Dicht gedrängt sind hier Brustpanzer, Helme, Schilde, Lanzen, Feldzeichen und andere Rüstungsteile über das Relief verteilt. Zwei geflügelte Siegesgöttinnen machen sich an Ihnen zu schaffen - sie scheinen einen Sieg des römischen Heeres ankündigen zu wollen. Als Inspirationsquelle für die Darstellung diente ein Fries, der an der Fassade des Palazzetto Massimo istoriato in Rom zu sehen war und dem Maler Polidoro da Caravaggio (1500–1543) zugeschrieben wird.
Werkdaten
Künstler
Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793), Gruppe 4
Ort und Datierung
Rom, vermutlich zwischen 1755 und 1768
Abmessungen (Blatt)
180 x 692 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-20-1
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide; weitere Informationen, siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Stefan Morét: Piranesi's Graphic Archive: The Use of Ornament Drawings in the Design Process of the Diverse maniere, in: Maria Cristina Misiti/Giovanna Scaloni (Hg.): Giambattista Piranesi. Sognare il Sogno Impossibile, Ausst. Kat. Rom, Istituto Centrale per la Grafica, 2021. https://www.piranesimultimediale.it/piranesi/en/chapter-3/Piranesi-s-graphic-archive-The-use-of-ornament-drawings-in-the-design-process-of-the-Diverse-maniere/39
- Hadernpapier
Vergé, vermutlich holländische Herstellung, Zeichnung auf der Filzseite; weitere Informationen, siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Pause des Motivs der Vorderseite schwach in schwarzer Kreide zu erkennen: Seitenverkehrt und versetzt
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Bei den in schwarzer Kreide ausgeführten Zeichnungen IX 5159-35-20-1 und IX 5159-35-20-2 handelt es sich um zwei Teile eines gemeinsamen Frieses mit Viktorien und Trophäen, die ursprünglich mit Stecknadeln zusammengefügt waren (Abb. 1).
Abb. 1: Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Montage aus den zwei separaten Blättern, vermutlich zwischen 1755 und 1768, schwarze Kreide, ca. 180/202 x ca. 1630 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-10-1 und IX 5159-35-10-2
Bildmontage: Maria Krämer, CC0 1.0Als Inspirationsquelle diente offenbar ein Fries aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der als Teil der monochrom freskierten, dreistöckigen Fassade des Palazzetto Massimo istoriato an der Piazza dei Massimi, auf der Rückseite des Palazzo Massimo alle Colonne in Rom zu sehen war. Innerhalb dieses ikonographisch komplexen Dekors, der 1523 von der Familie Massimo in Auftrag gegeben wurde und dessen Zuschreibung an den Maler Polidoro da Caravaggio (1500–1543) kürzlich bekräftigt wurde,[1] ist ein sehr ähnliches Friesmotiv unter den Fenstern des ersten Stock wiedergegeben. Inzwischen ist es jedoch stark beschädigt, was den detaillierten Vergleich mit der Zeichnung erschwert. Anhand einer Photographie aus dem späten 19. Jahrhundert sind jedoch grundlegende kompositionelle Vergleiche möglich (Abb. 2).
Abb. 2: Ansicht des Polidoro da Caravaggio zugeschriebenem Fassadenfreskos, Photo um 1920/30, Rom, Palazzetto Massimo Istoriato in Piazza de’Massimi, ICCD-Gabinetto Fotografico Nazionale, Inv. MPI321829, su gentile autorizzazione dell'Istituto Centrale per il Catalogo e la Documentazione-MiC. Im Unterschied zur Karlsruher Zeichnung existierte dort nur das zentrale Tropaion, während zwischen den beiden, voneinander abgewendeten Viktorien-Paaren lediglich lose Waffen und Schild aufgehäuft waren. In der rechten Hälfte ist der Fries zudem von der Überdachung der darunter befindlichen Tür durchbrochen, darüber ist statt des Tropaions in der Karlsruher Zeichnung ein von Rüstungen flankierter Helm wiedergegeben. Zwar endete der Fries rechts ebenfalls mit der die Geschichte des Sieges auf einen Schild schreibenden Viktoria, am linken Abschluss ist jedoch eine zusätzliche Allegorie eingefügt, die in der Zeichnung fehlt. Die Unterschiede in der Gestaltung belegen, dass es sich nicht um eine exakte Kopie nach dem Fresko handelt. Da der Fries den untersten Teil des Fassadendekors bildete und von Straßenhöhe gut zu sehen war, könnte er jedoch in einer skizzierten Studie kopiert und als Reinzeichnung in eine symmetrische, stark antikisierende Fassung, wie sie in Karlsruhe vorliegt, übertragen worden sein. Zudem erscheint es bemerkenswert, dass sich zu Lebzeiten Piranesis Zeit die Druckerei von Angelo Rotili, mit dem der Künstler beim Druck seiner Texttafeln zusammenarbeitete, an diesem Palazzo befand.[2]
