Monumental, detailreich und idealisiert: diese drei Merkmale fallen in der Zeichnung auf den ersten Blick auf. In der Spätantike und im Mittelalter war es üblich, antike Fragmente und Bauornamente bei der Konstruktion von Kirchen in Rom wiederzuverwenden. So wurden mittelalterliche Kirchen zu wichtigen „Schaufenstern“ antiker Gegenstände und zu interessanten Besichtigungsorten für Künstler auf der Suche nach leicht zugänglichen antiken Ornamenten. Diese Säulenbasis vom Baptisterium der Lateranbasilika wurde im 18. Jahrhundert vor allem durch Zeichnungen von Lhuillier verbreitet.
Werkdaten
Künstler
Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793), Gruppe 4
Ort und Datierung
Rom, vermutlich zwischen 1755 und 1768
Abmessungen (Blatt)
394 x 614 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-38-1
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), hier S. 36, Abb. 57.
- Hadernpapier
Vergé; holländische Herstellung (Van der Ley, Zaan Distrikt); Zeichnung auf der Filzseite
- Rückseite
waagrechte Konstruktionslinien in schwarzer Kreide
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Vorbild für diese großformatige Zeichnung ist eine antike Säulenbasis, die als Spolie für den Bau des Baptisteriums der Lateranbasilika verwendet wurde. Heute als Battistero Lateranense di San Giovanni in Fonte bezeichnet, war es im 18. Jahrhundert unter den Namen Baptisterium des Konstantin bekannt. Dieser Name bezog sich auf den ersten Bau, der Mitte des 4. Jahrhunderts von Kaiser Konstantin unter Papst Silvester I. (314–335) gebaut wurde.[1] Genauer ist die Basis rechts – mit einem vergleichbaren Gegenstück links – der Eingangstür zur südöstlichen Vorhalle platziert, die zuvor den Haupteingang bildete (Abb.1a und b). Bei der Vorhalle, die auch als Kapelle der heiligen Rufina und Secunda bezeichnet wird, handelt es sich um einen spätantiken Bau, über den nur wenig bekannt ist.[2]
Abb. 1a: Baptisterium der Lateranbasilika, Rom, südöstliche Seite, Vorhalle
Foto: Bénédicte Maronnie, CC0 1.0Abb. 1b: Baptisterium der Lateranbasilika, Rom, südöstliche Seite, Vorhalle: Rechte Säulenbasis
Foto: Bénédicte Maronnie, CC0 1.0Dieses Blatt zeichnet sich durch eine monumentale und idealisierte Darstellungsweise des antiken Bauelements aus. Es handelt sich um eine Reinzeichnung, d.h. eine vollendete Zeichnung, die akkurat vervollständigt wurde. Hier wurden einzelnen Abschnitte der Basis mit Hilfe feiner Konstruktionslinien sehr präzise gezeichnet. Das Vorgehen bei der Ausführung sowie der Vergleich mit der antiken Vorlage im heutigen Zustand, machen deutlich, dass eine idealisierte Darstellung des Gegenstandes beabsichtigt war. Zerstörte und fehlende Partien wurden in der Zeichnung ergänzend rekonstruiert. Eine solche akkurate Darstellung dürfte eher nicht vor Ort ausgeführt, sondern auf Basis einer vorausgehenden Skizze später ins Reine gezeichnet worden sein.
Bénédicte Maronnie und Stefan Morét
Einzelnachweis
1. Zur Geschichte des Baus siehe Darko Senekovic: S. Giovanni in Fonte und S. Croce in Laterano, in: Peter Cornelius Claussen (Hg.): Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050–1300, Bd. 2: San Giovanni in Laterano, Stuttgart 2008, S. 355–383, hier S. 355.
