In eleganten Schwüngen erhebt sich die Ranke aus einem Kranz von Akanthusblättern am unteren Blattrand. Sie entfaltet ihre ganze Pracht im Zusammenspiel von weit ausholenden, kreisenden Formen und vielfältig geformten Blättern, Blüten und Früchten. Allerlei Getier bevölkert die vegetabilen Formen, besonders präsent sind die Vögel, die sich hier eingenistet haben, aber es finden sich auch eine Eidechse, Schnecken, eine Maus, eine Biene, eine Heuschrecke und ein Schmetterling. Die idealisierte, in kraftvollem Rötelton dargestellte Ranke folgt einem antiken Relieffries, der sich in der Villa Medici in Rom befindet. Dieses Motiv erfuhr durch seine Verbreitung in Zeichnungen und Drucken besonders große Resonanz. Die in einem zweiten Schritt in Schwarz eingezeichneten Risse verweisen auf die Beschädigungen des Stückes. Es ist dieser antiquarisch genau erfasste Zustand, der von Piranesi in einer Radierung wiedergegeben wurde.
Werkdaten
Künstler
Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793), überarbeitet in der Piranesi-Werkstatt (Giovanni Battista oder Francesco Piranesi?), Gruppe 4
Ort und Datierung
Rom, vermutlich zwischen 1755 und 1768, in jedem Fall vor 1771
Abmessungen (Blatt)
650 x 258 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-10-1
- Zeichenmedien
Dunkler Rötel mit Überarbeitungen in hellerem Rötel und schwarzem Stift (Kreide) mit fetthaltigem Bindemittel; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Stefan Morét: Due album di disegni di Giovanni Battista Piranesi e della sua bottega dal lascito dell’architetto Friedrich Weinbrenner (1766–1826), in: Vita Segreto (Hg.): Libri e album di disegni 1550–1800, nuove prospettive metodologiche e di esegesi storico-critica, Rom 2018, S. 203–212, Abb. 7; Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, S. 25; Stefan Morét: Drawing Ornaments in Piranesi’s Workshop, in: Luca Fiorentino/Michael W. Kwakkelstein (Hg.): Disegni a pietra rossa, fonti, tecniche e stili, 1500–1800 ca., Nederlands Interuniversitair Kunsthistorisch Instituut, Florenz 2021, S. 187–199, hier S. 198, Abb. 15.
- Hadernpapier
Vergé; italienische Herstellung (vermutlich in den Marken oder Umbrien, Pioraco oder Foligno); Zeichnung auf Siebseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Beschriftung in brauner Feder in der Handschrift von Giovanni Battista Piranesi: „Patina/parte sul Tripode e patina/[#] la padella sopra/inventare il bassorilievo e 3 Zampe/Canine/fregio Terre Co[t]te” (Patina/Teil auf dem Dreifuß und Patina/[#] der Kessel darüber/das Relief und 3 Hundebeine erfinden/Fries [aus?] Terrakotta)
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Diese Zeichnung eines Akanthusrankenfrieses orientiert sich an einem der vier Fragmente einer antiken Lisene, die in den Seitenwänden der Loggia di Cleopatra im Garten der Villa Medici auf dem Pincio in Rom eingemauert ist. Sie befindet sich im unteren Bereich der linken Seitenwand unter einem Opferrelief (Abb. 1a–c).
Abb. 1a: Akanthusrankenfragment, Anfang 1. Jahrhundert n. Chr., Marmor (mit Restaurierungen Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert), 242,7 cm x 100,4 cm, Rom, Villa Medici, Loggia di Cleopatra
Foto: Celia ZuberAbb. 1b: Rom, Villa Medici, Loggia di Cleopatra; Akanthusrankenfragment (linke Wand unten)
Foto: Celia ZuberAbb. 1c: Rom, Villa Medici, Loggia di Cleopatra
Foto: Celia ZuberNach der Bildunterschrift eines 1561 datierten Druckes von Antonio Lafreri (1512–1577) befand sich dieses Stück mit drei weiteren Rankenfragmenten im Besitz von Kardinal Andrea della Valle (1463–1534, Abb. 2).[1] Zur Zeit des Ankaufs im Jahr 1584 durch Kardinal Ferdinando de‘ Medici gehörten diese vier Reliefs vermutlich zu einer größeren Gruppe von weiteren Rankenfragmenten, von denen zwei Stücke heute in den Uffizien nachweisbar sind.[2] Sie werden in dem 1598 datierten Inventar der Sammlung der Villa Medici im Bereich der „porta principale del palazzo“ (Haupttor des Palastes) verortet. Emilia Talamo zufolge wurden die Rankenfriesfragmente zur Verzierung der Türrahmung eingebaut, vermutlich nach einer vergleichbar eingemauerten Anordnung in der Sammlung Della Valle.[3] Nach Gasparris Deutung des Inventareintrags von 1598 dagegen, basierend auf einem weiteren Inventareintrag von 1740/58, befanden sie sich im Treppenhaus der Villa inmitten anderer wichtiger Sammlungsgegenstände.[4] Die Umstände der Zerstreuung dieser Fragmente sind nicht bekannt. 1780 und 1788 wurde ein Teil der Medici-Antikensammlung nach Florenz verlegt (u.a. die beiden bereits erwähnten Rankenfragmente in den Uffizien), was zu einem grundlegenden Umbau der Sammlungspräsentation in der Villa führte. Einige Rankenfriesfragmente wurden zu einem unbekannten Zeitpunkt auf dem Antikenmarkt verkauft oder gingen verloren, vier blieben jedoch in der Villa und wurden in der Loggia di Cleopatra eingemauert.[5]
Abb. 2: Antonio Lafreri, Akanthusrankenreliefs, 1561, in: Speculum romanae Magnificentiae, Rom 1540–1576 ca. (Tafeln nicht nummeriert), Radierung, Paris, Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, NUM FOL EST 175
CC0 1.0Der genaue Standort der Reliefstücke zur Zeit Piranesis ist jedoch unbekannt. Anfang des 18. Jahrhunderts (wohl zwischen 1721 und 1725) wurde der Rankenfries in der Villa Medici von Bernardino Ciferri (aktiv 1716?–1739) in vier separaten Fragmenten für Richard Tophams Sammlung von Zeichnungen nach der Antike gezeichnet, heute im Eton College (Inv. ECL-Bm 12.97.1/98.2/99.3/100.4).[6] Selten wurden wie hier mehrere Rankenfragmente von demselben Künstler wiedergegeben. In seinem 1771 publizierten Druck stellt Piranesi den Rankenfries als einen Marmorblock mit noch nicht restaurierten Rissen dar (Abb. 3). Ein Rötelabklatsch um 1755/60, aufbewahrt in der Sammlung von Pierre-Adrien Pâris (1745–1819) in Besançon, dokumentiert ein weiteres Rankenstück im fragmentarischen Zustand (Abb. 4).[7] Die Einmauerung der Fragmente in der Loggia und die Gipsauffüllung der Risse fanden daher wahrscheinlich erst in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts statt.[8] In einem 1809 erschienenen Druck von Charles Percier (1764–1838) und Pierre Fontaine (1762–1853) sind die Fragmente ebenfalls in der Loggia di Cleopatra abgebildet (Abb. 5).[9] Die Zeichnung von Percier im Getty-Album (1790, Los Angeles, Getty Research Institute, Inv. 950016, fol. 18v) entstand vermutlich ebenfalls nach der Restaurierung und Einmauerung.[10]
Abb. 3: Giovanni Battista Piranesi, Akanthusrankenrelief, in: Vasi, candelabri, Rom 1778, Taf. 95, Radierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, SM-GS 6.2.692
