Auf der Rückseite der detailliert wiedergegebenen Frontalansicht ist die sogenannte “Stowe-Vase” mit raschem, skizzierenden Strich in perspektivischer Aufsicht dargestellt. Am unteren Rand des Papiers sind eine schräge Knickkante sowie zahlreiche Fingerabdrücke gut erkennbar. Entlang dieser Unterkante war das Blatt ursprünglich auf ein Unterlagepapier aufgeklebt. So konnte es entlang des Knicks gewendet werden, um die in Frontalansicht angelegte Vase ebenfalls aufrecht stehend betrachten zu können. Dieser Wechsel von perspektivischer und frontaler Ansicht vermittelte einen umfassenden Eindruck des dreidimensionalen Objekts.
Werkdaten
Künstler
Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) (?) und/oder Zeichner der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 2
Ort und Datierung
Rom, zwischen 1769 und 1775
Abmessungen (Blatt)
510 x 312 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-40-1v
- Zeichenmedien
Schwarzer Stift mit fettigem Bindemittel; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Georg Kabierske: Vasi, urne, cinerarie, altari e candelabri. Newly Identified Drawings for Piranesi’s Antiquities and Sculptural Compositions at the Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, in: Francesco Nevola (Hg.): Giovanni Battista Piranesi. Predecessori, contemporanei e successori: Studi in onore di John Wilton-Ely, Rom 2016, S. 245–262, hier S. 249.
- Hadernpapier
Vergé; italienische Herstellung (Papiermühle Odescalchi in Bracciano, Latium); Zeichnung auf der Siebseite; weitere Informationen, siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Das Werk im Detail
- Beschreibung und Komposition
Wie auf der Vorderseite (IX 5159-35-40-1) ist auf dieser heutigen Blattrückseite auch eine Ansicht der Stowe-Vase dargestellt. Diese in der Werkstatt Piranesis aus antiken und neuen Marmorstücken geschaffene Assemblage war 1775 von George Grenville erworben und in seinem Landhaus Stowe in England aufgestellt worden (Abb. 1). Heute befindet sie sich im Los Angeles County Museum of Art (für ausführlichere Informationen siehe den Katalogtext zur Vorderseite). Bis zur temporären Ablösung des Blattes durch Maria Krämer im Rahmen des Piranesi-Forschungsprojekts an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe war diese spektakuläre Zeichnung nicht sichtbar.
Von einem erhöhten Standpunkt blickt der Betrachter auf das mit dem Sockel über Eck gestellte Gefäß, das dadurch in plastischer, dreidimensionaler Form erscheint. Im Gegensatz zur zweidimensionalen Frontalansicht auf der Vorderseite ist hier das Augenmerk auf den komplexen Aufbau der Schlangenhenkel gelegt, die in zwei Strängen seitlich aus je einer Blattknospe wachsen, sich jeweils teilen und somit auf jeder Schmalseite zwei Henkelpaare bilden. Nicht ganz geglückt ist die Wiedergabe der perspektivisch annähernd zu einem Oval verkürzten Vasenöffnung sowie die entsprechende Rundung des Vasenkörpers, der tendenziell zu flach wiedergegeben ist und vor allem im unteren Abschluss nicht die starke Schrägperspektive der Vasenöffnung berücksichtigt. Der Sockel wirkt außerdem kleiner und schwächer als auf der Blattvorderseite und in der Marmorversion. Im Gegensatz zur präzisen und sorgfältig konstruierten Zeichnung auf der Vorderseite sticht hier der lebendige, den Gegenstand in kräftigen routinierten Strichen in schwarzer Kreide erfassende Duktus hervor, der besonders in der Darstellung der Schlangenhenkel sichtbar ist. Trotz des summarischen Vorgehens lassen sich im Blick auf die Marmorvase nahezu alle Elemente identifizieren. In Kürzeln angedeutet ist das Palmettenornament am Vasenhals, während die Lanzettblätter am Übergang zum Vasenfuß in ihrer Grundgliederung angelegt sind. Skizzenhaft erfasst ist das Weinreben-Eroten-Relief im Verlauf seiner bogenförmigen, sich überkreuzenden Ranken und Eroten.