Eine wahrscheinlich in der ersten Hälfte der 1770er Jahre entstandenen Zeichnung, deren Komposition mit dem Karlsruher Fries im Wesentlichen übereinstimmend, befindet sich zudem im Nachlass von Pierre-Adrien Pâris (1745–1819) (Abb. 5). Dieses Blatt wird von dem Architekten selbst im eigenen Inventar als „Großer gemalter Fries von Polidoro, an der Pferdepost in Neapel“[3] bezeichnet und in den alten Sammlungsverzeichnissen der Bibliothek erweitert als „Fries mit Trophäen und Genien nach einer zerstörten Malerei von Polidoro da Caravaggio, auf der Fassade der Pferdepost in Neapel“[4] erwähnt. Diese Betitelung scheint demnach auf einen heute unbekannten und nicht mehr erhaltenen Fassadendekor in Neapel von Polidoro da Caravaggio (dort um 1523/24 und erneut um 1527/29) hinzuweisen.[5]
Zwar wäre vorstellbar, dass ein ähnlicher Dekor in Neapel und Rom vorhanden war,[6] jedoch hat sich bislang in den Quellen – wie etwa in Reiseführern oder in Pierre-Adrien Pâris’ Reisejournal aus Neapel – kein Nachweis für ein entsprechendes Gebäude in der süditalienischen Stadt gefunden. Andererseits diente der Palast an der Piazza dei Massimi in Rom bis Ende des 16. Jahrhunderts auch als Station der päpstlichen Post, da die Familie Massimo als deren Superintendent („sovrintendente“) eingesetzt war.[7] Von dieser alten Post, die vermutlich auch nach Neapel fuhr, stammt auch der Name der nebenliegende Straße (Via della Posta Vecchia).[8]
Es ist daher wahrscheinlich, dass sich Pierre-Adrien Pâris, trotz der ungenauen Formulierung, eher auf die Poststation in Rom als auf ein heute zumindest nicht mehr nachzuweisendes Gebäude in Neapel bezog. Ein Irrtum in der nachträglichen Betitelung des Blattes in seinem Inventar ist ebenfalls vorstellbar. Denn die Zeichnung wurde nicht nach dem freskierten Dekor der Hausfassade vor Ort, sondern nach einer graphischen Vorlage kopiert – wobei möglicherweise auch die Betitelung übernommen wurde (Siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination).
Trotz der zahlreichen druckgraphischen Reproduktionen nach Werken von Polidoro da Caravaggio ist von diesem Fresko bislang keine solche Wiedergabe des 16. oder 17. Jahrhunderts bekannt, die als alternative Vorlage für die Zeichnung gedient haben könnte. Die Radierung von Justus Sadeler (1583–1620) nach Polidoro, die von Odoardo Fialetti in Fregi di stromenti bellici (Venedig ca. 1600–1620) veröffentlich wurde, ist zwar motivisch nah, weist jedoch im Detail und stilistisch zu viele Unterschiede auf, um als Vorbild gedient haben zu können. Auch eine Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert ist bislang nicht bekannt.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Vgl. Monica Latella: Gli affreschi della facciata del Palazzetto Massimo Istoriato: un disegno di Polidoro da Caravaggio per le storie di Giuditta, in: Bollettino d’arte 24, 2014, S. 61–82. Wir danken Giovanna Scaloni für den Hinweis auf diesem Aufsatz (Februar 2019). Frühere Zuschreibung an Schule von Daniela da Volterra
2. Carolyn Yerkes/Heater Hyde Minor: Piranesi Unbound, Princeton/Oxford 2020, S. 33f.
3. Pâris in seinem Inventar schreibt „Grande frise peinte de Polidore, sur la Poste aux Chevaux à Naples“, in Bibliothèque municipale de Besançon, Ms Pâris 3 „Catalogue de mes livres, ainsi que des autres objets qui composent mon cabinet […]“, Architecture, fol. 14.
4. Siehe u.a. Auguste Castan: Bibliothèque de Besançon. Inventaire des richesses d’art de cet établissement, Paris 1886, S. 245, Nr. 136: „Frise représentant des trophées d’armes et des génies, d’après une peinture (détruite) de Polydore de Caravage sur une façade de la Poste aux chevaux de Naples“.
5. Über den ersten napoletanischen Aufenthalt von Polidoro ist wenig erhalten und auch nicht vieles bekannt. In Bezug zur Datierung des Dekors der Fassade, siehe Monica Latella: Gli affreschi della facciata del Palazzetto Massimo Istoriato: un disegno di Polidoro da Caravaggio per le storie di Giuditta, in: Bollettino d’arte 24, 2014, S. 61–82, hier S. 79. Siehe u.a. auch Andrea Zezza: Un resto polidoresco nella Napoli antica: il fregio di Palazzo Pignone-Confalone, in: Napoli Nobilissima, September–Dezember 2016, S. 17–22.
6. Wir bedanken uns bei Giovanna Scaloni für diesen Rat (mündliche Mitteilung Februar 2019).
7. Siehe Claudio Rendina: I palazzi storici di Roma, Rom 2005, S. 91–94; Valerio Mariani: il Palazzo Massimo alle Colonne, Rom o.D. [um 1930?], S. 53f.
