Die Urne ist in der Tafel 7 des Druckwerks Vasi, candelabri (Abb. 1) in zwei unterschiedlichen Ansichten übereinander abgebildet. Auf der unteren Hälfte der Seite ist sie wie in der vorliegenden Zeichnung in Seitenansicht und ohne Deckel dargestellt. Auf der oberen Hälfte wurde sie dagegen frontal und mit ihrem Deckel wiedergeben. Obwohl die Zeichnung die Vase größer als im Druck zeigt, könnte sie der zeichentechnischen Analyse nach aus einem früheren Herstellungsprozess der Radierung stammen (siehe Prozesse historischer Nutzung). Im Verkaufskatalog der Drucke von 1792 (siehe Essay „Stilistische Gruppen”) wird die Tafel mit der Altieri-Urne auf das Jahr 1775 datiert.[1] Dieses Datum kann daher als terminus ante quem für die Zeichnung gelten.
Wie viele andere antike Objekte aus der Sammlung Altieri wurde auch diese Urne im antiquarischen Projekt des Papiermuseums, an dem Richard Topham (1671–1730) von 1715 bis 1730 wirkte, abgebildet.[2] Eine Rötelzeichnung von Bernardino Ciferri (aktiv 1716?–1739) – ein in Tophams’ Projekt besonders aktiver Zeichner – wird im Eton College aufbewahrt (Abb. 2). Von Ciferri stammt auch eine Umrisszeichnung des Stückes, die als Vorzeichnung für die Rötelzeichnung bewertet und heute in der Sammlung von Charles Townley im British Museum, London, aufbewahrt wird (Inv. 2013,5015.1.25).[3]
Im Gegenteil zur gedruckten Urnendarstellung von Piranesi (Abb. 1, oben), ist der Deckel in Ciferris Zeichnungen mit einfachem Blattwerk und ohne Delphine wiedergegeben, was auf eine zwischen 1730 und 1775 durchgeführte Restaurierung hinweist. Diese könnte in Piranesis Werkstatt durchgeführt worden sein, da das wiederholt verwendete Delphinmotiv zu Piranesis Ornamentrepertoire gehörte und nach dem Vorbild eines in der Villa Adriana gefundenen Kapitells mehrmals in seiner Werkstatt bei Restaurierungen unterschiedlicher Objekttypen verwendet und adaptiert wurde.[4] Ein Beispiel ist der vergleichbare Deckel einer heute in Stockholm aufbewahrten Urne mit Ranken- und Delphindekor (IX 5159-35-21-3). Da die Aschenurne der Sammlung Altieri nicht erhalten ist und der Künstler seine Radierungen auch als Restaurierungs- und Kombinationsvorschläge und zur Bewerbung der eigenen Erfindungen verwendete, ohne diese zwangsläufig auch in Marmor umzusetzen, muss offen bleiben, ob der Deckel tatsächlich wie im Druck mit Delphinen restauriert wurde.[5] In Carlo Antoninis (1750–um 1836) 1821 publiziertem dreibändigem Werk Manuale di varj ornamenti componenti la serie de’ Vasi antichi (Abb. 3) ist die Altieri-Urne mit demselben Deckel wie bei Piranesi abgebildet. Jedoch könnte dieser Druck vermutlich auch nach Piranesis Tafel kopiert worden sein und nicht direkt nach dem antiken Marmorstück.[6]
Dass die Urne in der Karlsruher Zeichnung und auch im Druck (Abb. 1, unten) ohne Deckel dargestellt wird, deutet ebenfalls auf einen Restaurierungsvorschlag von Piranesi. Möglicherweise wurde die Marmorurne vor Ort in der Sammlung Altieri vom Zeichner kopiert. Wahrscheinlich kannte die Familie Piranesi die Sammlung gut. Im Taccuino B in Modena, der Skizzen von Piranesis Kindern enthält und dadurch ein wichtiges zeichnerisches Werkstattmaterial bildet, ist beispielsweise die Skizze einer Urne aus derselben Sammlung zu finden. Diese wurde von Mario Bevilacqua dem Sohn Angelo (1763–1782) zugeschrieben und kann auf der Basis von weiteren, von Angelo signierten Materialien um die Mitte der 1770er Jahre datiert werden.[7]
Bénédicte Maronnie
Kommentare
Hier können Sie uns Anmerkungen und Kommentare zu unseren Objekten hinterlassen, die nach Sichtung durch unsere Mitarbeiter*innen allen Leser*innen angezeigt werden.