Es scheint sich wie im recto (IX5159-35-40-1) um die Wiedergabe der Reliefansicht mit dem rechts oben mit angezogenen Beinen auf einer Ranke sitzenden Eroten zu handeln, der mit erhobenem Blick seinen linken Arm nach oben führt, während der rechte mit einem Traubenklotz in der Hand herabhängt. Dieser Erote ist auch auf der Fotographie einer der Schmalseiten der Marmorfassung links vom Henkel zu sehen (Abb. 2, oben). Auch wenn keine vollständige Fotographie der Vasenrückseite vorliegt, ist der dort äquivalent oben rechts platzierte Erote auf der Fotographie der anderen Schmalseite zu erkennen (Abb. 2, unten). Dieser sitzt zwar auch auf einer Weinranke, hat jedoch das eine Bein ausgestreckt, das andere ist angewinkelt. Diese Körperhaltung entsprich damit eben nicht der Karlsruher Kreidezeichnung, weshalb diese eine Ansicht der Frontalseite zeigen muss.
Georg Kabierske
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Vielleicht handelt es sich hier um eine Entwurfszeichnung für die „Restaurierung“ der Marmorvase, in der Piranesi seine erste Idee für deren Gesamtkomposition festhielt. Neben der überaus spontanen und suchenden Linienführung entsteht anhand der dunklen Schraffuren am unteren Rand des Vasenkörpers wie auch im Blick auf den höher ausgreifenden, fast bis an den Abschlussrand des Vasenbauches reichenden Schwung der oberen Ranke der Eindruck, als sei das Weinreben-Eroten-Relief zunächst sehr viel größer, ausgedehnter geplant gewesen und erst in einem zweiten Entwurfsschritt der Lanzettblattfries kräftig darüber skizziert worden (Abb. 3). Für diese These sprechen auch Piranesis eigenhändige Zeichnungen für Marmorkompositionen im Taccuino B der Bibliotheca Estense in Modena (Abb. 4).[1] Diese Skizzen sind zwar deutlich kleiner, weisen jedoch einen vergleichbaren spontanen und zügigen Duktus sowie eine ähnliche summarische Wiedergabe der skulpturalen Form auf.
Diese These könnte auch erklären, weshalb auf der heutigen Vorderseite des Karlsruher Blattes die Stowe-Vase erneut, aber zu einem anderen Zweck dargestellt wurde. Nachdem unsere Entwurfsskizze ihren Zweck erfüllt hatte, könnte demnach das Blatt umgedreht und in dem für die Piranesi-Werkstatt üblichen Verwertungsprozess von Makulaturpapieren abermals als Zeichengrund genutzt worden sein.
Ob die skizzenhafte Ansicht der Vase tatsächlich auch vor der Frontalansicht der Vorderseite entstanden ist, ist schwer zu sagen. Zumindest entstanden die zufälligen Kontaktabdrücke mit einer Rötelpause des Vasenhenkels am unteren Rand der Rückseite, die im Zeichenprozess der Vorederseite Verwendung fand, nachdem die perspektivische Skizze bereits vorhanden war (siehe Prozesse historischer Nutzung). Alternativ könnte es sich auch um den Entwurf für eine perspektivische Ansicht handeln, die vielleicht für die Vasi, candelabri vorgesehen war, dann aber verworfen wurde. Es bleibt Spekulation, ob Piranesi auch für die anderen in Karlsruhe erhaltenen Vasen- und Kandelaberzeichnungen gleichartige spontane Zeichnungen angefertigt haben könnte, die anschließend von Werkstattmitarbeitern in lesbare und für die Umsetzung in die Radierung detailliertere Zeichnungen übertragen wurden. Aufgrund des skizzenhaften Charakters der Zeichnung ist diese zweite These jedoch weniger wahrscheinlich.
Im Verhältnis zum recto steht die Zeichnung des verso überdies auf dem Kopf. Maria Krämer entdeckte, dass die Zeichnung zu einem Zeitpunkt vor der Montierung in diesem Album jedoch hier an der Unterkante auf der recto-Seite aufgeklebt war und umgefaltet werden konnte, sodass man zeitweise beide Vasen aufrecht betrachten konnte (Siehe Historische Montierung). Wann und in welcher Absicht das geschah, ist jedoch unklar. Die Montierung könnte auch erfolgt sein, als die Zeichnungen ihre Ursprüngliche Funktion schon verloren hatten. Es muss nicht zwangsläufig ein direkter funktionaler Bezug zwischen recto und verso bestanden haben, als die Frontalansicht der Stowe-Vase gezeichnet wurde.
Da nur ein zufälliger Ausschnitt aus dem Material der Piranesi-Werkstatt vorliegt, müssen Versuche zur Rekonstruktion von Kausalitäten und wechselseitigen Abhängigkeiten grundsätzlich mit Vorsicht betrachtet werden. Denn wir wissen nicht, wie viele weitere Zeichnungen es zu den Marmorkompositionen noch gegeben hat und wie genau der Restaurierungs- und Kompositionsprozess in der Kommunikation mit den beauftragten Bildhauern ablief. Welchem Zweck die vorliegende Zeichnung diente, ist daher nicht eindeutig zu beantworten.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Siehe Mario Bevilacqua: Piranesi, Taccuini di Modena, 2 Bde., Rom 2008, Bd. 1, S. 206, Bd. 2, ms. Campori 1522 (gamma.y.06.32), fol. 9v-15.