2. Ebd., S. 376f.
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Eine Säulenbasis aus dem Baptisterium der Lateranbasilika erscheint in der Tafel 9 von Della Magnificenza dei Romani, publiziert 1761 (Abb. 2). Jedoch kann das Karlsruher Blatt dafür nicht als Vorzeichnung gedient haben, da es zu viele Unterschiede aufweist. Im Druck erscheint die Basis schmaler und länglicher, der Wellenrankenfries in der Fußplatte sowie der Blattkranz oben an der Säule, dehnen sich weniger in die Breite aus als in der Zeichnung. Dass sich der Druck auf die Basis vom Baptisterium bezieht, wird jedoch in der Legende bestätigt.[1]
Abb. 2: Giovanni Battista Piranesi, Säulenbasen aus der Basilika San Paolo fuori le Mura (oben) und der Lateranbasilika (unten), Radierung, in: Della Magnificenza dei Romani, Rom 1761, Taf. 9, Museumslandschaft Hessen Kassel, 2020, SM-GS 6.2.877
CC BY-NC-SA 3.0
Im Druck wird diese Basis zusammen mit einer anderen aus der Kirche San Paolo fuori le mura dargestellt. In der Tafel kommt die Vielfalt der ornamentalen Details und ihrer zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten auch innerhalb desselben Architekturelements deutlich zum Ausdruck. Auf dieses schöpferische Prinzip, das vorbildlich durch die antike Baukunst illustriert wird, stützte sich Piranesi selbst für seine dekorativen Assemblagen im Druck und in Marmor. In den Tafeln von Della Magnificenza stellt Piranesi die Bauornamente in deskriptiv-objektiver Weise dar, so dass eine Motivsammlung entsteht, die er in den Assemblagen der 1760er und 1770er Jahren künstlerisch und innovativ neukombinieren wird.
Ab Ende des 18. und Anfang des folgenden Jahrhunderts wurden Piranesis Drucktafeln von Della Magnificenza vorranging als Ornamentquelle und nicht aufgrund des zugrundeliegenden theoretischen Diskurs rezipiert. Dies betrifft Architekten auf internationaler Ebene, die vor allem im Rahmen der Zeichenausbildung mit Piranesis Werken bekannt sind, so u.a. in der Architekturschule von Friedrich Weinbrenner (1766–1826).[2] Die Zeichnung der Säulenbasis wurde von seinem Schüler Heinrich Geier (1802–1857) auf Transparentpapier abgepaust (Abb. 3).
Abb. 3: Heinrich Geier, Säulenbasis, schwarze Tusche auf Transparentpapier, 1817–1819, Karlsruhe, Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), KIT, Inv. Geier 1, fol. 111
CC0 1.0Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Die Legende des Druckes lautet: „Columna porphyretca cum spiro, in Baptisterio Constantini Magni imperatoris”.
2. Siehe zum Beispiel die Kopien nach Säulenbasen aus Della Magnificenza im ersten der aus Rom mitgebrachten Alben von Thomas Hardwick (1752–1829, in Rom 1776–1779, RIBA, Inv. VOS/1, erstes Klebealbum, fol. 71r).
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Eine Motivkette bildet sich aus den mehreren, in verschiedenen Sammlungen identifizierten gezeichneten Exemplaren der Säulenbasis. Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kopien ist nicht immer eindeutig zu definieren. In Zürich hat sich im Vogel-Escher-Album ein großes Konvolut solcher großformatigen Reinzeichnungen von Säulenbasen und Kapitelle erhalten. Darunter befindet sich ein vergleichbares Exemplar der Säulenbasis aus dem Baptisterium der Lateranbasilika (Abb. 4).
