Die Zeichnung zeigt eine heute verlorene antike Urne, die ehemals zur bedeutenden römischen Sammlung der Familie Altieri gehörte. Die phantasievollen Details sind in plastischer Weise wiedergegeben: Kraftvolle Blätter umschließen den unteren Teil des Gefäßes, während der Henkel durch eine kühne Konstruktion aus einem mittig aufsteigenden Akanthusblatt und zwei gegenläufigen Delphinen mit eingerollten Schwänzen gebildet wird. Die kraftvolle und lockere Ausführung verweist auf eine geübte Hand, die nur wenige Fixpunkte zur Konstruktion der symmetrisch angelegten Ansicht benötigte.
Werkdaten
Künstler
Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) (?) und/oder Zeichner der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 2
Ort und Datierung
Rom, vor 1775
Abmessungen (Blatt)
216 x 313 mm
Inventarnummer
IX 5159-36-31-2
- Zeichenmedien
Rötel mit Konstruktionslinie in schwarzem Stift; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Vergé; vermutlich italienische Herstellung; Zeichnung vermutlich auf der Siebseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Die Zeichnung gibt die Seitenansicht einer antiken Aschenurne ohne Deckel wieder. Das Gefäß ist im unteren Bereich mit Blattwerk und im oberen Bereich mit zwei symmetrisch aus einer Mittelachse herausspringenden Delphinen geschmückt. An den druckgraphisch überlieferten Ansichten der Vase ist zu erkennen (Abb. 1–3), dass das konsolartige mittlere Akanthusblatt und die darauf liegenden eingerollten Delphinschwänze einen vorspringenden Henkel bilden, der in der Zeichnung durch die frontale Wiedergabe des Gegenstandes kaum zu erkennen ist.
Abb. 1: Giovanni Battista Piranesi, Urne aus der Sammlung Altiri, Radierung, in: Vasi, candelabri, Rom 1778, Taf. 7, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, Inv. SM-GS 6.2.696, fol.10,1, Detail
CC BY-NC-SA 3.0Abb. 2: Bernardino Ciferri (aktiv um 1716–17), Urne mit Delphinen, um 1720–1730, Rötel, 483 x 374 mm, Windsor, Eton College, Inv. ECL-BM.4:55-2012
Reproduced by permission of the Provost and Fellows of Eton CollegeAbb. 3: Carlo Antonini, Antike Vase im Palazzo Altieri, Radierung, in: Manuale di varj ornamenti componenti la serie de’ Vasi antichi (3 Bde.), Bd. 2, Rom 1821, Taf. 29, Heidelberg, Universitätsbibliothek
Public Domain Mark 1.0Zu Lebzeiten Piranesis befand sich die Aschenurne im Besitz der Familie Altieri, deren Antikensammlung in der Villa auf dem Esquilin nahe der Porta Maggiore aufbewahrt wurde und zu den berühmtesten in Rom gehörte. Heute scheint das Original nicht mehr nachweisbar zu sein. [1]
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Die Urne ist in einer um 1720/30 verfassten Liste der Sammlungsobjekte der Villa Altieri von Porta Maggiore (in der Galleria) erwähnt. Diese Liste ist in der Zeichnungssammlung von Richard Topham erhalten, dazu siehe Giandomenico Spinola: Le sculture nel Palazzo Albertoni Spinola a Roma e le collezioni Paluzzi ed Altieri, Rom 1995, S. 81, Nr. 95, Anm. 198, und Taf. XXXVI, Abb. 64f.