CC BY-NC-SA 3.0Abb. 4: Anonym, französisch (um 1755-60?), Akanthusrankenfragment, Rötelabklatsch, 287 x 448 mm, Besançon, Bibliothèque municipale, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, vol. 452, Nr. 32
CC0 1.0Abb. 5: Charles Percier/Pierre François Léonard Fontaine, Ansicht der Loggia der Cleopatra, in: Choix des plus célèbres maisons de plaisance de Rome et de ses environs, Paris 1809, Taf. 13, Rom, Bibliotheca Hertziana, Dn 462-4090 gr raro AU46
CC BY-NC 4.0Aus stilistischen Gründen wurde der Akanthusfries oft mit der Rankenverzierung der Ara Pacis verglichen.[11] Obwohl die Provenienz nicht bekannt ist, liegt die Vermutung nahe, dass er zur externen Dekoration eines Tempels gehörte. In den frühen gedruckten Darstellungen, beginnend mit den Tafeln von Antonio Labacco (1552), wurde der Rankenfries vielfach mit dem Tempel der Venus Genetrix auf dem Caesarforum in Verbindung gebracht. In der Folge wurde diese Annahme von verschiedenen Autoren übernommen. Lediglich auf Basis des Vergleichs mit einem erhaltenen Friesteil erklärte beispielsweise Domenico De Rossi (1699) die Rankenfragmente der Medici-Sammlung als integrale Zierelemente dieses Tempels.[12] Aktuelle archäologische Beiträge widersprechen dieser Provenienz aufgrund von stilistischen Merkmalen und vermuten hingegen einen Zusammenhang mit dem um 10 n. Chr. wiederaufgebauten Concordia-Tempel.[13] Andere gehen davon aus, dass solche Rankenstücke Teil der Dekoration eines Ehrenbogens waren.[14] Während Talamo annimmt, die Familie Della Valle hätte die Rankenfragmente auf ihrem römischen Grundbesitz in der Gegend des Arco dei Pantani oder des Campo Marzio gefunden, geht Gasparri davon aus, dass der Rankenfries Anfang des 16. Jahrhunderts in einer leicht zugänglichen Kirche Roms zu sehen gewesen sei. Dafür spricht die breite graphische Rezeption bereits vor seinem Eingang in die Sammlung Della Valle. Basierend auf mit „in San Silvestro“ beschrifteten Drucken vergleichbarer Ornamentstücke von Agostino de Musi, Veneziano genannt, (um 1490–nach 1536) und Giovanni Antonio da Brescia (aktiv ca. 1490–1519) hält Gasparri die genannte römische Kirche für den ursprünglichen Aufbewahrungsort.[15] Da aber mehrere vergleichbare Akanthusranken existiert haben müssen, kann diese Hypothese keineswegs als gesichert gelten.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Vgl. Antonio Lafreri: Speculum romanae Magnificentiae, Rom 1540–1775 (Tafeln nicht nummeriert, datiert 1561): „Sic Romae visuntur intercolumniorum folia, mira diligentia ex antigrapho antiquo, quod hodie in aedibus Andreae, quondam Card. à Valle […]”. Zum Akanthusrankenfragment siehe Michelangelo Cagiano de Azevedo: Le Antichità di Villa Medici, Rom 1951, Nr. 273, S. 112; Marion Mathea-Förtsch: Römische Rankenpfeiler und -pilaster. Schmuckstützen mit vegetabilem Dekor, vornehmlich aus Italien und den westlichen Provinzen, in: Beiträge zur Erschließung hellenistischer und kaiserzeitlicher Skulptur und Architektur 17, 1999, Nr. 231, S. 177f.
2. Siehe Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 15. In Frage kommen noch weitere Fragmente im Museo Nazionale Romano sowie zwei weitere, die am Ende des 19. Jahrhunderts in einer Wand des sogenannten Palazzo Corsi Italiani (Rom, Corso Vittorio Emanuele, 209) eingemauert wurden. Siehe auch Rekonstruktionsversuch in Pietro Cicerchia: Ipotesi di ricomposizione e note metrologiche su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 48–58, hier S. 56.
3. Wie von Talamo (Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 21) bereits erläutert, sind die Rankenfriesfragmente in den von Maarten van Heemskerck dargestellten hängenden Garten vom Palast Della Valle-Capranica und im entsprechenden Druck von Hieronymus Cock (British Museum, Inv. 1947,0319.26.141), wo die Antikensammlung zum Teil ausgestellt war, nicht dargestellt (abgebildet in: Tatjana Bartsch: Maarten van Heemskerck. Römische Studien zwischen Sachlichkeit und Imagination, München 2019, Nr. 203, S. 282).
4. Vgl. Ferdinand Boyer: Un inventaire inédit des antiques de la Villa Médicis (1598), in: Revue Archéologique, Juli–Dezember 1929, S. 256–270, hier S. 270, Nr. 471. Zitiert auch in Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 21, und Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, S. 121, Anm. 23 und S. 124.
5. Vgl. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 21.
6. Siehe u.a. Louisa M. Connor Bulman: The Topham Collection of Drawings in Eton College Library and the Industry of Copy Drawings in Early Eighteenth Century Italy, in: 300 Jahre „Thesaurus Brandenburgicus”, München 2006, S. 325–338, hier S. 329.
7. Besançon, Bibliothèque Municipale, Fonds Pâris, vol. 452, n° 32, Abbildung in: Henry Ferreira-Lopes/Emmanuel Guigon/Sarah Catala (Hg.): Les Hubert Robert de Besançon, Ausst. Kat. Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Mailand 2013, Nr. 206, S. 231 und in Bezug dazu Nr. 203, S. 229.
8. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 22.
9. In: Choix des plus célèbres maisons de plaisance de Rome et de ses environs, Paris 1809, Taf. 13, Rom, Bibliotheca Hertziana, Bibliothek, Nr. Dn 462-4090 gr raro.
10. Dies ist wahrscheinlich auch der Fall bei der auf November 1794 datierten Zeichnung des Rankenfragments von Charles Heathcote Tatham (London, Victoria and Albert Museum, Inv. D.1481-1898). Ich danke Georg Kabierske für den Hinweis auf das Zeichnungsalbum von Charles Percier im Getty Research Institute.
11. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 16; Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, S. 111–125, hier S. 112–113.
12. Vgl. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 24, siehe Domenico de Rossi: Romanae Magnitudinis Monuenta, Rom 1699, Taf. 48 (von Pietro Santi Barotli): „Templum […] cuius zophori marmorei praegrandia fragmenta uario foliorum circutu affabre ornata, seruantur in Aedibus Mediceis in Pincio”.
13. Vgl. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, hier S. 28; Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, S. 111 und 113.
14. Gasparri (Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede [Hg.]: Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, S. 113) erwähnt als Provenienz-Hypothese auch einen Triumphbogen. Vgl. Emilia Talamo: Su alcuni frammenti di lesene della collezione Della Valle-Medici, in: Xenia 5, 1983, S. 15–46, S. 29, schlägt als weitere mögliche Provenienz den Baukomplex des Pompeius-Theaters vor, das unter Tiberius neu dekoriert wurde.