Abb. 4: Nicolas François Daniel Lhuillier (oder nach ihm?), Säulenbasis aus dem Baptisterium der Lateranbasilika, um 1764/65, schwarze Kreide, 630 x 406 mm, Zentralbibliothek Zürich, Vogel-Escher-Album, FA Escher vG.188.6, fol. 60 Die Zeichnungen stammen aus dem Besitz des Züricher Architekten David Vogel (1744-1808), der sich von 1763 bis 1765 in Rom aufhielt, um dort seine Ausbildung fortzuführen.[1] Briefe von Johann Friedrich Reiffenstein und Johann Joachim Winckelmann belegen, dass Vogel in Rom mit Lhuillier in engem Kontakt war. Vogel erhielt von seinem Lehrer Zeichnungen und lernte bei ihm auch das Zeichnen von Ornamenten.[2] Die vierzig Ornamentzeichnungen in Zürich stammen also aus dem römischen Kontext und sind 1764/65 in der Zeit von Vogels dortigem Aufenthalt zu datieren. Ob sie von Lhuillier und/oder von Vogel nach Lhuilliers Vorlagen gezeichnet wurden, ist vor dem Hintergrund des Bemühens um möglichst genaue stilistische Wiedergabe der Vorlagen nicht oder nur in einigen Fällen eindeutig zu beantworten. Es könnte sich bei diesen Blättern um die in Reiffensteins Briefen von 1764 erwähnten Zeichnungen handeln, die Vogel von Lhuillier zeichnen ließ.[3] Möglicherweise handelt es sich aber um die 40 an seinem Vater gesendeten Zeichnungen, die Vogel in einem undatierten Brief (vermutlich von Ende 1765) erwähnt.[4] In diesem Schreiben nennt Vogel den Autor der Zeichnungen nicht, als ob er sie zumindest zum Teil selbst angefertigt hätte. Aufgrund der schriftlichen Quellen zu Vogels Aufenthalt in Rom kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich darunter auch eigenhändige Zeichnungen Lhuilliers befanden. Die Zeichnungen gingen 1859 als Schenkung des Architekten und Schüler Weinbrenners, Hans Caspar Escher (1775–1859), an die Stadtbibliothek (heute Zentralbibliothek) Zürich über.[5]
Die Zeichnung der Säulenbasis in Karlsruhe ist einige Zentimeter größer als die in Zürich, die ebenso monumental erscheint. Die Wahl eines großen Formats für die Darstellung kann durch ihre Verwendung als Vorlagen im Zeichenunterricht erklärt werden. Beim genauen Betrachten beider Zeichnungen fallen Unterschiede in einzelnen Details auf, beispielsweise innerhalb der Wellenranke in der rechteckigen Fußplatte oder im Palmettenfries (Abb. 5).
Abb. 5: Detailvergleich zwischen Säulenbasis aus dem Baptisterium der Lateranbasilika, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-38-1, und Abb. 4
CC0 1.0Diese Veränderungen gründen wohl auf einem anderen Ergänzungs- bzw. Interpretationsvorschlag des antiken Motives in der idealisierenden Zeichnung. Der Vergleich mit dem antiken Vorbild zeigt jedoch, dass die Zeichnung in Zürich wohl nach der Säulenbasis links von der Tür der Vorhalle (Abb. 6) und die Karlsruher Zeichnung nach dem rechten Gegenstück (Abb. 1) gezeichnet wurde. Dies fällt vor allem in den Variationen der Blumen in der Fußplatte auf. Diese Unterschiede machen auch klar, dass trotz ihrer Ähnlichkeit die eine Zeichnung nicht direkt nach der anderen kopiert wurde. Wie in diesem Beispiel greift Lhuillier in seiner seriellen Zeichnungsproduktion häufig den repetitiven, jedoch variierenden Charakter der römisch-antiken Ornamentkunst auf. Dabei weisen die Zeichnungen innerhalb eines spezifischen Ausführungsmodus auch Unterschiede auf, wie man bei der Kopierpraxis von oder nach Zeichnungen Lhuilliers beobachten kann (siehe dazu Essay „Stilistische Gruppen“, Gruppen 5, 6 und 7). Betrachtet man den Wulst mit Flechtband in beiden Blättern, so merkt man, dass in der Züricher Zeichnung die Linien den Kurven des Motivs gleichmäßig folgen und die Schattenpartien stärker verwischt sind. In der Karlsruher Zeichnung sind die Schraffierungen hingegen auch gekreuzt, wirken wie flirrend und sind vor allem weniger verwischt (Abb. 7).