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesi
Die Urne ist in der Tafel 7 des Druckwerks Vasi, candelabri (Abb. 1) in zwei unterschiedlichen Ansichten übereinander abgebildet. Auf der unteren Hälfte der Seite ist sie wie in der vorliegenden Zeichnung in Seitenansicht und ohne Deckel dargestellt. Auf der oberen Hälfte wurde sie dagegen frontal und mit ihrem Deckel wiedergeben. Obwohl die Zeichnung die Vase größer als im Druck zeigt, könnte sie der zeichentechnischen Analyse nach aus einem früheren Herstellungsprozess der Radierung stammen (siehe Prozesse historischer Nutzung). Im Verkaufskatalog der Drucke von 1792 (siehe Essay „Stilistische Gruppen”) wird die Tafel mit der Altieri-Urne auf das Jahr 1775 datiert.[1] Dieses Datum kann daher als terminus ante quem für die Zeichnung gelten.
Wie viele andere antike Objekte aus der Sammlung Altieri wurde auch diese Urne im antiquarischen Projekt des Papiermuseums, an dem Richard Topham (1671–1730) von 1715 bis 1730 wirkte, abgebildet.[2] Eine Rötelzeichnung von Bernardino Ciferri (aktiv 1716?–1739) – ein in Tophams’ Projekt besonders aktiver Zeichner – wird im Eton College aufbewahrt (Abb. 2). Von Ciferri stammt auch eine Umrisszeichnung des Stückes, die als Vorzeichnung für die Rötelzeichnung bewertet und heute in der Sammlung von Charles Townley im British Museum, London, aufbewahrt wird (Inv. 2013,5015.1.25).[3]
Im Gegenteil zur gedruckten Urnendarstellung von Piranesi (Abb. 1, oben), ist der Deckel in Ciferris Zeichnungen mit einfachem Blattwerk und ohne Delphine wiedergegeben, was auf eine zwischen 1730 und 1775 durchgeführte Restaurierung hinweist. Diese könnte in Piranesis Werkstatt durchgeführt worden sein, da das wiederholt verwendete Delphinmotiv zu Piranesis Ornamentrepertoire gehörte und nach dem Vorbild eines in der Villa Adriana gefundenen Kapitells mehrmals in seiner Werkstatt bei Restaurierungen unterschiedlicher Objekttypen verwendet und adaptiert wurde.[4] Ein Beispiel ist der vergleichbare Deckel einer heute in Stockholm aufbewahrten Urne mit Ranken- und Delphindekor (IX 5159-35-21-3). Da die Aschenurne der Sammlung Altieri nicht erhalten ist und der Künstler seine Radierungen auch als Restaurierungs- und Kombinationsvorschläge und zur Bewerbung der eigenen Erfindungen verwendete, ohne diese zwangsläufig auch in Marmor umzusetzen, muss offen bleiben, ob der Deckel tatsächlich wie im Druck mit Delphinen restauriert wurde.[5] In Carlo Antoninis (1750–um 1836) 1821 publiziertem dreibändigem Werk Manuale di varj ornamenti componenti la serie de’ Vasi antichi (Abb. 3) ist die Altieri-Urne mit demselben Deckel wie bei Piranesi abgebildet. Jedoch könnte dieser Druck vermutlich auch nach Piranesis Tafel kopiert worden sein und nicht direkt nach dem antiken Marmorstück.[6]
Dass die Urne in der Karlsruher Zeichnung und auch im Druck (Abb. 1, unten) ohne Deckel dargestellt wird, deutet ebenfalls auf einen Restaurierungsvorschlag von Piranesi. Möglicherweise wurde die Marmorurne vor Ort in der Sammlung Altieri vom Zeichner kopiert. Wahrscheinlich kannte die Familie Piranesi die Sammlung gut. Im Taccuino B in Modena, der Skizzen von Piranesis Kindern enthält und dadurch ein wichtiges zeichnerisches Werkstattmaterial bildet, ist beispielsweise die Skizze einer Urne aus derselben Sammlung zu finden. Diese wurde von Mario Bevilacqua dem Sohn Angelo (1763–1782) zugeschrieben und kann auf der Basis von weiteren, von Angelo signierten Materialien um die Mitte der 1770er Jahre datiert werden.[7]
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Der Druck ist auch im Taccuino B von Modena in einer handgeschriebenen Liste der 1775 gedruckten Tafeln aus der Serie Vasi, candelabri genannt und in den November 1775 datiert (“Vaso in mezzo foglio dei Delfini (…) publicato l’anno 1775 del mese di nov.bre”; „Vase auf einer halben Seite mit Delphinen (…) publiziert im November des Jahres 1775, Übers. B.M.). Die Nummer „5“ der Jahreszahl ist dennoch nicht deutlich zu entziffern und könnte auch als eine „1“ gedeutet werden. In Bezug auf die am Anfang der Liste deutlich lesbare Jahreszahl 1775 und die Angaben im Katalog von 1792 wurde das Datum letztlich als 1775 gedeutet. Siehe Biblioteca Estense, Taccuino B, fol. 26 und Mario Bevilacqua: Piranesi, Taccuini di Modena, 2 Bde., Rom 2008, Bd. 1, S. 237.