15. Vgl. Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, S. 118f.
- Beschreibung und Komposition
Auf der Zeichnung ist ein frontal dargestellter Akanthusrankenfries innerhalb einer Rahmenleiste zu sehen. Aus einem Blattkelch entwickelt sich die Ranke von unten nach oben aus zwei eingerollten Stängeln heraus. Die erste Rankenwelle endet in einer offenen Blume, auf deren Windung ein Greifvogel sitzt. Dieser hält eine um den Stängel gewickelte Schlange in seinen Krallen. Die Blütenblätter wurden mit einem helleren Rötelton überarbeitet und setzen sich von der restlichen Zeichnung ab. Ein zweiter Rankenstängel verläuft mit einem Linksschwung weiter nach oben, verdoppelt sich, rollt sich nach rechts ein und endet in einer geschlossenen Rankenblume. Am beschädigten oberen Papierrand ist noch der hintere Teil eines Vogels zu erkennen, der auf der Rankenwindung sitzt. Über die Ranke verteilt befinden sich zahlreiche Insekten und andere kleine Tiere, darunter verschiedene Vögel sowie ein Vogelnest, eine Eidechse, Schnecken, eine Maus, eine Biene, eine Heuschrecke und ein Schmetterling. Die ornamentale Verzierung der Rahmenleisten ist in der Rötelzeichnung nur exemplarisch oben links und rechts in der Mitte in Form eines lesbischen Kymations wiedergegeben. Einzelne Bilddetails wurden im Bereich der Rahmung an den Blatträndern in Rötel vergrößert wiederholt.
Die Rötelzeichnung löst sich folglich von seiner antiken Vorlage und stellt das rekonstruierte Ideal eines Rankenfrieses dar. Viele der Konturen sind in schwarzem Stift mit energischem und zügigem Duktus überzeichnet; Risse und Schraffuren sind am Rand und in den Ecken ergänzt. Durch diese Überarbeitungen gewinnt die Zeichnung an Plastizität, sodass sich die haptische Qualität des Marmorstücks auch in seiner zweidimensionalen Nachzeichnung erschließt.
Bénédicte Maronnie
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Die Medici-Ranke gehörte zu den Zeichnungen im Stil von Nicolas François Daniel Lhuillier (siehe Zeichenstil), die von Piranesi als Vorlagenmaterial bzw. ornamentales Repertoire für die Ausarbeitung und Erfindung seiner gedruckten Kompositionen genutzt wurden (siehe dazu auch Prozesse historischer Nutzung). Höchstwahrscheinlich entstand sie während Lhuilliers Tätigkeit in Rom zwischen ca. 1755 und 1768, wobei unklar ist, ob sie in direktem Verhältnis zur Werkstatt realisiert wurde. Sie wurde nachträglich, wohl um 1770, im Werkstattkontext Piranesis und in Hinblick auf die Herstellung der 1771 erschienenen[1] und 1778 in die Publikation Vasi, candelabri (Taf. 95, Abb. 3) aufgenommenen Druckgraphik überarbeitet. 1771 gilt somit als terminus antequem für die Zeichnung.
Das Assemblageprinzip von ornamentalen Fragmenten, welches Piranesis Konzeption und Produktion von Marmorgegenständen (Kamine, Möbel, Kandelaber usw.) und deren gedruckter Wiedergabe zugrunde liegt, beruht hauptsächlich auf der Wiederverwendung solcher gezeichneter Ornamentvorlagen. In diesem Fall wurde die Medici-Ranke aber nicht innerhalb einer künstlerischen Assemblage oder eines Pasticcio wiederverwendet. Die Gegenüberstellung des in Rötel rekonstruierten und idealisierten Motivs mit dem Marmorstück, vor welchem der Zeichner bei der Einarbeitung der Reliefbrüche gestanden haben muss, verdeutlicht, dass das Medici-Fragment in der Piranesi-Werkstatt vielmehr als Grundlage eines möglichst genauen archäologischen Darstellungsversuchs diente.
Hinsichtlich seiner Funktion und Verwendung innerhalb der Werkstatt diente diese Zeichnung keinem Restaurierungs- oder Ergänzungsanspruch für den antiquarischen Markt, zumal sie eher ein empirisches Interesse aufweist. Der Druck (Abb. 3) bringt diese archäologisch-antiquarische Herausforderung in besonderer Weise zum Ausdruck. Als eine Art Studienobjekt gewährt diese Rötelzeichnung einen Einblick in Piranesis kreativen Arbeitsprozess: Sie diente als Arbeitsvorlage im Werkstattkontext und zur ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Marmorstück, genauso wie die Zeichnung nach dem Adlerrelief von Santi Apostoli (IX 5159-35-35-1).
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Nach dem Katalog von 1792 erschien der Druck 1771.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Die Akanthusranke nach antikem Vorbild und ihre stilisierten Varianten sind in Renaissancealben, -drucken und -verzierungen durchaus herkömmliche Motive.[1] In einigen Zeichnungsalben und Drucken der Renaissance finden sich mehrere Rankenfriesfragmente aus der Sammlung Della Valle-Medici. Dabei wird selten ein vollständiges Rankenstück übernommen, häufiger sind Details einzelner Blüten dargestellt, wie z.B. im Album von Pierre Jacques (datiert 1576, Abb. 6) oder in den Drucken von Agostino Veneziano (um 1530/1536).[2]
Abb. 6: Pierre Jacques, Rankenblume, 1576, schwarze Kreide, 210 x 270 mm, Paris, Bibliothèque nationale de France, Département des Estampes et de la Photographie, Rés. Fb-18a-4
Quelle: gallica.bnf.fr / BnF, CC0 1.0Bis zum 18. Jahrhundert werden gedruckte oder gezeichnete Ranken sehr stilisiert wiedergegeben wie etwa bei Antonio Lafréri (Abb. 2). Bisweilen sind sie auch nur approximativ an die Marmorstücke angelehnt, wie der Rankenfries im Zeichnungsalbum von Giuliano da Sangallo (um 1485, Biblioteca Apostolica Vaticana, Ms. Barb. Lat. 4424, fol. 11), der oft mit der Medici-Ranke in Verbindung gebracht wurde, ohne jedoch im Detail übereinzustimmen.[3] Vor Piranesis Druck wurde der hier untersuchte Rankenteil nie so präzise dargestellt wie im Codice Zichy (ca. 1535, fol. 105r, Budapest, Bibliothek Szabó Ervin), auf dem das kleine Nest im Rankenblätteransatz, der Vogel mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Blütenstand und der Greifvogel mit der Schlange in den Krallen zu sehen sind.[4]
Im 18. Jahrhundert erfuhren die Akanthusrankenfragmente der Della Valle-Medici-Sammlung eine breite und weniger stilisierte, dafür jedoch idealisierte Rezeption als Ornamentmotive – u.a. durch Lhuilliers Zeichnungen und Graphiken. Im römischen Zeichnungskontext der 1760er Jahre entstanden sicherlich weitere nicht identifizierte oder verlorene Abklatsche sowie gezeichnete Kopien. So finden sich mehrere Rankenzeichnungen in der Sammlung von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800), der ein enges Verhältnis zu Piranesi pflegte und von seinem ersten (1765–1766) oder zweiten (1770–1771) Romaufenthalt Ornamentzeichnungen nach Deutschland mitbrachte. Unter ihnen befindet sich eine Zeichnung auf grau-blauem Papier, die ebenfalls Lhuillier zugeschrieben wird.[5] Auf der Grundlage solcher Zeichnungen müssen die folgenden zwei Druckgraphiken entstanden sein. Die erste, erschienen im Livre d’ornements (ca. 1772, Abb. 7), gibt das Rankenstück im unteren rechten Wandbereich der Loggia di Cleopatra wieder (Abb. 8).