8. Auf dieses Vorbild hat auch Stefan Morét in seinen Überlegungen zu dem Blatt verwiesen.Bitte Fußnote eintragen
- Beschreibung und Komposition
Fügt man die beiden Zeichnungselemente (IX 5159-35-20-1 und IX 5159-35-20-2) aneinander, erhält man eine Frieskomposition, in der sich nach dem Schema ABAB sitzende Viktorien und Tropaia abwechseln, während der Zwischenraum mit weiteren Trophäen gefüllt ist (siehe Abb. 1). Mittig befindet sich dort ein Tropaion, das symmetrisch von zwei einander zugewandten Viktorien flankiert wird. Die linke sitzt auf einer Rüstung und schreibt die Geschichte des Sieges auf ein Ovalschild, die rechte sitzt auf einem Altar und hält ein ovales Gorgonenschild in Händen. Im weiteren Verlauf folgt dann zu beiden Seiten ein Trophäengestell, das zu den äußeren Enden des Frieses hin von jeweils einer weiteren, jedoch nun gespiegelten und alternierenden Viktoria abgeschlossen wird.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Es existieren jedoch noch weitere gezeichnete Versionen dieser Frieskomposition (IX 5159-35-20-1 und IX 5159-35-20-2). So wies Georg Kabierske auf eine diesmal in Rötel und auf mehrere zusammengefügte Blätter gezeichnete Version des Frieses hin, die am 12. Dezember 2014 im Pariser Kunsthandel bei Jean-Marc Delvaux angeboten wurde (Abb. 3).[1]
Abb. 3: Nicolas François Daniel Lhuillier (hier zugeschrieben), Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Rötel, 215 x 1580 mm, Privatbesitz Photo Studio Sebert, Mit freundlicher Genehmigung von Etude Delvaux, Paris Die Zeichnung stimmt, obwohl offenbar etwas kleiner (Gesamtmaß 215x1580 mm) mit dem Karlsruher Fries nahezu vollständig überein, es gibt nur zwei, wenngleich verblüffende Unterschiede. So sitzt in der Rötelzeichnung die Viktoria links außen auf einer Rüstung, im Karlsruher Blatt aber auf einem Altar. Vergleicht man die Komposition beider Blätter im Ganzen, so erscheint die Version aus Piranesis Motivsammlung in Karlsruhe ausgewogener, da hier die Viktorien im Wechsel auf einer Rüstung oder einem Altar ruhen. In der Rötelzeichnung dienen jedoch von links nach rechts zweimal die Rüstung, dann der Altar und wieder eine Rüstung als Sitzgelegenheit. Die zweite wesentliche Abweichung ist im Helm des rechten Tropaion zu beobachten, der in Karlsruhe mehr einer phrygischen Mütze gleicht und in der Rötelversion einen pelzartigen Charakter besitzt. Bei der Rötelzeichnung aus dem Kunsthandel dürfte es sich auch um eine Zeichnung von Nicolas François Daniel Lhuillier handeln, der die Komposition hier etwas variierte. Es ist zudem ganz typisch für ihn, solche dekorativen Motive sowohl in Rötel als auch in schwarzer Kreide auszuführen – zwei Medien, die sich besonders gut zum Abklatschen eignen (siehe Essay „Stilistische Gruppen“, Gruppe 4).
Darüber hinaus existiert eine weitere Zeichnung des Frieses, diesmal aber in Feder und mit Lavierung ausgeführt (Abb. 4). In den benannten Details weicht diese wiederum von der Karlsruher Version ab, stimmt dafür aber mit der Rötelversion überein. Mit einem Gesamtmaß von 180 x 1569mm scheint das Blatt minimal kleiner als dieses zu sein. Ebenso wie andere lavierte Federzeichnungen derselben Hand stammt sie aus den zwei 1990 aufgelösten „Sculpture-Albums“ des schottischen Antiquars und Kunsthistorikers Sir William Stirling-Maxwell (1818–1878). Auf der Rückseite ist sie mit „Tagio [Fregio?] di Polidoro da Carravaggio“ beschriftet.[2]
Abb. 4: Anonym, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, 180 x 1569 mm, Feder und Tinte, braun laviert über schwarzer Kreide, ehem. Stirling Maxwell Sculpture-Album SMS, fol. 1
© Foto: Christoph Frank nach freundlichem Hinweis von Amanda Claridge (Warburg Institute London, Cassiano database records for Stirling-Maxwell ‘Sculpture’ Album)Ursprünglich scheint diese Zeichnungsgruppe im 18. Jahrhundert in das von Cassiano dal Pozzo (1588–1657) initiierte Museo Cartaceo eingefügt worden zu sein, möglicherweise unter Kardinal Alessandro Albani, kurz bevor dessen Sammlung 1762 durch Vermittlung der Architekten Robert und James Adam an König Georg III. nach England verkauft und dort weiter verteilt wurde. 1865 erwarb Stirling-Maxwell dann einige dieser Blätter.[3]