- Zuschreibungshypothesen
Aufgrund des spontanen und kraftvollen Charakters der Zeichnung ist wahrscheinlich von Giovanni Battista Piranesi als deren Urheber auszugehen. Für den stilistischen Vergleich bieten sich die bereits erwähnten Studien für Marmorkompositionen im Taccuino B der Bibliotheca Estense in Modena an. Auch dort wurden ornamentale Details nur summarisch in Kürzeln angedeutet, wie zum Beispiel die Kanneluren in einem Vasendeckel (gamma.y.6.32, fol. 14r), die sich in ihrer hakenförmigen Strichführung mit jenen des Vasenfußes der Stowe-Vase vergleichen lassen (Abb. 5).
Ebenso trifft dies auf das teilweise mehrfache und schnelle Umreißen der Konturen zu. Charakteristisch für Piranesi sind zudem die kraftvollen Zickzack- oder Bogenschraffuren zur Angabe von Schattierungen, wie sie am Vasenkörper und auf dem Untergrund von oben nach unten durchlaufen. Im Skizzenbuch in Modena findet man diese etwa auf fol. 13v und 14v oder beispielsweise auf der topographischen Ansicht der kleinen Bäder der Hadriansvilla bei Tivoli im Metropolitan Museum in New York (Abb. 6).
Unter diesem Gesichtspunkt weist die Zeichnung auch einen engen Bezug zur bemerkenswerten Figurenkomposition IX 5159-36-15-1 auf, die ebenso Giovanni Battista Piranesi zuzuordnen ist (Abb. 7).
Außerdem sei noch auf die leider nur mehr fragmentarisch überlieferte Studie eines der Rhyta von der Freitreppe der Villa Borghese in der Morgan-Library in New York (Inv. 1966.11:31 verso) hingewiesen, die wahrscheinlich auch Piranesi zuzuordnen ist. Als eine seiner wenigen erhaltenen Zeichnungen in schwarzer Kreide ist ihr eine ähnlich krakelige Auffassung des vegetabilen Blattdekors zu eigen, der/das? wiederum mit schnellen Schraffuren und Kringeln gefüllt wurde (Abb. 8).
Schlussendlich fallen noch die angedeuteten Akanthusmotive am Hals der Stowe-Vase ins Auge. Aus summarischen Kringel-, Strich- und Hakenformen rasch zusammengesetzt, lassen sie sich stilistisch mit den ebenso flott angedeuteten und für Piranesi ganz typischen Staffagefiguren in so manch einer seiner Stadt- oder Ruinenansichten in Bezug setzen (Abb. 9).
Georg Kabierske
- Kunsthistorische Wertung
Bei dieser Darstellung der Stowe-Vase handelt sich nicht wie bei den Blättern der Gruppe 11 um eine komplexe und möglicherweise von mehreren Händen ausgearbeitete Vorstudie für eine Radierung, sondern sie lässt uns am dynamischen und kraftvollen Entwurfsprozess von Giovanni Battista Piranesi selbst unmittelbar teilhaben. Möglicherweise entstand sie im Kompositions- und Restaurierungsprozess der Marmorvase, oder diente als Projektidee für eine dann nicht weiter ausgearbeitete Druckgraphik in perspektivischer Ansicht. Die Skizze beeindruckt nicht nur durch ihren spontanen, lebendigen Zeichenduktus und den besonderen Blickwinkel, welcher der Darstellung eine spezielle Dynamik verleiht, sondern auch durch ihre außergewöhnliche Größe. Damit ist sie im Karlsruher Bestand, wenn nicht sogar im gesamten erhaltenen beziehungsweise bekannten Material der Piranesi-Werkstatt einzigartig.