2. Es handelt sich um eine breit angelegte Sammlung von Zeichnungen nach antiken, in verschiedenen Sammlungen aufbewahrten Gegenständen. An diesem Projekt waren mehrere Zeichner beteiligt, siehe u.a. Louisa M. Connor: The Topham Collection of Drawings in Eton College Library, in: Eutopia 2, 1993, S. 25–39.
3. Zur Beziehung beider Zeichnungen siehe Eintrag in Online-Datenbank des British Museums. Allgemeiner siehe auch u.a. Louisa M. Connor Bulman: The Topham Collection of Drawings in Eton College Library and the Industry of Copy Drawings in Early Eighteenth Century Italy, in: 300 Jahre „Thesaurus Brandenburgicus”, München 2006, S. 325–338. Auch Spinola weist mehrfach auf die Zeichnungssammlungen von Topham hin, die als wichtigste Dokumentationsquelle der Sammlung Altieri gilt: Giandomenico Spinola: Le sculture nel Palazzo Albertoni Spinola a Roma e le collezioni Paluzzi ed Altieri, Rom 1995, siehe u.a. S. 67f.
4. Das Kapitell ist in den Tafeln von Della Magnificenza (1761) abgebildet (Siehe z.B. Taf. 19). Zum Delphinmotiv siehe Raffaella Bosso: Osservazioni sull’attività della bottega Piranesi tra Giovanni Battista e Francesco: Il caso esemplare del gruppo dei candelabri con trampolieri, in: Opuscula Romana 30, 2005, S. 31–62, hier S. 37–38, Abb. 9; Roberta Battaglia: Le „Diverse Maniere d’Adornare i Cammini…” di Giovanni Battista Piranesi: Gusto e cultura antiquaria, in: Saggi e memorie di storia dell’arte 19, 1994, S. 191–273, hier S. 224–226, Abb. 61–64. In der Legende des Druckes der Altieri-Vase bezieht sich Piranesi wörtlich auf die Form eines Kapitells, an welches die Urne in Form und Verzierung erinnern lässt: „Vaso Cinerario antico di marmo ornato a guisa di un capitello corintio con frondi, Delfini […]” („Antike Aschenurne aus Marmor, verziert in der Art eines korinthischen Kapitells mit Blattranken, Delphinen […]“, Übers. der Autorin).
5. Siehe als Fallbeispiel die Viktorie in den Kapitolinischen Museen und ihre Abbildung mit Restaurierungen in der Tafel 64 der Serie Vasi, candelabri, vgl. Raffaella Bosso: Alcune osservazioni su Piranesi restauratore e sui Vasi e Candelabri: il recupero dell’Antico tra eredità culturale ed attività imprenditoriale, in: Acta ad archeologiam et artium historiam pertinentia 20, 2006, S. 211–239, hier S. 221.
