Spontaneität deutlich. Daher dürfte es sich in diesem Fall nicht um eine eigenhändige Zeichnung Lhuilliers vor dem Marmororiginal zur Vorbereitung einer Reinzeichnung handeln. Die mangelnde Spontaneität legt eher die Zuschreibung an eine lernende Hand nahe. Vermutlich handelt es sich hier um eine Kopie nach einer gezeichneten Vorlage Lhuilliers, oder um eine Zeichnung vor dem Marmororiginal (oder vor einem Gipsabguss), wobei Lhuillier als Lehrer dem Zeichner assistiert haben könnte.
Abb. 4: Unidentifiziert Zeichner, Kapitell, 1760er Jahre?, schwarze Kreide, 393 x 267 mm
© The Morgan Library & Museum. 1966.11:27. Bequest of Junius S. Morgan and gift of Henry S. Morgan.In der Sammlung des englischen Architekten George Dance (1741–1825), der zwischen 1761 und 1764 in Rom lebte, befindet sich der Abklatsch eines vergleichbaren Kapitells in schwarzer Kreide im Stil Lhuilliers (London, Sir John Soane’s Museum, Dance Sammlung, 46 x 54,5 cm, Inv. D3/1/20). Dieser zeugt erneut von der Verbreitung derartiger Motive durch das Abklatschverfahren, das nicht nur für kleinere Rosetten und Ornamentfriese verwendet wurde, sondern auch für großformatige Bauelemente. Aus Dances Briefen geht hervor, dass er antike Bauteile nachzeichnete und vermaß, aber auch dank einer erteilten Erlaubnis Teile des römischen Tempels des Jupiter Stator abformen ließ, um die Abgüsse zusammen mit den Zeichnungen nach England zu schicken.[3] Aus den schriftlichen Quellen und Dances Praxis wird klar, dass Zeichnungen und Gipse von Bauornamenten eine komplementäre Rolle für das Studium und Exportieren der Antike ins Ausland spielte (dazu siehe auch Essay „Rosetten-Zeichnungen").
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Vgl. Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas- François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44.
2. Zu den Beschriftungen auf den Zeichnungen siehe Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas- François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, hier S. 24.
3. Vgl. u.a. Jill Lever (Hg.): Catalogue of the Drawings of George Dance the Younger (1741–1825) and of George Dance the Elder (1695–1768) from the Collection of Sir John Soane’s Museum, Oxford 2003, Nr. 10, S. 64.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Dieses Kapitell scheint nicht vollständig als Druckgrafik umgesetzt worden zu sein. In einem nach der Vorzeichnung Lhuilliers angefertigten Druck in Kreidemanier, der als Zeichenvorlage im Kontext der Lehrpraxis an der École gratuite de dessin in Paris verwendet wurde, wird lediglich das Detail der Volute exakt wiedergeben (Abb. 5).[1] Weitere Graphiken belegen, dass zahlreiche Vorlagen von Kapitellen nicht nur in Zeichnungen, sondern auch im Druck zirkulierten. In Lhuilliers Recueil d’ornemens befinden sich mehrere vergleichbare in Kreidemanier ausgeführte Kapitelle im großen Format. Ein vergleichbares Kapitell aus Santa Maria in Cosmedin ist auch in der anonymen Druckserie Raccolta di vari ornamenti (1770er Jahre?, Taf. 23) in kleinerem Format wiedergeben.[2]
Abb. 5: Anonym, Detail des linken oberen Teils mit Volute und Abakus eines Kapitells, Kreidemanier, Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, Inv. 4 Est. 347 (4), N°274
Foto: Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, CC0 1.0Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Zur École gratuite de Dessin, siehe u.a. Ulrich Leben: New Light on the École Royale Gratuite de Dessin. The Years 1766–1785, in: Studies in the Decorative Arts 1, 1993, S. 99–118 (auf S. 105 wird das Konvolut mit gedruckten Vorlagen in der Bibliothèque Jacques Doucet erwähnt). Mein Dank gilt Georg Kabierkse, der mich auf dieses Konvolut aufmerksam machte. Nicolas Lhuillier scheint ab dem Beginn der 1770er Jahre an der École gratuite de dessin in Paris unterrichtet zu haben. Als Unterrichtsmaterial erschienen bis 1783 108 Vorlagestiche in Kreidemanier nach seinen Vorzeichnungen. Siehe auch IX 5159-35-38-1, Graphischer Transfer und mediale Umsetzung.