Abb. 7: Nicolas François Daniel Lhuillier/Doublet, Akanthusrankenrelief, Radierung, ca. 494 x 315 mm, in: Livre d’ornements à l’usage des artistes, Paris um 1772/73 (?), Taf. 13, Paris, Institut National d'Histoire de l'Art, Bibliothèque Jacques Doucet, Fol Est 611
CC0 1.0Abb. 8: Akanthusrankenfragment, Anfang des 1. Jahrhunderts nach Chr., Marmor, 240 x 100 cm, Rom, Villa Medici, Loggia di Cleopatra (rechte Wand unten)
Foto: Celia Zuber, CC0 1.0Dort ist kein Vogelnest in den Rankenblättern zu sehen. Außerdem erscheint statt des Greifvogels auf dem Stängel über der offenen Blume ein kleinerer Vogel im Profil und unter der geschlossenen Blüte sitzt ein weiterer Vogel mit ausgebreiteten Flügeln. Dieses Rankenstück ist auch in einer mit „Villa Medici“ beschrifteten Zeichnung in den Londoner Adam-Alben (vol. 26/76) dargestellt.[6] Die zweite Druckgraphik, erschienen im Recueil d’ornemens, publiziert von Chéreau ab 1778 (Abb. 9), kombiniert die beiden hier erwähnten Rankenfragmente.
Abb. 9: Elisabeth Brinclaire, Fries mit Medici-Ranke, Crayonmanier, ca. 640 x 460 mm, in: Élisabeth Brinclair/André Louis/Jacques-François Chéreau, Recueil d’ornemens, Paris ab 1778, Paris, Institut National d'Histoire de l'Art, Bibliothèque Jacques Doucet, Inv. Pl Est 105
CC0 1.0Der Greifvogel, der die Schlange in seinen Krallen gepackt hat, entspricht der Karlsruher Zeichnung bzw. Piranesis Druckgraphik. Das Vogelnest hingegen wurde weggelassen. Die geschlossene Blume nähert sich dem zweiten, ebenso im Livre d’ornements abgebildeten Friesteil an. Dieser Druck sollte offenbar ein nach der Antike geschaffenes und dem Ornamentstudium dienendes Vorbild sein, wobei eine genaue Übereinstimmung mit einem der realen Marmorfragmente nicht wichtig war. Darüber hinaus ist vielleicht bei der Entstehung dieses zweiten in Paris erschienenen Druckes des Recueil d’ornemens, der Unterschied zwischen den beiden sehr ähnlichen Rankenfragmenten während des Kopierprozesses mit der Zeit verloren gegangen. Über die Ornamentpublikationen von Lhuillier wurde dieses Motiv als Studienmuster im Rahmen der akademischen Architektur- und Zeichenlehre in Frankreich rezipiert.[7] Im römischen Kontext sind im Ornamenthandbuch Raccolta di Ornati esattamente da marmi antichi copiati da P.V. (1770/1780?), dessen Autor bis jetzt nur hypothetisch identifiziert werde konnte, zwei Rankenstücke in zwei Tafeln dargestellt sowie vier vergrößerte Detailabbildungen in vier weiteren Tafeln. Diese weisen wiederum auf die Rezeption der Medici-Rankenstücke als Musterblätter im Rahmen der Zeichenlehre und als Teil eines kanonisierten Ornamentrepertoirs (Abb. 10).[8]
Abb. 10: Francisco Presciado la Vega (?), Medici-Ranke, Radierung, 156 x 220 mm, in: Raccolta di Ornati esattamente da marmi antichi copiati da P.V., Taf. 33, um 1770?, Rom, Biblioteca di archeologia e storia dell'arte, Fondo Lanciani, RARI 253 In. 00014059 (leg. In perg. 20)
Foto: Bénédicte Maronnie, CC0 1.0Vom zweiten Akanthusrankenfragment (Abb. 8) existiert im Vogel-Escher Album eine große Zeichnung in schwarzer Kreide, die Lhuillier zugeschrieben wird (Abb. 11) und durch den römischen Aufenthalt des Züricher Architekten und Lhuillier-Schülers David Vogel (1744–1808) in die Jahre 1763–1765 datiert werden kann.[9]
Abb. 11: Nicolas François-Daniel Lhuillier, Akanthusranke, um 1760–1765, schwarze Kreide, 966 x 660 mm, Zürich, Zentralbilbiothek, Vogel-Escher Album, FA Escher vG 188.6, fol. 93
CC0 1.0Dasselbe Rankenstück erscheint als Fragment in dem schon erwähnten Rötelabklatsch der Sammlung von Pierre-Adrien Pâris in Besançon (dort ist der fliegende Vogel mit ausgebreiteten Flügeln erkennbar, Abb. 4). Die dichten Parallelllinien im Hintergrund erinnern an Lhuilliers Zeichenmanier, doch unterscheidet sich die Schattenbildung, die weniger schematisch als bei Lhuillier erscheint, sowie die feineren und weniger idealisierten Details wie beispielsweise der Vogel. Daher stammt die diesem Abklatsch zugrunde liegende Zeichnung wohl von einer anderen Hand und ist vermutlich im französischen Umfeld der Akademie im Palazzo Mancini zu suchen. Eine Verbindung zum französischen Umfeld wird durch die Darstellung derselben Ranke in einer der Ornamenttafeln des sogenannten Recueil de Griffonis bestätigt. Diese von Abbé de Saint-Non (1727–1791) nach Zeichnungen verschiedener Künstler radierte und zusammengestellte Serie entstand zwischen 1755 und 1778. Die Tafeln, die eine Auswahl von antiken Gegenständen und Ornamenten zeigen, wurden in der zweiten Hälfte der 1750er Jahre bis ca. 1763 hauptsächlich unter Mitarbeit von Hubert Robert und Jean-Honoré Fragonard realisiert.[10] Eine Zeichnung und ein weiterer Abklatsch in der Sammlung von Pierre-Adrien Pâris in Besançon (Abb. 12a und b) stellen das Rankenstück mit anderen antiken Gegenständen dar.
Abb. 12a: Ornamentzeichnung mit Medici-Ranke, Zeichnung in schwarzer Kreide, 272 x 199 mm
© Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, vol. 454, fol. 254Abb. 12b: Ornamentzeichnung mit Medici-Ranke, Abklatsch in schwarzer Kreide, 260 x 196 mm
© Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, vol. 454, fol. 186Möglicherweise wurden diese Zeichnungen und ihre korrespondierenden Abklatsche als eine Art Probedruck benutzt, um einen Eindruck der Komposition vor dem Druck zu erhalten.[11] In diesem Fall wurden im endgültigen Druck gleich mehrere Komponenten wie etwa die Vase in der mittleren Reihe (Abb. 13) geändert.
Abb. 13: Ornamentblatt mit Medici-Ranke, Radierung, 307 x 210 mm, in: Abbé de Saint-Non, Recueil de Griffonis, vor 1763, Los Angeles, Getty Research Institute
CC0 1.0Außerdem wurde der hier besprochene Abklatsch nicht nach der Zeichnung in Besançon gefertigt, sondern nach einer anderen, unbekannten Vorlage.[12] Die Existenz von so zahlreichen – gleichen oder leicht variierenden – Kompositionen und von Abklatschen weist auf die Funktion dieser Blätter als gezeichnete Vorläufer der Drucktafeln: Denn durch ein systematisches Kopier- und Abklatschverfahren wurden die Kompositionen bereits vor der Veröffentlichung der gedruckten Serie verbreitet.