Bislang wurde in der Literatur teilweise angenommen, dass diese Zeichnungen im späten 17. oder 18. Jahrhundert entstanden seien.[4] Tatsächlich bilden sie aber eine stilistisch einheitlichen Gruppe, die statt der übrigen Ornamentzeichnungen des Museo Cartaceo, vielmehr das durch Lhuillier und seinem Lehrer Charles-Louis Clérisseau (1722–1820) um 1760 verbreitete Motivrepertoire reflektieren (siehe weiterführend IX 5159-35-19-1 und Essay „Stilistische Gruppen“, Gruppe 4). Obwohl nicht in Rötel oder schwarzer Kreide gezeichnet, sind sie wahrscheinlich von einem bislang nicht bekannten Zeichner nach deren Vorlagen kurz vor dem Verkauf der Sammlung nach England 1762 kopiert und dann in die Sammlung dal Pozzo-Albani eingefügt worden. Im Fall dieses Viktoria-Trophäen-Frieses könnte die Zeichnung aus dem Pariser Kunsthandel oder aber eine weitere Version als Vorlage gedient haben. Weitere potenzielle Kopien anderer Motive nach Lhuillier von einer vergleichbaren Hand in Feder und braun laviert konnte Georg Kabierske im Cooper-Hewitt-Museum in New York identifizieren.[5]
Auch der bereits erwähnte Fries im Nachlass von Pierre-Adrien Pâris ist über die spezifischen Details erneut mit der Rötel-Version aus dem Pariser Kunsthandel in Verbindung zu bringen, allerdings ist er seitenverkehrt wiedergegeben (Abb. 5). Aus sechs Blättern zusammengeklebt, ist er mit einer Höhe von ca. 175 mm und einer Gesamtlänge von ca. 1630 mm aber etwas größer und somit ungefähr so groß wie das Karlsruher Blatt (beide Friesstücke zusammen sind ca. 180 mm bzw. 202 mm breit und ca. 1630mm lang). Wahrscheinlich wurde die Zeichnung in Besançon nach einer seitenverkehrten Vorlage von Lhuillier, wie z.B. einem Abklatsch, in Feder kopiert. Aufgrund der stilistischen Nähe in der präzisen und feinen Zeichenart (siehe z.B. Patera mit Maske, vol. 482, Nr. 127) und der gleichen technischen Ausführung kann diese Zeichnung gesichert mit anderen Zeichnung in Verbindung gebracht werden, die Pierre-Adrien Pâris selbst zugeschrieben werden.
Abb. 5: Pierre-Adrien Pâris, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, um 1771–1774 (?), Feder und Tinte, braun laviert, 172 x 1643 mm
© Bibliothèque municipale de Besançon, Sammlung Pierre-Adrien Pâris, Vol. 482, n° 136a/136bChristoph Frank wies zudem auf das römische Zeichenalbum (Universitätsbibliothek Uppsala, Inv. X 292 l, 1932/30) des schwedischen Architekten Gustav af Sillén (1762–1825) hin, der 1788–1793 eine Studienreise nach Italien unternahm. Im Zeitraum zwischen 1789 und 1792 entstanden, sind darin in mehrere Hefte aufgeteilt zahlreiche Skulpturen, Altäre, Kandelaber, Vasen, Urnen, Sarkophage, Reliefs und Ornamente aus den römischen Sammlungen als teilweise lavieret Umrisszeichnungen wiedergegeben. Die im letzten Abschnitt des Albums vorhanden Studien wurden, so gibt es das Titelblatt an, 1791–1792 nach Vorlagen des schwedischen Malers Jonas Åkerström (1759–1795) kopiert, der sich selbst auch 1788–1795 in Rom aufhielt.[6] Darunter befindet sich auch der von Polidoro da Caravaggio inspirierte Fries, der, auf vier Einzelblätter aufgeteilt, wie die zuvor vorgestellten Blätter erneut die Fassung der Rötelzeichnung aufgreift (Abb. 6a, 6b, 6c, 6d).[7]
Abb. 6a: Gustaf Georgsson af Sillén nach Jonas Åkerström, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Mai 1791, Feder u. Tinte, grau-braun laviert, Uppsala University Library (Special Collections), Inv. X 292 l, 1932/30
CC0 1.0Abb. 6b: Gustaf Georgsson af Sillén nach Jonas Åkerström, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Mai 1791, Feder und Tinte, grau-braun laviert, Uppsala University Library (Special Collections), Inv. X 292 l, 1932/30
CC0 1.0Abb. 6c: Gustaf Georgsson af Sillén nach Jonas Åkerström, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Mai 1791, Feder und Tinte, grau-braun laviert, Uppsala University Library (Special Collections), Inv. X 292 l, 1932/30
CC0 1.0Abb. 6d: Gustaf Georgsson af Sillén nach Jonas Åkerström, Viktorienfries vom Palazzetto Massimo istoriato, Mai 1791, Feder und Tinte, grau-braun laviert, Uppsala University Library (Special Collections), Inv. X 292 l, 1932/30
CC0 1.0Allerdings gibt es minimale Abweichungen in der Wiedergabe einzelner Elemente. Außerdem wirkt die Komposition etwas leichter, da der Hintergrund mit weniger Trophäen angefüllt ist. Die dafür benutzte Zeichnungsvorlage von Åkerström ist den Autoren nicht bekannt. Jedoch zeigt deren Erwähnung, das auch dieses Friesmotiv unter den in Rom ansässigen Künstlern kursierte und für die jeweils eigene Sammlung übernommen wurde. Durch diese Motivweitergabe über mehrere Generationen von Zeichenschülern in Rom ist wahrscheinlich auch zu erklären, weshalb das um 1760 von Clérisseau und Lhuillier verbreitete Motivrepertoire noch in den 1790er Jahren und vielleicht darüber hinaus in Rom präsent war.