Georg Kabierske
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Belege:
Andrew Robison: Piranesi: Early Architectural Fantasies. A Catalogue Raisonné of the Etchings, Washington, D.C., National Gallery of Art, Chicago 1986, S. 221–224, S. 227, Nr. 59 und 60 (Varianten, Mitte der 1770er–1790er Jahre; mittlere bis späte 1790er Jahre); Eugenio Mariani: Le filigrane della cartiera Odescalchi di Bracciano, in: Paper as a Medium of Cultural Heritage. Archaeology and Conservation. 26th Congress – International Association of Paper Historians. Istituto centrale per la patologia del libro, Rom 2004, S. 374–380, S. 376 (Odescalchi Papiermühle: 1725–ca. 1810; keine Abbildung)
Sammlungen
Karlsruher Alben:
Variante mit Gegenmarke: Newdigate-Kandelaber, IX 5159-35-46-1Herstellungsmerkmale:
ungefärbt; Papier von hoher Stärke und Festigkeit; stark knötchenhaltiger Faserstoff; deutliche Filzmarkierung; gelatinegeleimt (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt), per Hand geglättet (deutliche Glanzspuren)
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarzer Stift mit fetthaltigem Bindemittel: Kompaktes Erscheinungsbild in deckenden Bereichen (Detail 1 und 2); innerhalb pigmentarmer Bereiche des Stiftabriebs gelbliche, kompakte Ablagerung auf den Höhen des Papiers (Detail 1, links unten); bei reflektiertem Licht Glanz ähnlich moderner Wachskreide (Detail 2; vgl. auch mit UVR, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); bei festem Druck furchiger Strich; im Bereich des linken Henkels und vereinzelt an Konturen tiefschwarz akzentuierend (IRFC, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Rötel: Schwach sichtbar mehrere, nachträglich durch Kontakt entstandene Abdrücke einer Rötelpause auf geöltem Papier, angefertigt in Zusammenhang mit der Ausführung der Henkel recto (Stowe-Vase, IX 5159-35-40-1) (Details 3 bis 5; UVR, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt; UVFC, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); abgeschnittene Rötellinie am rechten Blattrand.
Detail 1Fetthaltiger schwarzer Stift
Detail 5Rötelpause, einzelne Linien (Blätter am Vasenrand und kannelierter Henkel)
Maria Krämer
- Nutzungsmerkmale und Alterungsspuren
An allen vier Kanten beschnitten; Klebepunkte recto (historische Montierung, UVR, Abb., zoomen Sie hier in das Werk IX 5159-35-40-1) am oberen Blattrand, oberhalb eines scharfen Knicks (Streiflicht, Abb., zoomen Sie hier in das Werk IX 5159-35-40-1); keine Klebepunkte verso; zwei senkrechte Blindlinien entlang der rechten Kante, entstanden nach Fertigstellung der Zeichnung.
Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Vase ist in einer Schrägansicht von links oben in einem energischen, mehrfach korrigierenden Strich skizzenhaft ausgeführt. Die abgebildete Seite der Vase entspricht vermutlich derjenigen auf der anderen Blattseite (siehe Beschreibung und Komposition). In dieser perspektivischen Darstellung ist der Untergrund mit wenigen horizontalen Strichen angelegt, die links vom Vasensockel die Kante einer Standfläche und rechts einen Schlagschatten andeuten. Die gewählte Perspektive gibt den Blick auf die ovale Vasenöffnung frei und lässt erkennen, dass sich die Schlangen der beiden Henkel jeweils doppelköpfig an den Öffnungsrand anlegen. Die an den Henkeln gehäuften Korrekturstriche zeugen von dem Interesse an ihrer räumlichen Wiedergabe und zugleich von der Schwierigkeit, die geschwungene Form perspektivisch wiederzugeben. Auch der Vasenkörper wurde mehrfach konturiert, ablesbar etwa an dem tiefschwarzen Strich links direkt oberhalb vom Ansatz des Vasenfußes.
Die Zierelemente sind nur summarisch wiedergegeben, dennoch sind sie in jedem Abschnitt der Vase mindestens in einem Rapport notiert. Die Motive sind weitgehend frei von intensiver Überarbeitung, so etwa das im Vasenkörper skizzierte Rankenmotiv. In diesem Bereich ist der Strich leicht und fluide, eine Qualität, die er allerdings bei der schwierigen Ausarbeitung der Henkel verliert. Die Schattenpartien wurden in breiten Schraffuren von nahezu parallelen Strichen wiedergegeben, teils auch schlaufen- oder zickzackförmig und gelegentlich in einer unregelmäßigen Kreuzschraffur.
Das im unteren Teil des Blattes mit nur wenigen Strichen angedeutete Oval spricht für einen ersten Versuch, die Vase frontal ausgerichtet von schräg oben zu zeichnen. Der Zeichner erkannte vielleicht früh, dass in dieser Perspektive die geschwungene Form der Henkel unzureichend darstellbar wäre und drehte das Blatt um 180 Grad, um die Zeichnung in einer leicht nach links gerichteten Perspektive auszuführen. Die beiden auf einem Blatt kombinierten Ansichten der Vase ergänzen sich dadurch inhaltlich.