6. In weiteren Tafeln von Antoninis Werk sind solche Verbindungen zu Piranesis Vasi, candelabri zu merken. Zu Antonini siehe u.a. Elisa Debendetti (Hg.): Architetti e ingegneri a confronto. L’immagine di Roma fra Clemente XIII e Pio VII, 3 Bde., Rom 2006–2008, Bd. 2, S. 116–120 (Giovanna Scaloni).
7. Siehe Biblioteca Estense, Taccuino B, fol. 25–28 (ausführlichere Zeichnung auf fol. 26) und Mario Bevilacqua: Piranesi, Taccuini di Modena, 2 Bde., Rom 2008, Bd. 1, S. 207, 242–243. Die Datierung von Angelos Zeichnung in Modena erschließt sich aus einer 1776 von ihm signierten und datierten Zeichnung im „Voesmar Album“ und aus einer 1777 datierten handschriftlichen Liste in dem Taccuino B von Modena (siehe dazu ebd., S. 207). Diese sind die einzigen festen Anhaltspunkte zur Angelos Tätigkeit als Zeichner in der Zeit seiner Jugend.
- Zeichenstil
Auffällig sind die verschwommenen Zeichnungskonturen im oberen linken Teil der Darstellung (siehe dazu Prozesse historischer Nutzung) sowie der insgesamt flüchtigere Zeichenduktus auf der linken Darstellungshälfte. Dieser Bereich ist wie im zugehörigen Druck von links beleuchtet. In der rechten Hälfte der Zeichnung sind hingegen die Konturen und Schattierungen markanter. Der freie und flüchtige Zeichenduktus der linken Blatthälfte lässt sich auch in anderen Zeichnungen der Karlsruher Klebebände finden. Ähnliche Stilistika weist beispielsweise der linke, perspektivisch gezeichnete Teil der Eckakrotere mit Akanthusornamenten der Rötelzeichnung IX 5159-35-41-3 auf und vor allem die frühere, Giovanni Battista zugeschriebene Rötelzeichnung des Giebels eines Sarkophagdeckels mit Vögeln in einer Muschelschale (IX 5159-35-30-5, wohl vor 1761) sowie die Zeichnung eines Stabs mit alternierenden Delphinen und Blättern.[1]
Trotz dieser stilistischen Verwandtschaft mit Giovanni Battistas Hand bleiben die Zuschreibung sowie die Datierung der hier untersuchten Zeichnung ungesichert. Sie könnte, verglichen mit der schon erwähnten Angelo Piranesi zugeschriebenen Urne aus der Sammlung Altieri im Taccuino B von Modena, ebenfalls um die Mitte der 1770er Jahre ausgeführt worden sein, aufgrund der zuvor erwähnten stilistischen Vergleiche ist jedoch auch eine frühere Datierung in die 1760er Jahre möglich. Im letzteren Fall hätte sie erst später als Vorbild für die Drucktafel in der Serie Vasi, candelabri gedient.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Da die erwähnten Zeichnungen aus Karlsruhe (IX 5159-35-30-5) und aus der Morgan Library in der 1761 publizierten Serie Della Magnificenza erscheinen und wohl zumindest indirekt als Ornamentvorlage für die Herstellung der Drucktafeln dienten, können diese Zeichnungen vor 1761 datiert werden.
- Merkmale des Papiers
Ohne Wasserzeichen
Herstellungsmerkmale
Ungefärbt, mittlere Stärke; feiner, knötchenhaltiger Faserstoff mit holzigen Einschlüssen; gleichmäßige Siebstruktur; ungleichmäßiger Stegschatten; prägnante Filzmarkierung, Trocknungsfalten am oberen Rand; gelatinegeleimt; im Reflexlicht deutlicher Oberflächenglanz (manuell geglättet); kleine Quetschfältchen an der Oberfläche.
- Merkmale der Zeichenmedien
Rötel: Schwach bis deckend aufgetragen; teils streifiger Strich; kompaktes, verdichtetes Erscheinungsbild; Verluste, eventuell durch Abheben entstanden; Spuren von Verwischen durch Kontakt mit einem geölten Papier (Details 1, 2, 3).