So findet sich auch ein etwas abgeänderter Ausschnitt mit der (auf der Karlsruher Zeichnung) linken Viktoria auf dem Titelblatt des neunten Hefts im 1798 von Charles Percier (1764–1838) und Pierre François Leonard Fontaine (1762–1853) publizierten Stichwerk Palais, maisons, et autres édifices modernes, dessinés à Rome (Abb. 7). Während ihres gemeinsamen Studienaufenthalts an der Académie de France in Rom (Percier 1786–1790 und Fontaine 1787–1790) scheinen sie diesen Fries in ihre Motivsammlung, die sich ein jeder Künstler und Architekt während des Studiums in Rom anlegte, aufgenommen zu haben. Wie der Vergleich mit dem historischen Foto der Palazzofassade zeigt, weicht der im Stich wiedergegebene Friesabschnitt jedoch in Details von dem Fresko ab und scheint daher auf einer anderen Vorlage oder einer eigenen Adaption zu basieren. Die Gegenüberstellung mit den Blättern bei Gustav af Sillén macht deutlich, dass sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Umrissdarstellung durchgesetzt hatte.
Abb. 7: Zusammenstellung verschiedener antiker Details, aquarellierte Radierung, in: Charles Percier und Pierre François Léonard Fontaine, Palais, maisons, et autres édifices modernes, dessinés à Rome, Paris 1798, Taf. 50, Paris, Bibliothèque de l'Institut national d'histoire de l'art, collections Jacques Doucet, NUM FOL EST 688
CC0 1.0Dass Percier und Fontaine die gesamte, symmetrische Frieskomposition gekannt haben, belegt Tafel 24 in Heft vier dieses Stichwerks, die den Palazzo Medici-Clarelli in der Via Giulia zeigt. An der hier idealisiert dargestellten Straßenfassade ist der bekannte Fries schemenhaft angedeutet, jedoch wenden sich die beiden mittleren Viktorien nicht dem zentralen Tropaion, sondern den beiden seitlichen zu. Wie der Vergleich mit der 1874 erschienen Tafelwerk Édifices de Rome moderne ou recueil des palais, maisons, églises, couvents et autres monuments publics von Paul Marie Letarouilly zeigt, besaß die Fassade des Palazzo Medici-Clarelli auch einen Trophäenfries, der sich jedoch in seiner Komposition vollständig von dem von Percier und Fontaine wiedergebenen unterschied.
Dass gerade dieser Fries aus dem Fassadendekor des Palazzetto Massimo istoriato in einer Zeichnung rezipiert wurde, kann an dessen aus Höhe der Straße gut einsehbaren Position liegen. Dass er so häufig verbreitet wurde, liegt wahrscheinlich an seiner antikisierenden Wirkung – man denke beispielsweise auch an das Viktoria-Trophäen-Relief auf der Trajanssäule oder an die Viktoria-Trophäen-Reliefs vom Palatin (siehe IX 5159-35-19-1 und IX 5159-35-25-1) – und entsprach somit dem ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gezeichneten Motivrepertoire. Künstler und Architekten nahmen zu dieser Zeit offenbar die Bauornamentik der Renaissance, die ihrerseits die Antike aufgriff als gleichwertig wahr und verarbeiteten diese Motive so auch für eigene Entwürfe.[8]
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Jean-Marc Delvaux, Dessins Anciens et Modernes, Autographes et Livres, Paris, Drouot Richelieu – Salle 11, 19. Décembre 2014, siehe Ecole française du XVIIIème siècle, Esquisse pour une frise, 215 x 1580 mm, Rötel, Los 10.
2. Siehe Phillips London: Old Master Drawings. To Include an Important Group of Drawings from the Pozzo/Albani Collection, Mittwoch, 12. Dezember 1990, Los 219; Das Blatt wurde vom römischen Kunsthändler Marcello Aldega erworben. Unser herzlicher Dank gilt Christoph Frank, der uns seine Fotos des Cassiano database records for Stirling-Maxwell Sculpture Album aus dem Warburg Institute London generös zur Verfügung stellte.
3. Zur Provenienz der Zeichnungen aus der Sammlung von Stirling-Maxwell: Das von Cassiano dal Pozzo (1588–1657) initiierte Museo Cartaceo, wurde 1703 von Papst Clements XI. Albani erworben und gelangte später an seinem Neffen Kardinal Alessandro Albani, aus dessen Besitz es durch Vermittlung der Architekten Robert und James Adam 1762 an König Georg III. nach England verkauft wurde. Der Bibliothekar von Georg III., Richard Dalton, scheint dabei einige hundert Zeichnungen mit architektonischen und antiken Motiven für seine eigene Sammlung übernommen zu haben, die 1791 auf seiner Nachlassauktion verkauft wurden. Ein Teil gelangte über Charles Townley 1865 an Sir William Stirling-Maxwell, in dessen Sammlung sie als zwei Klebealben gebunden waren („Stirling-Maxwell Sculpture Albums“), darunter auch die genannte Zeichnungsgruppe mit dem Fries. 1990 wurden sie in London bei einer Auktion (Phillips, London: Old Master Drawings. To Include an Important Group of Drawings from the Pozzo / Albani Collection, Mittwoch, 12. Dezember 1990) versteigert und zerstreut. Siehe Ebd., S. 78f. und Francis Haskell/Henriettta McBurney: General Introduction to the Paper Museum of Cassiano dal Pozzo, in: Amanda Claridge (Hg.): The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo. A Catalogue Raisonné. Series A – Antiquities and Architecture, Part two: John Osborne/Amanda Claridge (Hg.): Early Christian and Medieval Antiquities, Volume one, London 1996, S. 9–24.