Das in Piranesis Werkstatt entstandene Rankenstück scheint hingegen nicht oft nachgezeichnet worden zu sein. Eine der wenigen Kopien ist im Zeichnungsalbum des in Rom tätigen spanischen Architekten Domingo A. Lois Monteguado nachweisbar (1723-1786, Madrid, Biblioteca Nacional de España, Inv. dib/18/1/9225).[13] In der Gruppe von Zeichnungen, die vom Züricher Architekten Hans Kaspar Escher (1775–1859) aus Rom nach Zürich gebracht wurden und heute in der Zentralbibliothek Zürich (FA Escher 188.6) aufbewahrt werden, befindet sich zudem ein Blatt in schwarzer Kreide, das als Kopie der hier untersuchten Karlsruher Medici-Ranke gelten kann (Abb. 14, siehe Prozesse historischer Nutzung).
Abb. 14: Hans Kaspar Escher (?) nach Nicolas François-Daniel Lhuillier, Akanthusranke (Medici-Ranke), um 1793–1797, schwarze Kreide, 602 x 251 mm, Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher vG 188.101, Falz 11, Zeichnung 22
CC0 1.0Die Karlsruher Zeichnung wurde zum Teil abgepaust, wie die steif wirkenden Konturlinien einiger Rankenblätter ahnen lassen. Weitere Details, zum Beispiel die kleinen Tiere, scheinen dagegen freihändig eingearbeitet worden zu sein. Die Überarbeitungen in schwarzer Kreide wurden beim Kopieren zum Teil übernommen. Auf der Rückseite der Züricher Zeichnung steht der Hinweis „Nach französischer Zeichnung pausende antike Thürverkleidung“. Autor dieser Notiz ist vermutlich Escher selbst, der auch weitere Zeichnungen annotierte und daher wohl auch als Autor der Kopie betrachtet werden kann. Dieser Zusammenhang beweist, dass die Zeichnungen in Zürich und in Karlsruhe zu Weinbrenners und Eschers Zeit Ende der 1790er Jahre ein gemeinsames Konvolut bildeten. Der Hinweis auf ein französisches Vorbild lässt unvermeidlich an Lhuillier denken. Da dieser jedoch nicht explizit genannt wird, kannte Escher ihn wahrscheinlich nicht als Autor der Zeichnungen. Zur damaligen Zeit war es üblich, derartige Rankenfriese als Spolien in den Türrahmungen römischer Kirchen oder Gebäude einzubauen. Obwohl die Ranke in der Notiz als Türverkleidung bezeichnet wird, bedeutet dies daher nicht zwangsläufig, dass der Zeichner diese Spolie auch an einer solchen Stelle gesehen haben muss, denn er kopierte das gezeichnete Vorbild und nicht das Relief selbst. Auch muss sich das Relief zur Entstehungszeit der Kopie nicht an dieser Stelle befunden haben. Zu Eschers Zeit standen die Rankenstücke vermutlich wie in Piranesis Druckgraphik entweder als freier Marmorblock im Eingangsraum oder im Garten der Villa, oder sie waren schon in der Loggia di Cleopatra eingemauert. Die Notiz scheint also eher auf einen allgemeinen Gebrauch solcher Rankenfragmente zu verweisen.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe u.a. Günther Irmscher: Akanthus. Zur Geschichte der Ornamentform, in: Barockberichte 26/27, 2000, S. 461–532.
2. Vgl. Salomon Reinach: L’Album de Pierre Jacques, sculpteur de Reims, dessiné à Rome de 1572 à 1577, reproduit intégralement et commenté avec une introduction et une traduction des „Statue d’Aldroandi“, Paris 1902, Abb. S. 22; Druck von Agostino Veneziano abgebildet in Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, Abb. 9–10, S. 117.
3. Vgl. Antonio Lafreri: Speculum romanae Magnificentiae, Rom 1540–1775; im Barb. lat. 4424, fol. 15 wird auch ein Blumendetail dargestellt. Siehe für beide Werke die Abbildungen in Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, Abb. 6–7, S. 115f.
4. Vgl. Carlo Gasparri: Sulle lesene con tralci di acanto Valle-Medici, in: Richard Harpath/Henning Wrede (Hg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock, Symposium Coburg 1986, Mainz 1989, Abb. 8, S. 117, und Antonio Foscari: A proposito del Codice Zichy. Angelo Cortivo designador (forse per Pietro Lombardo), in: Arte documento 31, 2015, S. 72–77. Mehrere Zeichnungen von den Rankenstücken aus der Sammlung Della Valle-Medici sind für das 17. Jahrhundert bekannt, z.B. eine Giovanni Bonati (1635–1681) zugeschriebene Zeichnung in dem palermischen Konvolut von Padre Resta, siehe Simonetta Prosperi Valenti Rodinò: I disegni del Codice Resta di Palermo, Mailand 2007, Nr. 86a, S. 163 und noch weitere Beispiele gelistet in Gasparri 1989, S. 121–123.
5. Vgl. Norbert Michels/Karen Buttler: Sammeln und Zeichnen. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff in Rom. Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Bestand der Anhaltinischen Gemäldegalerie Dessau, Ausst. Kat. Rom, Casa di Goethe/Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Petersberg 2014, Nr. 2.3, S. 83–85.
6. Siehe auch London, Soane’s Museum, Adam Album 26/73. Vermutet wurde, dass der in der Zeichnung annotierte Buchstabe „L.“ auf Lhuilliers Autorschaft hinweisen könnte (Siehe Norbert Michels/Karen Buttler: Sammeln und Zeichnen. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff in Rom. Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Bestand der Anhaltinischen Gemäldegalerie Dessau, Ausst. Kat. Rom, Casa di Goethe/Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie, Petersberg 2014, S. 84).
7. Im selben Kontext stehen auch mehrere Varianten des Rankenmotivs mit Greifvogel und Schlange bei Gilles-Paul Cauvet (1731–1788) in seinem Recueil à l’usage des jeunes artistes qui se destinent à la décoration des batiments (Paris 1777), vgl. dazu Peter Fuhring: Architecture et ornement. Cent dessins, Galerie Paul Prouté, Paris 2014, Nr. 64, S. 144.