2. Zu diesem Druckwerk siehe IX 5159-35-10-1, Ableitung, Rezeption und Dissemination, Anm. 8.
- Zeichenstil
Die Zeichnung ist im Hinblick auf Stil und Ausführung mit weiteren Reinzeichnungen Lhuilliers in Karlsruhe verwandt, darunter vor allem die Darstellungen der Dea Roma (IX 5159-35-1-1), einer Säulenbasis (IX 5159-35-38-1) und des Gesimses der Trajanssäule (IX 5159-35-22-1). Der gleiche Duktus ist auch in weiteren Zeichnungen zu finden, die jedoch nicht dasselbe Vollendungsstadium aufweisen, wie z. Bsp. die Wellenranken (IX 5159-35-3-2).
Darüber hinaus bestehen stilistische Übereinstimmungen mit den drei bekannten Präsentationszeichnungen für das Speisezimmers im Château de Maison-Laffitte bei Paris, dessen Dekor unter der Leitung des Architekten François-Joseph Bélanger 1779–1781 von Lhuillier ausgeführt wurde (Abb. 6, siehe auch IX 5159-35-26-1).[1]
Abb. 6: Nicolas François Daniel Lhuillier für François-Joseph Bélanger, Wandaufriss für das Speisezimmer im Château de Maisons-Laffitte, schwarze Kreide, 720 x 565 mm, Shatwell, Drawing Matter Collection, Inv. DMC 1004
CC0 1.0Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Nicolas François Daniel Lhuillier (hier zugeschrieben) für François-Joseph Bélanger, „Detail en grand des Salles à manger de Maisons“, Wandaufriss für das Speisezimmer im Château de Maisons-Laffitte, schwarze Kreide, 720 x 565 mm, Shatwell, Drawing Matter Collection, Inv. DMC 1004; Nicolas François Daniel Lhuillier (hier zugeschrieben) für François-Joseph Bélanger, Wandaufriss mit Figurennische für das Speisezimmer im Château de Maisons-Laffitte, schwarze Kreide, 720 × 545 mm, Shatwell, Drawing Matter Collection, Inv. DMC 1003; Nicolas François Daniel Lhuillier (hier zugeschrieben) für François-Joseph Bélanger, „Detail en grand des Salles à manger de Maisons“, Ausführungsentwurf des Kamins mit Adlerrelief, schwarze Kreide, 440 x 630 mm, Christie’s Live Auction 2009, Dalva Brothers II, 23.11.2021, Los 81. Georg Kabierske brachte für diese bislang Bélanger zugeschriebenen Zeichnungen erstmals Lhuillier als ausführenden Zeichner ins Gespräch, siehe Georg Kabierske: Der sculpteur d’ornement Nicolas Lhuillier (um 1736–1793) und der goût à l’antique in Paris, Universität Heidelberg 2018, BA-Arbeit (unpubliziert), S. 26f.
