Eckakroter mit Akanthusornamenten

Die Zeichnung zeigt einen Eckakroter, der üblicherweise die Giebelecken antiker Bauten zierte. Im Rom des 18. Jahrhunderts wurde nach solchen Architekturornamenten im Rahmen des Zeichenunterrichts vielfach gearbeitet. Die uns zugewandte Seite mit sorgfältig wiedergegebenen Ranken und Blüten unterscheidet sich von der lediglich skizzenhaft erfassten, verkürzt dargestellten Seite, deren Ausführung an Piranesis energischen Zeichenduktus erinnert.

Werkdaten

Künstler

Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) (?) und/oder Zeichner der Werkstatt, Gruppe 2
Ort und Datierung

Rom, um 1760 bis 1778 (?)
Abmessungen (Blatt)

213 x 177 mm
Inventarnummer

IX 5159-35-41-3

Das Werk im Detail

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Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
In der Zeichnung ist ein Akroter in Form einer halben Lünette dargestellt – ein ornamentales Bauelement, das in der römischen Antike oft mit Akanthusranken, Rosetten und Palmette verziert war und an die Spitze oder an die Ecken von Giebeln eines Gebäudes, eines Sarkophag- oder eines Urnendeckels gesetzt wurde. In der Antike wurden Akrotere seriell und in zahlreichen Varianten produziert. In den Antikensammlungen Roms haben sich viele Exemplare erhalten. Ein dem dargestellten nahes, jedoch fragmentarisches Beispiel ist in den Diokletiansthermen erhalten (Abb. 1a und b).
Abb. 1a: Akroter in Frontalansicht, Marmor, Rom, Diokletiansthermen
Foto: Christoph Frank, CC0 1.0
Abb. 1b: Akroter in Profilansicht, Marmor, Rom, Diokletiansthermen
Foto: Christoph Frank, CC0 1.0
Bénédicte Maronnie
Beschreibung und Komposition
Der Eckakroter ist perspektivisch in Untersicht dargestellt, sodass der untere Teil der Abschlussplatte und die beiden verzierten Seiten zu sehen sind. Die obere Spitze ist – höchstwahrscheinlich der Marmorvorlage folgend – zerbrochen.
Aus der Blattranke, die im unteren Teil des Akroters liegt, wächst ein Stamm heraus, aus dem mehrere Rankenzweige entspringen. In den beiden symmetrisch gestalteten Seiten blühen jeweils zwei Rosetten auf. Der zentrale Stamm endet im oberen Bereich in einem stilisierten Palmettenmotiv.
Das Stück wurde zuerst in schwarzer Kreide frei und sehr skizzenhaft gezeichnet. Die Konturen wurden dann in Rötel nachgezeichnet, dabei vielfach korrigiert und mit unterschiedlich starken Linien überarbeitet. Im Bereich der oberen Rosette der rechten Seite ist die Zeichnung am feinsten ausgeführt. Dort wurden regelmäßige, schräge Schraffierungen für die plastische Ausarbeitung und Schattierung des Stückes angebracht. Die linke Seite des Akroters weist hingegen keine Schraffierungen auf, die Ausführung ist lockerer und skizzenhafter. Offensichtlich hat sich der Zeichner auf die frontal wiedergegebene Seite konzentriert, während er die in perspektivischer Verkürzung ausgeführte Seite nur mit lockeren Konturlinien angedeutet hat. Die horizontale Linie der unteren Abschlussplatte wurde abschließend mit schwarzer Kreide und Lineal klarer definiert.
Aufgrund des uneinheitlichen Grads der Vollendung und der zahlreichen Überarbeitungen der Konturlinien kann diese Zeichnung mit hoher Wahrscheinlichkeit als Studie vor dem Marmororiginal gedeutet werden.
Bénédicte Maronnie
Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Ein vergleichbarer Eckakroter erscheint in einer Vignette auf der Titelseite des Einleitungstextes zur 1762 publizierten Serie der Antichità d’Albano (Abb. 2). Im Unterschied zur Zeichnung ist der Akroter dort in einer malerischen Komposition mit von Unkraut umwachsenen Kapitell- und Säulenfragmenten frontal dargestellt. Bei Piranesi werden solche kleinen einführenden Vignetten-Kompositionen gewöhnlich an den Anfang von Titelseiten gesetzt. Die Villa Altieri in Albano ist hier als Fundort in der Legende angegeben. Dem Druck und der Zeichnung liegt nicht dasselbe Marmorvorbild zugrunde, dennoch sind sich beide Stücke typologisch sehr nah und wurden beide in Untersicht dargestellt.