4. Amanda Claridge (Hg.): The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo. A Catalogue Raisonné. Series A – Antiquities and Architecture, Part nine: Ian Campbell: Ancient Roman Topography and Architecture, Volume Three, London 2004, S. 825f., Nr. 320 (als italienisch, 17. Jahrhundert angegeben); Ebd., Part ten: Paul David/David Hemsoll: Renaissance and later Architecture Ornament, Bd. 2, London 2013, S. 486f, Nr. 200 (als italienisch, 17. Jahrhundert angegeben); Phillips, London: Old Master Drawings. To Include an Important Group of Drawings from the Pozzo / Albani Collection, Mittwoch, 12. Dezember 1990, Los 219 (als italienische Schule, 18. Jahrhundert angegeben); Robin Halwas: Anonymous Roman Draughtsman. Study of the Borghese vase; Study of an antique vase from the Albani collection, London o. J. (eingesehen am 14.02.2022), pdf, S. 4 (als frühes 18. Jahrhundert angegeben).
5. Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), S. 49–52. Siehe New York, Cooper-Hewitt, Smithsonian Design Museum, Inv. 1938-88-6698, 1938-88-7305, 1938-88-7306, 1938-88-7307, 1938-88-7308, 1938-88-7309, 1938-88-7310, 1938-88-7311, 1938-88-7312, 1938-88-7333, 1938-88-7334, 1938-88-7335, 1938-88-7336, 1938-88-7337. Zudem finden sich dort Zeichnungen, die möglicherweise nach Stichen aus dem von Robert Adam 1764 herausgegebenen Band Ruins Of The Palace Of The Emperor Diocletian At Spalatro In Dalmatia kopiert wurden, für den Charles Louis Clérisseau teilweise Vorzeichnungen lieferte, siehe Inv. 1938-88-7313, 1938-88-7314, 1938-88-7315, 1938-88-7316, 1938-88-7317.
6. Jonas Åkerström kam 1788 mit einem Stipendium der Schwedischen Kunstakademie nach Rom, nachdem er zwei Jahre im Atelier von Louis-Jean Desprez in Stockholm gearbeitet hatte. In der ewigen Stadt schloss er schnell Freundschaften mit den anderen schwedischen Pensionären, darunter auch Gustaf af Sillén, und lernte zudem Persönlichkeiten wie Carl Frederic Fredenheim kennen, über den er auch in Kontakt mit Francesco Piranesi kam. Mit nur 36 Jahren starb Åkerström am 25. November 1795 in Rom an Tuberkulose. Seine nächtliche Beerdigung auf dem protestantischen Friedhof (Cimitero Acattolico) bei der Cestius-Pyramide vor den Toren der Stadt wurde zu einem wichtigen Ereignis, an dem viele der damals in Rom ansässigen internationalen Künstler und Architekten teilnahmen. Darunter waren auch Francesco und Pietro Piranesi, wobei der jüngere Bruder das Ereignis und seine Teilnehmer in einem Augenzeugenbericht festhielt. Diese Teilnehmerliste ist ein wichtiges Zeugnis, da sie nahelegt, dass die dort Anwesenden, wie z.B. die mit der Piranesi-Werkstatt assoziierten Namen wie Benedetto Mori, Tommaso Piroli, Annibale Malateste, Giocchino Lucarelli oder auch Felice Giani und Johann Christian Reinhart, sich untereinander kannten. Siehe dazu weiterführend Christina Huemer: An Eighteenth-Century Artist’s Funeral at the Protestant Cemetery in Rom, in: Giulio Carlo Argan (Hg.): Storia dell’arte 1969, S. 171–181. Unser Dank gilt Christoph Frank, der uns auf diesen Aufsatz hinwies.
7. Als vermeintlich antikes Relief wurde eine dieser Zeichnungen bereits 1977 durch Anna-Greta Wahlberg publiziert. Siehe Anna-Greta Wahlberg: Svenska konstnärers väg till antiken 1755–93. Jean Eric Rehn, Johan Pasch, Georg Fröman, Erik Palmstedt och Gustaf af Sillén på studieresor till Italien, Stockholm 1977, S. 115 und 117, Abb. 134.
8. Zum Beispiel vermischten François-Joseph Bélanger und Lhuillier antike, renaissancezeitliche und eigens entworfene Motive in der 1779–1781 ausgeführten Dekoration des Speisezimmers im Schloss Maisons-Laffitte bei Paris. Siehe auch Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), siehe S. 15, 22, 24, 59.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Wie auch bei anderen Motiven aus diesen Klebealben gezeigt werden konnte, nutzte Piranesi diese heute in Karlsruhe aufbewahrten Zeichnungen (IX 5159-35-20-1 und IX 5159-35-20-2) für seine ornamentalen Assemblagen (siehe unter anderem IX 5159-35-1-1, IX 5159-35-12-1). So wurde das Friesstück IX 5159-35-20-1 in einen neuen dekorativen Kontext integriert und als Kaminsturz auf Tafel 43 der Diverse Maniere eingesetzt (Abb. 8).