Schwarzer Stift: Dünn aufgetragene Konstruktionslinie (Detail 5).
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: Ablagerungen von Rötel, teils verwischt, teils durch Kontaktübertragung (Details 4, 5); Spuren einer schwarzen, glänzenden Zeichentusche (Detail 6) und eines schwarzen, feinkörnigen Pigments, vermutlich schwarze Kreide (Detail 7).
Detail 1: Auflicht Rötel; Vorzeichnung (hell) und Ausarbeitung mit leicht veränderter Konturlinie links (dunkel) (Delphin links) Detail 2Rötelstriche mit streifigem Auftrag in deckendem Bereich; in der oberen Hälfte durch Öleinwirkung verwischt (Blatt) Foto: Maria Krämer
Detail 3Rötel mit stark akzentuierten Konturlinien in fein gespitztem Stift (Blatt u.r.)
Foto: Maria Krämer
Detail 4: Auflicht Kontaktübertragung in Rötel (hell) über gezeichneten Rötellinien (etwas dunkler) (Vasenrand o.l.) Detail 5: Kontaktübertragung in Rötel; Konstruktionslinie in schwarzem Stift (rechts von der Vase) Detail 6: Spur einer schwarzen Zeichentusche, grünliche Ablagerungen (Blattrand u.M.) Detail 7Schwarzes, pulveriges Pigment, vermutlich schwarze Kreide (u.M.)
Foto: Maria Krämer
Maria Krämer und Irene Brückle
- Zeichnerischer Prozess
Die achsensymmetrisch angelegte Seitenansicht der Vase wurde von geübter Hand frei in Rötel gezeichnet. Die geraden Linien wurden ohne Hilfsmittel wie etwa einem Lineal angelegt, wie auch sonst nur wenige Konstruktionshilfen erkennbar sind. Vereinzelte Einstiche im Papier, vor allem im Bereich der Mittelachse und in der rechten Hälfte der Zeichnung, könnten lose gesetzte Fixpunkte sein, mit deren Hilfe nach Konstruktion der einen Hälfte der Vase die andere Hälfte hinzugefügt wurde. Während des Zeichnens wurden einzelne Linien mehrmals mit kräftigeren Rötellinien korrigiert. Die Schattierungen, die seitlich von oben einfallendes Licht suggerieren, wurden in lockerem Strich schraffierend bis schummernd angelegt und gelegentlich durch dunklere Konturen eingegrenzt. Eine senkrechte, mit dem Lineal gezogene Linie in Schwarz schließt rechts an den oberen Rand des Gefäßes an. Sie scheint die Höhe der Vase zu markieren; ohne eindeutige Hinweise wie Einstiche oder Einzeichnungen eines Maßstabes bleibt ihre Funktion jedoch ungeklärt.
Maria Krämer und Irene Brückle
- Merkmale historischer Nutzung
An drei Kanten beschnitten, die obere Kante gerissen; kurzer Einschnitt o.M., darunter zungenförmiger Einriss; rechts längliche, in einer Reihe angeordnete Einstiche in festen Abständen über eine Strecke von 11 mm (Detail 8); im Bereich der Zeichnung einzelne Einstiche (siehe Einstichprotokoll); Klecks einer grünfarbigen (kupferhaltigen) Substanz am linken Blattrand (Detail 9) und Ablagerungen einer bräunlichen Substanz rechts, beide UV-Strahlung auslöschend (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); flächig ölige Flecke, verstärkt am linken Blattrand; an der Ecke o.r. verso Klebepunkt mit anhaftendem Papierfragment, zwei weitere Ecken o.l. und u.r. ausgerissen (frühere Montierung); an linker Kante zwei weitere kleine Einrisse.