Abb. 2: Giovanni Battista Piranesi, Titelseite des Einleitungstextes, in: Giovanni Battista Piranesi: Antichità d’Albano e di Castel Gandolfo, Rom 1762, Museumslandschaft Hessen Kassel, SM-GS 6.2.874
CC BY-NC-SA 3.0
Bénédicte Maronnie
Ableitung, Rezeption und Dissemination
Das Nachzeichnen eines solchen Akroters war im Rahmen des Zeichenunterrichts in Rom am Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Dies bezeugen auch weitere Zeichnungen; unter anderem ein Blatt von Friedrich Weinbrenner (1766–1826), die Kopie seines Schülers Hans Kaspar Escher (1775–1859) und eine weitere Zeichnung des ebenfalls um 1795 in Rom lebenden Architekten Johann Conrad Wolff (1766–1815) (Abb. 3).^[1]

Abb. 3: Abb. 3: Friedrich Weinbrenner, Akroter-Studie, um 1795, Feder in Grau, Pinsel in Sepia über Bleistift, 233 x 160 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-33-74 (Public Domain); Hans Kaspar Escher, Akroter-Studie, Detail einer Zeichnung auf Ölpapier, Akroter nach Weinbrenners Vorlage, 131 x 124 mm (Detail), 345 x 225 mm (ganzes Blatt), Zentralbibliothek Zürich, FA Escher vG. 188.6, Falz 11, Zeichnung 24; Johann Conrad Wolff, Akroter-Studie, um 1795, Graphit, 491 x 468 mm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Inv. L GS 15109 (CC BY-NC-SA 3.0)
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Für den Hinweis auf die Zeichnung von Johann Conrad Wolff bedanke ich mich sehr herzlich bei Christiane Lukatis (Museumslandschaft Hessen Kassel, Mitteilung vom 11.02.2021).
Zuschreibungshypothesen
Die rechte und linke Seite des Akroters wirken durch ihre unterschiedliche Ausführung verschieden. Der in flüchtigem Zeichenduktus perspektivisch ausgeführte linke Teil lässt an andere Zeichnungen denken, beispielsweise an die linke Hälfte der Altieri-Urne in Karlsruhe (IX 5159-36-31-2, Abb. 4).

Abb. 4: Detailvergleich zwischen Akroter und Alteri-Urne, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-41-3 und IX 5159-36-31-2
CC0 1.0
Es lässt sich eine stilistische Verwandtschaft mit Giovanni Battista Piranesis energischer Hand erkennen, der diese Zeichnung jedoch nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden kann. Der präziser ausgeführte rechte Teil des Akroters ist hingegen mit der Karlsruher Zeichnung eines Kapitells IX 5159-35-18-3 zu vergleichen. Die feine, in schwarzer Kreide und in Rötel überarbeite Unterzeichnung und die kräftigeren, vielmals korrigierten oder überzeichneten Konturlinien (Abb. 5) sind gemeinsame Merkmale, die es erlauben, diese Zeichnungen derselben nicht identifizierten Hand aus der Piranesi-Werkstatt zuzuschreiben. Auch die Schraffierung des Grundes und der Schattenpartien mit parallelen, schräg geführten Linien sind in beiden Zeichnungen vergleichbar. Innerhalb der Zeichnungsgruppe 10 und insbesondere in der bereits erwähnten Zeichnung eines Kapitells IX 5159-35-18-3, lassen sich diese Merkmale in abgeschwächter Weise auch beobachten.

Abb. 5: Detailvergleich zwischen Akroter und Kapitell, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe., Inv. IX 5159-35-41-3 und IX 5159-35-18-3
CC0 1.0
Bénédicte Maronnie
Merkmale des Papiers

Merkmale der Zeichenmedien

Zeichnerischer Prozess
Merkmale historischer Nutzung

Schlagwörter

GND-Begriffe

Piranesi, Giovanni Battista

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Detail 1: Strichbild der Vor- und Überzeichnung in schwarzer Kreide und Rötel
Detail 2a: Strichbild der Vor- und Überzeichnung in schwarzer Kreide und Rötel im Auflicht	Detail 2b: Strichbild der Vor- und Überzeichnung in schwarzer Kreide und Rötel im Streiflicht

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