Abb. 8: Giovanni Battista Piranesi, Kamin mit Fries im Detail, Radierung, in: Diverse maniere d’adornare i cammini, Taf. 43, Rom 1769 Museumslandschaft Hessen Kassel, Kupferstichkabinett, SM-GS 6.2.692, CC BY-NC-SA 3.0 An den Friesrändern wurde jedoch jeweils ein weiterer Schild hinzugefügt, um das Motiv, das nur durch die zwei leicht unterschiedlichen Viktorien aufgelockert wird, symmetrisch zu rahmen.
An diesem Beispiel wird klar, wie Piranesi in den Tafeln der Diverse Maniere sein antikisierendes, ornamentales Repertoire zu neuen Assemblagen zusammenfügte und damit, reich an visuellen Assoziationen, völlig neue Gegenstände schuf. Diese konnten den zeitgenössischen Architekten auch als Quelle für ornamentale Motive dienen (siehe auch IX 5159-35-29-4; IX 5159-35-12-1).Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
- Zuschreibungshypothesen
Die Zeichnung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die aus der Motivsammlung der Piranesi Werkstatt stammt, kann aus stilistischen Gründen mit einer gewissen Sicherheit Nicolas François Daniel Lhuillier zugeschrieben werden (siehe auch Essay „Stilistische Gruppen“, Gruppe 4 und IX 5159-35-38-1). Wie im Vergleich der Details gezeigt werden konnte, ist bislang keine weitere Darstellung in einer anderen Sammlung gefunden worden, die mit der einst in der Piranesi-Werkstatt vorhandenen Fassung des Frieses übereinstimmt. Die weiteren Wiederholungen gleichen stattdessen der ebenfalls Lhuillier zuzuschreibenden Variante in Rötel aus dem Pariser Kunsthandel.
Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie
- Merkmale des Papiers
Ohne Wasserzeichen
Herstellungsmerkmale:
Gebläut (Details 1 und 2), mittlere Stärke, sehr nachgiebig (flexibel); typische Merkmale der als holländisch identifizierten Papiere: Metalleinschlüsse (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); ebenmäßige, fein strukturierte, poröse, leicht aufgeraute Oberfläche (Detail 3) mit schwach ausgeprägter Filzmarkierung und gleichmäßiger, deutlicher Siebmarkierung; matte Oberfläche; vermutlich gelatinegeleimt.
Detail 1: Auflicht
Bläuung des Papiers durch Zugabe eines PigmentsDetail 2: AuflichtBläuung des Papiers durch blaue Fasern (kurze, dicker Faser links unten, längliche senkrechte rechts)
Detail 3: Streiflicht
Struktur der leicht aufgerauten PapieroberflächeMaria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide: schwach bis akzentuiert aufgetragen, feine, matte Linien, streifiger Strich (Detail 3), Abrieb vor allem in den Vertiefungen der Papieroberfläche (Detail 4), grautoniges Gesamtbild; feiner, die Papierfasern ummantelnder Auftrag; feine Körnigkeit; in akzentuierten Bereichen furchiger Strich, teils beriebenes Erscheinungsbild.
Nicht zum zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: Spritzer einer schwarzen, glänzenden Zeichentusche (Kohlenstoff) verso, bei der es sich vermutlich um Spuren aus dem Pausprozess in der Weinbrennerschule handelt.
Detail 3: Auflicht
Auftrag in schwarzer Kreide, streifiger StrichDetail 4: Auflicht
Kreideauftrag, Abrieb vermehrt in den Vertiefungen der PapieroberflächeMaria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnung erscheint in einem einheitlichen, vollendeten Gesamtbild. Sie ist sehr fein und ausführlich in schwarzer Kreide gezeichnet. Schatten und die Körperlichkeit der Figuren wurden mit fein verlaufenden Übergängen dargestellt, Schlagschatten mit flächiger Schwarzfärbung, einige hellere Schattierungen auch mit Parallelschraffuren. Auf der Zeichnung sind keine unterliegenden, gepausten Linien erkennbar, obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass feine Pauslinien, wie sie rückseitig erhalten sind, vollständig überzeichnet worden sein könnten. Möglich ist eine nur teilweise übertragene Pause, die als Orientierungshilfe für die darauf ausgeführte ausführende Zeichnung diente (siehe auch Prozesse historischer Nutzung). Auf dem Schild der Victoria links sind jeweils mittig auf den sich überkreuzenden Formen zwischen den Blüten der Borte Eindrücke zu finden, die als Abstandsmarkierungen dienten (Detail 5). Obwohl der dargestellte Fries eigentlich einteilig ist, wurde die Zeichnung von vornherein in zwei Teilen angelegt: Beide Teile sind abschließend in rundum verlaufende Rahmenlinien eingefasst, die diese Unterteilung unterstreichen. Ein schmaler Abschnitt am rechten Rand der oberen Zeichnung wiederholt sich im zweiten Blatt am linken Rand und weist dadurch auf die tatsächliche Zusammengehörigkeit hin. Das Papier weist kein Wasserzeichen auf, ausgehend von seinen Oberflächeneigenschaften und der gleichmäßigen Siebstruktur ist jedoch eine niederländische Herkunft wahrscheinlich. Das Papier wurde leicht in der Masse gebläut, wie einzelne blaue Papierfasern und hellblau Partikel im Papiervlies belegen. Das großformatige Papier entspricht der von Lhuillier bevorzugt verwendeten Sorte.