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Bekrönter Wappenschild mit Lilie (sog. Straßburger Lilie), darüber Doppellilie, darunter Hermesvier. Gegenmarke: Monogramm „IV“ (beschnitten)
Belege:
Heawood 1950, Pl. 246, No. 1802 (Variante, London, 1736); Pl. 255, No. 1830 (London?, 1746, Variante)
Sammlungen:
Karlsruher Alben: Variante: IX 5159-36-29-2
Avery Library: Typ: „Lhuillier Album“ (mit Van-der-Ley-Monogramm)
Herstellungsmerkmale:
Schwach gebläut (blaue Fasern); mittlere Stärke; sehr nachgiebig (flexibel); typische Merkmale der als holländisch identifizierten Papiere: Metalleinschlüsse (UVF); ebenmäßige, fein strukturierte, leicht aufgeraute Oberfläche (aufstehende, kurze Fasern) mit schwach ausgeprägter Filzmarkierung und gleichmäßiger, deutlicher Siebmarkierung; matte Oberfläche, strukturierte Textilmarkierung (UVR, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); möglicherweise Filzmarkierung oder nachträglich zur Herstellung durch feuchtes Pressen entstandene Markierung; feine, gleichmäßige Oberfläche; herstellungsbedingte Quetschfalte (Abb. 11); vermutlich gelatinegeleimt, Oberfläche im Gegenlicht leicht glitzernd.
Abb. 11: Herstellungsbedingte Quetschfalte (Ausschnitt) unterbricht die Zeichnung Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide: Tiefschwarze, kompakte Linien; in zeichnerisch akzentuierten Bereichen deckend aufgetragen (Details 1 u. 2); in zarter schraffierten Bereichen Hinweis auf Feuchtigkeitskontakt.
Rötel: Sehr schmale, gleichmäßige Linie (Detail 3) erscheint pudrig und mit wenig anhaftendem Pigment.
Detail 1a: Auflicht
Schwarze Kreide (variable Linienqualität)Detail 1b: Streiflicht
Schwarze Kreide (variable Linienqualität)Detail 2a: Auflicht
Schwarze Kreide (starker Auftrag)Detail 2b: Auflicht, Close-up
Schwarze Kreide (starker Auftrag)Detail 2c: Streiflicht
Schwarze Kreide (starker Auftrag)Detail 2d: Streiflicht, Close-up
Schwarze Kreide (starker Auftrag)Detail 3: Auflicht
RötelstrichMaria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An vier Kanten beschnitten; verso an neun Punkten entlang der Ränder und an den Ecken Klebepunkte, Papierfragmente und Abriss der Papieroberfläche (frühere Montierung); auch recto Klebstoffrückstände im Bereich der Zeichnung; von der Rückseite aus eingeprägte Strukturen; aufgeriebene hervorstehende Fasern; am Rand aufgeriebene Oberfläche durch Hantieren in nassem/feuchtem Zustand (Abb. 12); senkrechte, mittige Faltlinie; mehrere Einrisse am unteren Rand, der längste 11 cm lang; mittig ein senkrechter, gelb fluoreszierender, länglicher Fleck (vermutlich Öl).
Abb. 12: In feuchtem Zustand aufgeriebene Papieroberfläche Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnung wurde vollständig in schwarzer Kreide ausgeführt. Zuerst wurden Konstruktionslinien mit einem Lineal gezogen, um die Gesamtgröße und Unterteilung des Kapitells anzulegen. Danach wurden mit leichtem Strich die Grundformen der Zierelemente angelegt und daraufhin mit Schraffuren zur Erzeugung von Schattierungen und Körperhaftigkeit ausmodelliert. Für alle Schritte wurde schwarze Kreide, wahrscheinlich eine natürliche Kreide, verwendet.
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Obwohl bisher kein Abklatsch dieser Zeichnung bekannt ist, sprechen einige Merkmale für eine Vervielfältigung durch diese Technik: der nicht durch Verrieb gestörte Kreideauftrag, was auf seine mögliche Verdichtung und damit verbesserte Fixierung auf dem Papier hinweist; lokaler Abrieb der Papieroberfläche in feuchtem Zustand sowie Veränderungen der Papieroberfläche durch Einprägungen.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- David Vogel
- Holländisches Papier
- Schwarze Kreide
- Kapitell
- Stilistische Gruppe 04
- IX 5159-35-37-1
- Farnesische Gärten
- Straßburger Lilie (Beizeichen: Doppellilie, Hermesvier)
- IV-Monogramm
GND-Begriffe
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