8. Bislang wurde die Raccolta di Ornati (undatiert, Exemplare befinden sich in: Rom, Biblioteca di archeologia e storia dell’arte, Fondo Lanciani, Rari 253; Zürich, Zentralbibliothek, Alte Drucke und Rara, Nachlass Escher, KK325; Paris, Bibliothèque nationale de France, Estampes et Photographies, collection Denon, GB-70-PET FOL) mit Pietro La Vega (?–1804) in Verbindung gebracht. Über ihn ist wenig bekannt, er beteiligte sich mit seinem Bruder Francesco an den Ausgrabungen in Herculaneum und an der Herstellung einiger Druckplatten der Antichità di Ercolano esposte (1757–1792). Dazu siehe u.a. Alberto Guarino: Il libro: aspetti, problemi, orientamenti (1734–1799), in: Civiltà del‘700 a Napoli 1734–1799, Bd. 2, Ausst. Kat. Neapel, Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte, Florenz 1979, S. 280–285; Mario Pagano: I Diari di scavo di Pompei Ercolano e Stabia di Francesco e Pietro La Vega (1764–1810): raccolta di documenti inediti, Rom 1997. Zuletzt hat Christoph Frank die Anfangsbuchstaben „P.V.“ mit Francisco Preciado de La Vega (1712–1789) in Verbindung gebracht. 1732 kam dieser aus Spanien nach Italien, wo er in Rom, vermutlich durch die Accademia di San Luca, mit Piranesi in Kontakt trat. Preciado de La Vega war bei Piranesis Vorstellung zur Nominierung als Accademico di Merito an der Accademia di San Luca am 2. Februar 1761 anwesend, siehe dazu Delfin Rodriguez Ruiz/ Helena Pérez Gallardo (Hg.): Giovanni Battista Piranesi en la Biblioteca Nacional de España, Madrid 2019, S. 133. Fraglich ist, worauf sich die Zuschreibungen der Zeichnungen im Vatikan und im Nachlass von Kardial Valenti Gonzagua stützen (Simonetta Prosperi Valenti Rodinò: La collezione di grafica del cardinal Silvio Valenti Gonzaga, in: Elisa Debenedetti (Hg.): Artisti e mecenati, Rom 1996, S. 131–192, hier S. 142, Anm. 66 und 67, S. 159 und 164; Carlo Pirovani/Giorgio Muratore (Hg.): Raffaello in Vaticano, Ausst. Kat. Vatikanstadt, Mailand 1984, Nr. 82, S. 208, Nr. 85, S. 214f.). Vermutlich wurden in der Literatur die Namen von Pietro und Francesco La Vega irrtümlich mit dem von Francisco Preciado de La Vega vermischt.
9. Vgl. Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Schweizerische Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44.
10. Vgl. Jean Cayeux: Introduction au catalogue critique des „Griffonis“ de Saint-Non et catalogue des „Griffonis“, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art Français, 1964, S. 297–372, hier S. 297 und zu dieser Tafel siehe Nr. 58, S. 335 „Fragment d’une frise antique conservée dans les jardins de Ville Medicis“.
11. Vgl. Caroline Brook/Valter Curzi: Roma e l’Antico. Realtà e visione nel’700, Genf 2010, Nr. II. 10, S. 398f. (Ilaria Sgarbozza/Stefania Tullio-Cataldo).
12. Wenn der Abklatsch als eine Art Probedruck zur Übersicht diente, müsste er mit der Richtung des Druckes übereinstimmen und dürfte nicht seitenverkehrt sein.
13. Zu den Zeichnungsalbum siehe Pilar Diez del Corral Corredoira: El „Libro de Barios Adornos” de Domingo A. Lois Monteagudo (1723–1786): formacion académica en Roma y el ornamento „all’antica“ en el contexto internacional del Setecientos Borbónico“, Cordoba/Rom 2015, S. 352–365; Lui Cervera Vera: El arquitecto gallego Domingo Antonio Lois Monteagudo (1723–1786) y su „Libro de barios adornos“, in: La Coruña 1985.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Aufgrund der kunsttechnologischen Analyse der Zeichnung kann diese als vorbereitende Komposition für Piranesis Radierung betrachtet werden (vgl. Zeichnerischer Prozess und Prozesse historischer Nutzung). Anzumerken ist jedoch, dass im Druck nicht nur die Vorderseite des Reliefs dargestellt ist, sondern der ganze Marmorblock perspektivisch wiedergegeben ist, um auch die Breite sichtbar zu machen. Die vergleichende Betrachtung von Zeichnung und Druck verdeutlicht, dass die Überarbeitungen in schwarzem Stift in der Zeichnung den im Druck angegebenen beschädigten und fragmentierten Bereichen genau entsprechen. Dies zeigt sich vor allem im großen Bruch und in den schraffierten Rändern und Ecken sowie in den einzelnen Blumen- und Rankenblättern, die entsprechend der zerstörten Bereichen des Reliefs überarbeitet bzw. korrigiert wurden. So wurde z.B. das zerbrochene Blütenblatt in der offenen Blume bei der Eidechse schwarz durchgestrichen (Abb. 15).
Abb. 15: Detailvergleich zwischen der Zeichnung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und der Radierung Piranesis (Abb. 3)
CC BY-NC-SA 3.0Das gewölbte Akanthusblatt unter der Heuschrecke (Abb. 16) ist ähnlich durchschraffiert und wie in der Radierung gebrochen dargestellt.
Abb. 16: Detailvergleich zwischen der Zeichnung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und der Radierung Piranesis (Abb. 3)
CC BY-NC-SA 3.0Andere in schwarzer Kreide überarbeitete Konturen sollten den in Rötel gezeichneten Rankenblättern mehr Kontrast und Tiefe verleihen. Die idealisierte Darstellung des Reliefs in Rötel, in der die Ranke zu einem frontalen Ornamentmotiv reduziert wird, wurde durch diese Überarbeitung in schwarzem Stift zu einem Abbild des beschädigten Zustands des realen Frieses zurückgeführt. Daher ist die überarbeitete Zeichnung näher am Druck als am heutigen, restaurierten Zustand des Reliefs.
Im Druck wird der Rankenfries neben einer Säule und einem Stabfragment dargestellt. Vorzeichnungen dazu sind auch in den Karlsruher Alben vorhanden (Säule mit Blattwerk und bärtiger Schlange, IX 5159-35-6-2; Teil des Rahmens vom Wellenrankenpilaster in der Loggia di Cleopatra der Villa Medici, IX 5159-35-28-2). Im Unterschied zu den anderen Tafeln der Serie werden diese Elemente separat und unrestauriert gezeigt, ohne in eine kompositorische Neuerfindung integriert zu werden. Der Darstellungsmodus wirkt dadurch eher deskriptiv und empirisch motiviert wie auf den Tafeln der 1761 publizierten Druckserie Della Magnificenza dei Romani. Innerhalb der Vasi, candelabri ist Vergleichbares eher selten zu finden. Weitere Beispiele sind das Aldobrandini-Relief (Taf. 6) und das Titelblatt des zweiten Bandes der Druckserie (Taf. 56). Letzteres zeigt das Adlerrelief der Kirche von Santi Apostoli (IX 5159-35-35-1) im beschädigten Zustand, hier jedoch weniger deskriptiv-archäologisch als in einer für Piranesi charakteristischen, pittoresken und künstlichen Zusammenstellung antiker Gegenstände. Die Einbindung berühmter antiker Stücke in ihrem gealterten Zustand in die Folge restaurierter Objekte aus Piranesis eigener Werkstatt ermöglichte dem Künstler, den antiken Ursprung seiner Erfindungen hervorzuheben. Trotz der Restaurierungstätigkeit, der sich Piranesi Ende der 1760er und intensiv in den 1770er Jahren mit seiner Werkstatt widmete, blieb er ein Liebhaber des Fragments, das als Grundlage für seine künstlerischen Erfindungsprozesse diente.