Detail 5: Auflicht
In der Mitte der sich überkreuzenden Bänder wurden mit einem spitzen Gegenstand die Strecken des sich wiederholenden Musters durch Eindrücken markiertMaria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An vier Kanten beschnitten; eine durchgehende waagrechte und mehrere senkrechte Knickfalten; verso Klebepunkte und dort anhaftende Papierfragmente an den Ecken (frühere Montierung) und in der Mitte der langen Blattkanten (Durchlicht, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt; siehe UVF IX-5159-35-20-1 verso, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); Einstiche von Stecknadeln an den kurzen Seitenkanten; ungleichmäßige, Klebeflecke und anhaftende Reste von Transparentpapier recto (Hinweis auf die Nutzung in der Weinbrennerschule, UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Verso ist in dünnen Kreidelinien die reine Konturzeichnung des Frieses auf dem jeweiligen Blatt zu erkennen. Dieses „Schattenbild“ erscheint versetzt und seitenverkehrt, Jedoch in der Form sehr ähnlich und gleich groß. Diese Pause wurde vermutlich absichtlich auf die Rückseite gezeichnet und entstand nicht durch Lagerung eines benutzten Pauspapiers wie beispielsweise bei IX 5159-35-40-1. Die Linien sind zwar ungleichmäßig stark, jedoch klar, also nicht verwischt, und liegen ohne Dopplung vor, die durch das Verrutschen eines nur lose aufliegenden Blattes hervorgerufen worden wäre. Ungeklärt bleibt, ob die Pause direkt von der Zeichnung auf der Vorderseite genommen wurde. Eine Übertragung auf die Rückseite eines bereits verwendeten Blattes scheint unwahrscheinlich. Eine andere Möglichkeit ist, dass es sich um eine verworfene, da undeutlich übertragene Pause einer anderen Zeichnung handelt, deren Ausführung dann in zweitem Versuch auf die Vorderseite geschah. In diesem Fall bleibt die Frage offen, weshalb beide Versionen seitenverkehrt zueinander vorliegen.
Das Blatt weist, bis auf Stecknadeleinstich an den Rändern, wenig Hinweise auf einen Kontakt mit geöltem Papier auf. Möglich ist jedoch auch die Zuhilfenahme eines mit Kreidestaub eingerieben Kopierpapiers.Die Zeichnung wurde von Weinbrenner-Schülern abgepaust. Neben erhaltenen Pausen (Geier-Skizzenbuch, SAAI, S. 108) haben sich ebenfalls Hinweise auf diesen Prozess auf den Zeichnungen in der Form von Klebepunkten und anhaftenden Stücken Transparentpapiers des 19. Jahrhunderts (Detail 6), sowie ein Spritzer einer tiefschwarzen Zeichentusche mit deutlichem Bindemittelanteil, im Erscheinungsbild vergleichbar chinesischer bzw. der sogenannten „India ink“ Tusche) erhalten.
Detail 6: Auflicht
Rückstände eines Transparentpapiers liefern Hinweise auf die Verwendung der Zeichnung im Unterricht in der Weinbrennerschule zum Zweck des Abpausens.Montierungshistorie
Die Blätter weisen zweifache Spuren von früheren Aufbewahrungsabschnitten auf: Einerseits in Form von Klebepunkten Verso, die auch einen Hinweis darauf geben, dass das zweite Blatt zu einem früheren Zeitpunkt rechts weniger weit eingeklappt war (stattdessen vielleicht beidseitig, wie IX 5159-35-16-2), andererseits in Form einer umlaufenden zirka zentimeterbreiten Verklebung verso des zweiten Blattes. Die anhaftenden Papierfragmente und Klebepunkte der früheren Montierung weisen Insektenfraß auf. Auf einem der Klebepunkte auf der Rückseite des zweiten Blattes haftet ein weiterer Klebepunkt auf.
Die unterschiedlichen Montierungsspuren auf den beiden Blättern sprechen für eine zwischenzeitliche Präsentation von IX 5159-35-20-2. Die Montierung mithilfe einer Anränderung könnte ebenfalls für eine in eine Buchseite integrierte Aufbewahrung sprechen, bei der ein Fenster für die Rückseite geschnitten wurde. Ein solches Vorgehen wurde bei den Zeichnungen Lhuilliers im Nachlass Vogel/Escher der Zentralbibliothek Zürich (FA Escher vG. 188.6, z.B. S. 72, bzw. 78) gewählt. Dies erscheint durch das extrem lange Format in diesem Fall jedoch unwahrscheinlich.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- Fries
- Holländisches Papier
- Schwarze Kreide
- Pause
- Stilistische Gruppe 04
- Palazzetto Massimo istoriato
- IX 5159-35-20-1
- Weinbrennerschule
GND-Begriffe
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