Detail 8: Leicht länglich geformte, in relativ gleichmäßigen Abständen gesetzte Einstiche eines unbekannten Werkzeugs Detail 9Klecks einer grünlichen Substanz mit weißen, kristallinen Ausblühungen (ev. Ätzmittel für eine Druckplatte)
Foto: Maria Krämer
Maria Krämer und Irene Brückle
- Prozesse historischer Nutzung
Das Blatt zeigt deutliche Anzeichen von Öleinwirkung, besonders ausgeprägt ist diese in den unübersehbar vergilbten Flecken im Bereich von Knickfalten und dem linken Blattrand, aber auch im Erscheinungsbild des Rötels. Darüber hinaus sind am oberen Rand der Urne linksseitig schemenhaft die Spuren einer Rötelzeichnung erkennbar. Sie ähneln in ihren Formen denen der Vase, erscheinen aber zu deren Konturen leicht versetzt. Auch an weiteren Stellen auf dem Blatt sind – allerdings motivisch nicht zuzuordnende – Rötelspuren erhalten. Bei all diesen Rötelspuren könnte es sich um Kontaktübertragungen einer oder mehrerer anderer Zeichnungen oder von einer Ölpause handeln, die sich durch eine gemeinsame Lagerung abgezeichnet haben. Obwohl das Motiv der Zeichnung stilistisch sehr ähnlich und in gleicher Ansicht in Piranesis Druckwerk Vasi, candelabri (Abb. 1) abgebildet wurde, ist die Zeichnung mehrere Zentimeter größer als der Druck. Dennoch deuten die Spuren der Zeichnung hier auf einen vorbereitenden Schritt für die Radierung hin. Bei der Reihe kleiner Einstiche am rechten Rand handelt es sich vielleicht um das Einwirken eines Werkzeugs für den Tiefdruck. Der grünliche Klecks mit weißen Ausblühungen am linken Blattrand könnte durch einen Spritzer von einem Ätzmittel entstanden sein. In Säure gelöstes Kupfer kann, vergleichbar Kupferverbindungen in Pigmenten, grünliche Salze bilden. So könnte bei einem Arbeitsprozess an einer Druckplatte in unmittelbarer Nähe der Zeichnung ein Tropfen Ätzflüssigkeit auf das Papier gelangt sein und dort den heute grünlichen Klecks gebildet haben. Ähnliche grüne Flecken finden sich auf weiteren Zeichnungen der Piranesi-Werkstatt (London, British Museum Inv. 1908,0616.8 und Inv. 1900,0824.134) und wurden auch in einem jüngeren künstlerischen Zusammenhang mit Vorzeichnungen für den Tiefdruck in Verbindung gebracht. Deutliche Anteile von Kupfer, aber auch kleinere Mengen Chlor und Blei wiesen dort auf Säureflecke hin.[1] Weiße Ausblühungen, die hier zu beobachten sind, können unter anderem auch bei metallhaltigen Tinten beobachtet werden (siehe auch IX 5159-36-2-4).
Montierungshistorie
Das Blatt weist Spuren einer früheren Montierung in Form von ausgerissenen Ecken und rückseitigen Papierfragmenten an Klebepunkten auf. Die jetzige Montierung der Weinbrennerzeit geschah mit einem kräftig weiß fluoreszierenden Klebstoff (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt), der hart und versprödet ist.
Maria Krämer und Irene Brückle
Einzelnachweis
1. Bei Vorzeichnungen Mary Cassatts für Weichgrundätzungen wurden vergleichbare Flecken analysiert; siehe: Kimberly Schenck: Edgar Degas and Mary Cassatt: A Comparison of Drawings for Soft-Ground Etchings, in: Facture 3, 2017, S. 142–157, hier S. 153.
Schlagwörter
- Vasi, candelabri
- Rötel
- Schwarzer Stift
- Giovanni Battista Piranesi
- Wasserzeichen
- Italienisches Papier
- Schwarze Kreide
- Vase
- Sammlung Altieri
- Bernardino Cifferri
- Delphin
- Stilistische Gruppe 02
- IX 5159-36-31-2
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