Bénédicte Maronnie
- Zeichenstil
In der Rötelzeichnung wird deutlich, dass der Zeichner das Relief bis in jede Einzelheit exakt nachzeichnen wollte. Trotz dieses Anspruchs auf Genauigkeit wurde jedoch auf die Darstellung von Brüchen und Alterungsspuren verzichtet und dadurch ein Idealbild des antiken Monumentes geschaffen. In der Ausführungsqualität ist die Zeichnung jedoch weniger fein als andere Zeichnungen derselben Typologie, die mit der Manier von Nicolas François Daniel Lhuillier verbunden werden können, wie etwa der Adler von Santi Apostoli (IX 5159-35-35-1 und Zeichnungsgruppe 6), wo das Strichbild sanfter erscheint und die Schraffuren systematisch in Vertikalen gezeichnet sind. Ein vergleichbarer Zeichenstil ist eher in der Zeichnung eines Frieses aus der Casa dei Crescenzi mit geflügelten und gehörnten Löwen um eine zentrale Figur (IX 5159-35-15-2) sowie im Abschnitt eines Frieses mit Rankeneros (IX 5159-35-50-1) zu finden (siehe Zeichnungsgruppe 5 und 6).
Bénédicte Maronnie
- Zuschreibungshypothesen
Der Zeichenstil weist auf den französischen Ornamentzeichner Nicolas François Daniel Lhuillier hin. In der Ausführung sind jedoch unterschiedliche Qualitätsstufen bemerkbar. Es scheint sich hier um Lhuilliers rauere Manier zu handeln, aber nicht um eine Kopie nach Art Lhuillier, wie es in anderen Sammlungen vorkommt.[1]
Die nachfolgende Überarbeitung in schwarzem Stift kann hingegen einem Mitarbeiter der Piranesi-Werkstatt zugeschrieben werden. Vielleicht war es sogar Giovanni Battista Piranesi selbst oder aber sein Sohn Francesco, der die Details des beschädigten Reliefs vor dem Mamororiginal, wahrscheinlich in Hinblick auf den in den Vasi, candelabri publizierten Druck, hinzufügte. Ein vergleichbarer Überarbeitungsmodus mit schwarzer Kreide und energischem, eingehendem Duktus auf einem in der Werkstatt bereits existierenden Blatt ist u.a. in den Zeichnungen vom Adlerrelief (IX 5159-35-35-1) und vom Adolbrandini-Relief (IX 5159-35-42-1) zu beobachten.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe z.B. die hier erwähnte Kopie der Medici-Ranke nach der Karlsruher Zeichnung in Zürich (Abb. 14) datiert in die Zeit von Eschers Romaufenthalt Ende der 1790er Jahre, siehe Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Schweizerische Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44) oder die Zeichnung eines Fragments des Medici-Rankenfrieses in der von Georg Kabierske identifizierten Sammlung von Johannes Wiedewelt (1731–1802, in Rom 1754–1758) in Kopenhagen (The Danish National Art Library, Inv. 84c, fol. 41, siehe Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert).
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Lilie im Kreis, darüber der Buchstabe B, darunter der Buchstabe V
Belege:
Andrew Robison: Piranesi: Early Architectural Fantasies. A Catalogue Raisonné of the Etchings, Washington u.a. 1986, S. 221–224, Nr. 14–16 (Varianten, 1761–1790er Jahre); Edward Heawood: Watermarks Mainly of the 17th and 18th Centuries, Hilversum 1950, Taf. 217, Nr. 1584 (Variante, in: João d. Barros, da Asia, Lissabon, 1777)Sammlungen:
Karlsruher Alben:
Identisch: IX 5159-35-13-1; IX 5159-35-15-2; IX 5159-35-16-1
Nahe Varianten: IX 5159-35-19-1
Varianten (identisch untereinander): IX 5159-35-11-1; IX 5159-35-13-2; IX 5159-35-21-1; IX 5159-35-24-1; weitere Variante: IX 5159-35-3-3
Corpus Chartarum Italicarum: Variante: icpl.cci.V.010.a
New York, Morgan Library & Museum: 1966.11:35 (Variante)
Zürich, Zentralbibliothek: FA Escher vG. 188.6, Falz hinten: 2/2 (Abb. 17)Abb. 17: Anonym, Nachlass Hans Caspar Escher, Wasserzeichen: Lilie im Kreis, darüber B, darunter V, Zürich, Zentralbibliothek FA Escher vG 188.6, Falz 2, Zeichnung 2 Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt; mittlere Stärke; sehr nachgiebig (siehe auch: Merkmale und Prozesse historischer Nutzung); knötchenhaltiger Faserstoff; feine Siebstruktur mit Stegschatten; markante Filzmarkierung und Siebmarkierung; gelatinegeleimt; manuelle Glättung (verpresste Knötchen im Papiervlies); im Reflexlicht kein Oberflächenglanz. - Merkmale der Zeichenmedien
Rötel (Zeichnung): Dunkler Farbeindruck; verdichteter Strich mit ebener Oberfläche (Details 1 und 2); im Reflexlicht deutlicher Glanz.
Rötel (Überarbeitung): Hell orangeroter Farbeindruck; verdichteter Strich mit ebener Oberfläche (Detail 1); im Reflexlicht deutlicher Glanz, aber geringer als beim Rötel der Zeichnung.
Schwarzer Stift (Kreide) mit fetthaltigem Bindemittel: Tiefschwarzer Farbeindruck; leicht bis kräftig aufgetragener, deckender Strich; kompakt, stellenweise pastos in deckenden Bereichen, leichter Glanz im Reflexlicht (Detail 2).
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: Spuren einer schwarzen Zeichentusche u.l. (IRR; Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Detail 1: Auflicht
Überarbeitungen in hellem Rötel (oben) und schwarzem Stift, über Zeichnung in dunklem RötelDetail 2Kräftige Überarbeitung mit schwarzem Stift über Zeichnung in dunklem Rötel; leichter Glanz des schwarzen Strichs
Foto: Maria Krämer
Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Der Fries ist beidseitig durch kräftige, breite Linien in dunklem Rötel eingefasst; sie wurden ebenso wie die Einfassungen der seitlichen Zierleisten mit Hilfe eines Lineals gezogen. Diese langen Striche weisen einige Unregelmäßigkeiten auf, die wohl beim Zeichnen auf einem unebenen Untergrund entstanden. Die Striche enden jeweils an dem oberen und unteren Büttenrand des Papiers, die ganze Breite des ehemaligen Bogens nutzend. Die Einfassungslinien kreuzen sich über einigen in dunklem Rötel skizzierten floralen Elementen. Diese sind teilweise mit den Motiven des Pilasters verbunden und dienten womöglich auch der Verdeutlichung einzelner Details, wurden jedoch als offenbar unwesentliches Beiwerk mit dem Blatt beschnitten.
Zunächst konturierte der Zeichner die einzelnen Motive mit dünnen Rötellinien, die er bei der folgenden Ausarbeitung weitgehend überdeckte. Er strukturierte die reich geschmückten, mit Vögeln, Insekten, Schnecken, Echsen, Schlangen und kleinen Säugetieren bevölkerten Ranken in teils breitem, teils schmalem Rötelstrich, teils schummernd, um variantenreiche Effekte zu erzielen. In den Akanthusblättern etwa markieren unterschiedlich breite Striche deren Wuchsrichtung und Struktur. Die jeweils rechts angelegten Schatten – sie suggerieren ein vage von links einfallendes Licht – sind mit breitem Strich in Rötel gefüllt, häufig flächig zusammenfließend und weich in die lichten Partien übergehend. In tief verschatteten, auch unterschnittenen Stellen des abgebildeten Reliefs bedeckt eine Rötelschicht das Papier vollständig und akzentuiert den plastisch geformten Stein nach. Der ebene Hintergrund des Pilasters ist mit waagrechten Rötelstrichen in unterschiedlich dicht gesetzten Schraffuren gefüllt, die in dieser Zeichnung unregelmäßiger sind als bei der dieser nahestehenden Zeichnung des Adlerreliefs.