Welche der beiden Seiten zuerst angelegt wurde, lässt sich anhand der materiellen Spuren nicht eindeutig nachvollziehen. Zwar liegen über der Skizze in schwarzem Stift Rötelspuren, die von der Nutzung der Frontalzeichnung auf der heutigen Vorderseite des Blattes stammen (siehe Historische Nutzung unten), diese könnten sich jedoch erst nach der Bezeichnung beider Seiten, etwa während einer späteren Lagerung des Blattes in Piranesis Werkstatt, übertragen haben. Die Interpretation der Zeichnung als ein erster Entwurf in der Entwicklung des Marmorkraters würde klar dafür sprechen, dass sie in der Abfolge zuerst entstand – es müsste dann allerdings verwundern, dass für diese wichtige Vorzeichnung der Radierung ausgerechnet dieses schon so stark mit schwarzem Stift bedeckte Blatt wiederverwendet wurde. Man würde in diesem Fall erwarten, dass das Anfertigen der detailreichen Zeichnung auf der Vorderseite Spuren auf der rückseitigen Skizze hinterlassen hätte. Allerdings ist anhand der Zirkeleinstiche recto nicht nachzuvollziehen, ob diese auf ein leeres oder bereits bezeichnetes Blatt trafen. Zu erwarten ist in so einem Fall, dass schon vorhandene Zirkeleinstiche recto beim kräftigen Zeichnen verso auf dem rings um die Einstichlöcher hochgedrückten Papier vermehrt Ablagerung eines Zeichenstifts erzeugen; Einstiche durch eine schon ausgeführte Zeichnungslinie müssten diese unterbrechen, weil das Papier rings um den Einstich hochgedrückt wird. Bei der Stowe-Vase verunklären allerdings Berieb und Abnutzung diese winzigen Bereiche.
Maria Krämer und Irene Brückle
- Prozesse historischer Nutzung
Auf dem Blatt haben sich unten rechts deutliche Spuren der Rötelpause erhalten (Abb. 1; siehe auch UVFC, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt), die in Zusammenhang mit der Zeichnung recto genutzt wurde. Vom linken Henkel abgenommen diente sie dazu, den rechten Henkel einzufügen (Stowe-Vase, IX 5159-35-40-1). Auf die Rückseite in erkennbarer Form übertragen konnte sich diese (heute verlorene) Pause auf geöltem Papier nur durch einen temporären direkten Kontakt unter leichtem Pressdruck, vielleicht während einer gestapelten Lagerung. Durch ein Verrutschen der Rötelpause wurden die Konturen mehrfach auf das Blatt abgedruckt. Ein analoger Fall liegt bei der Zeichnung des Rhyton-Kandelabers (IX 5159-36-30-1 und IX 5159-36-30-1v) vor.
Zwei nach dem Zeichnen angelegte Blindlinien entlang der rechten Blattkante könnten als Hilfslinien zum Zuschneiden des Blattes gedient haben. Vielleicht wurde eine Zeichnung abgetrennt, die sich am Rötelstrich der rechten Kante angeschlossen haben mag.
Die zahlreichen, schwärzlichen Fingerabdrücke insbesondere entlang der Unterkante und in der linken oberen Ecke bezeugen eine intensive Handhabung des Blattes (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt). Insektenschmutz, erkennbar in zahlreichen, dunklen Punkten insbesondere an den Ober- und Unterkanten (UVF), belegen eine längere relativ ungeschützte Aufbewahrung der Zeichnung.
Maria Krämer und Irene Brückle
- Historische Montierung
Diese Skizze der Vase war ursprünglich recto entlang ihrer Unterkante auf ein Unterlagepapier aufgeklebt. So konnte das Blatt entlang der Knickkante gewendet werden, um die dort in Frontalansicht angelegte Vase ebenfalls aufrecht stehend betrachten zu können. Die starken Knicke nahe der ehemaligen Verklebung an der Unterkante legen nahe, dass das Blatt in dieser Montierung mehrfach umgeschlagen wurde (Abb. 2).
Maria Krämer
Schlagwörter
- Vasi, candelabri
- Schwarzer Stift
- Giovanni Battista Piranesi
- Piranesi-Werkstatt
- Italienisches Papier
- Stilistische Gruppe 02
- Papiermühle Odescalchi
- Verso
- IX 5159-35-40-1v
- Name „Bracciano”
- Schlange
- George Grenville
- Stowe-Vase
- Grenville-Vase
- Buckingham-Vase
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