Die Rosette in der Blattmitte wurde nachträglich in hellerer Rötelkreide überarbeitet (VIS, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt). Vergleichbare Überarbeitungen sind bei anderen Karlsruher Rötelzeichnungen zu beobachten, häufig nach dem Anfertigen von Abklatschen, wobei deren Funktion nicht immer eindeutig bestimmbar ist.[1] Bei dieser Zeichnung – auch hier ist die Anfertigung von Abklatschen sehr wahrscheinlich – diente die Überarbeitung einer Korrektur der Blütenform, wobei wohl auch historische Schäden, etwa ein ausgebrochener Blütenrand, eingearbeitet wurden.
Eine weitere Überarbeitung erfolgte mit einem bindemittelhaltigen Stift auf Basis von schwarzer Kreide, der in zwei Formen genutzt wurde. Kurze, häufig mehrfach angesetzte Striche folgen einigen Motivkonturen und vertiefen gelegentlich den Kontrast zwischen Licht und Schatten, so etwa an den Fruchtständen unten (Detail 2). Zudem korrigieren sie in Rötel ausgearbeitete Formen wie beispielsweise bei einzelnen Blättern unten rechts. Weit gröber gesetzte Linien ergänzen in der Zeichnung altersbedingte Schäden des antiken Pilasters, die auch in der entsprechenden Radierung dokumentiert sind (Abb. 3): Quer über die Mitte des Pilasters wird ein signifikanter Bruch markiert, ebenso Ausbrüche des Steins entlang der Kanten. Diese Überarbeitung entspricht eher einer stenographischen Notation als einer sorgfältigen Korrektur und erschließt sich vor allem in Zusammenhang mit der Radierung.
Maria Krämer und Irene Brückle
Einzelnachweis
1. Siehe IX 5159-35-4-2; IX 5159-35-16-1; IX 5159-35-25-1; IX 5159-36-21-1.
- Merkmale historischer Nutzung
An den langen Kanten beschnitten, Büttenränder oben und unten erhalten; nachgiebige, fast lappige Griffigkeit und Verknitterung; senkrechte und waagrechte, mittige Faltspuren; Knicke und Bestoßungen an den Blattkanten; flächige Ablagerung von Rötelpulver; paarige Stecknadeleinstiche an den Blatträndern oben und unten, dort auch gelblich fluoreszierend (UVF; Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); insgesamt flächige, gelbliche Fluoreszenz, mittig besonders deutlich; Klebepunkte verso an den Ecken und in der Mitte der langen Kanten, Papier dort teilweise ausgerissen und mit Fehlstellen durch Insektenfraß (frühere Montierung), auch recto Klebeflecke mit anhaftenden Papierfasern (Detail 3); Insektenschmutz; gelb fluoreszierende Flüssigkeitsränder; historische Hinterklebung eines Einrisses verso o.M.
Detail 3: Auflicht
Anhaftende Papierfragmente recto im Bereich der ZeichnungMaria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Im überarbeiteten Zustand diente die Zeichnung als Vorlage für Piranesis größengleiche Radierung (Vasi, candelabri; Focillon-Nr. 638; Wilton-Ely-Nr. E 925;), zu der sie seitenrichtig erscheint. Die Zeichnung des Adlerreliefs (IX 5159-35-35-1) wurde ähnlich genutzt, und beide Blätter weisen auch vergleichbare Nutzungsspuren auf, die auf zwei separate Kopiervorgänge schließen lassen. Auffällig sind bei beiden deutliche Spuren einer Feuchtigkeitseinwirkung und flächige, gelb fluoreszierende Flecken, letztere ein Hinweis auf das Pausen mit geöltem Papier. Von dem Adlerrelief hat sich ein Abklatsch erhalten (Zürich, Zentralbibliothek, FA Escher vG. 188.6, Falz hinten 1/1), der die Feuchtigkeitsspuren am Rötel und dessen Veränderung hin zu einem glänzenden, geebneten Strich erklärt. Der Abklatsch entstand vor der Überarbeitung in schwarzem Stift und damit vor dem Einzeichnen historischer Schäden. Die durch Handhabung im feuchten Zustand hervorgerufenen Veränderungen an der Pilasterzeichnung – verringerte Festigkeit, Verknitterung und Veränderung der Zeichenmedien – lassen vermuten, dass auch hier ein bisher unbekannter Abklatsch vor der Überarbeitung in Schwarz angefertigt wurde. Die Hinzufügungen in schwarzer Kreide sind eher der Vorbereitung für den Druck zuzuordnen und geschahen vermutlich vor dem Abpausen der Zeichnung mit geöltem Papier zum Zweck ihrer Übertragung auf die Kupferplatte; die Ölpause ist leider nicht erhalten. Eine in schwarzer Kreide ausgeführte, in den Linien deutlich verwischte Version der Zeichnung, die in dem gewählten Ausschnitt und den Details dem Karlsruher Blatt entspricht, hat sich zusammen mit dem Abklatsch des Adlerreliefs im Konvolut von Zeichnungen des Schweizer Architekten Hans Caspar Escher erhalten. Die von seiner Hand rückseitig beschriftete Zeichnung stimmt in weiten Teilen der Konturen überein und wurde vermutlich teils abgepaust, teils abgezeichnet, indem sie auf das Karlsruher Blatt aufgelegt wurde, um die Konturen im Durchlicht nachzufahren. Die Überarbeitungen in schwarzem Stift wurden beim Kopieren zum Teil übernommen (siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination).[1]
Maria Krämer
Einzelnachweis
1. Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Schweizerische Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, hier S. 30f. Signierte Pausen Eschers wurden nach Vorlagen Weinbrenners auf geöltem, italienischem Papier angefertigt. Die Zeichnung der Medici-Ranke in schwarzer Kreide befindet sich allerdings auf holländischem Papier (Wasserzeichen Straßburg Bend & Lilie J. H&Z u. Gegenmarke J. Honig & Zoonen), das nicht geölt worden war. Die Zeichnung ist auch nicht signiert, so dass eine Zuschreibung an den Schweizer Architekten offen bleiben muss.
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- Hans Caspar Escher
- Charles Percier
- Abbé de Saint-Non
- Marmor
- Villa Medici
- Sammlung Medici
- Sammlung Della Valle
- David Vogel
- Lisene
- Fries
- Relief
- Rötel
- Abklatsch
- Schwarzer Stift
- Piranesi-Werkstatt
- IX 5159-35-10-1
- Akanthusranken
- Pierre-Adrien Pâris
- Kymation
- Ranke
- Kräftige Überarbeitung
- Stilistische Gruppe 04
- Wellenrankenfries
- Recueil d’ornemens
- Lilie im Kreis (Beizeichen: B und V)
GND-Begriffe
- Relief;
- Ranke;
- Erdmannsdorff, Friedrich Wilhelm von;
- Loys Monteagudo, Domingo Antonio;
- Akanthus;
- Lhuillier, Nicolas-François-Daniel;
- Vogel, David;
- Villa Medici;
- Percier, Charles;
- Abklatschverfahren;
- Della Valle, Andrea;
- Escher, Hans Caspar;
- Saint Non, Jean Claude Richard de;
- Fries;
- Paris, Pierre Adrien
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