Abb. 6: Baptisterium der Lateranbasilika, südöstliche Seite, Vorhalle: Linke Säulenbasis
Foto: Bénédicte Maronnie, CC0 1.0Abb. 7: Vergleich eines vergrößerten Details der Säulenbasis aus dem Baptisterium der Lateranbasilika, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-38-1, und Abb. 4
CC0 1.0Die Zeichnungen in schwarzer Kreide aus der Sammlung Pacettis, die heute in der Kunstbibliothek Berlin aufbewahrt sind, stehen in der Qualität der Ausführung der Karlsruher Zeichnung näher als die Zeichnung der Säulenbasis in Zürich (Abb. 8).[6]
Abb. 8: Detailvergleich von Ornammentmotiven, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-38-1, und Lhuillier oder nach Lhuillier, 1770er Jahre, schwarze Kreide 132 x 195 mm und 135 x 314 mm, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, HdZ 621 und 617
Fotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Fotograf: Dietmar Katz, CC BY-NC-SA 3.0 DEAnhand dieser unterschiedlichen Qualität der Ausführung wird die Komplexität der Zuschreibungsfrage deutlich. Zum einen kann vermutet werden, dass die Züricher Zeichnung trotz der Unterschiede zur Karlsruher Zeichnung von Lhuillier gezeichnet wurde. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass Lhuillier während seines mehrjährigen Romaufenthalts (um 1755 bis 1768) die Bauornamente immer exakt gleich kopierte. Aufgrund der schriftlichen Quellen und des damaligen Kontextes des Zeichenunterrichts in Rom liegt zum anderen aber auch die Vermutung nahe, dass die Züricher Zeichnung 1765 von Vogel nach Lhuilliers Vorlage gezeichnet wurde. Dies würde bedeuten, dass Vogel am Ende seines römischen Aufenthaltes zu den begabtesten Nachahmer Lhuilliers zählte. Aufgrund der angestrebten Objektivierung des dargestellten Motivs durch die für Lhullier typische Zeichenart sowie des eher technischen als künstlerischen und zudem repetitiven Kopiervorgang durch andere Zeichner kommt die stilistische Händescheidung ohne Signatur oder zusätzliche schriftliche Quellen an ihre Grenzen. Eine weitere Zeichnung der linken Hälfte der Basis in Feder und Pinsel laviert ist in der Sammlung des Cooper-Hewitt Museums aufbewahrt (Inv. 1938-88-7309). Sie ist als Teil einer Gruppe von Blättern einer anonymen Hand von Georg Kabierske identifiziert worden.[7] Wenn, so Kabierske, für diese Zeichnung eine Vorlage Lhuilliers verwendet worden sein könnte, dann würde dies bedeuten, dass seine Zeichnungen nicht nur in Kreide nachgezeichnet wurden. Da aber das Motiv der Wellenranken im unteren Teil der Basis von den Kreidezeichnungen in Zürich und Karlsruhe abweicht, muss in diesem Fall eine weitere bislang nicht bekannte Kopie der Säulenbasis als Vorbild gedient haben.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, und die dort angegebene Literatur zu David Vogel, u.a. Martin Hans Gubler: Der Zürcher Architekt David Vogel (1744–1808): zu seinen Architekturstudien in Rom 1763-1765, in: Unsere Kunstdenkmäler: Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 25, 1974, S. 281–294.
2. Vgl. die Briefe von Reiffenstein an Johann Heinrich Füssli, 3. November und 31. November 1764, und von Winckelmann an Füssli, 19 Juni 1765, publiziert in Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 28f., S. 35–37.
3. Siehe Brief aus Rom von Reiffenstein an Johann Heinrich Füssli, 3 und 31 november 1964, zitiert in Ebd., S. 28, 36–37und Anm. 70 und 71.
4. Siehe unveröffentlichter Brief von David Vogel aus Rom an Johann Heinrich Füssli (1741–1825), nicht datiert (Ende des Jahres 1765), Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Inv. Ms M.1 370, fol. 109–107: “in dem weitlauffigen Fach des Ornaments habe ich bloß angefangen […]. Ich habe Meinem Vatter einige 40 Zeichnungen geschickt […].“ Mehr dazu siehe die Dissertation von Benedicte Maronnie (in Vorbereitung). Ich bedanke mich sehr herzlich bei Dr. Gabi Pahnke für die Hilfe beim Transkribieren dieses Briefes.
5. Siehe Bénédicte Maronnie mit Christoph Frank/Maria Krämer: Nouvelle lumière sur l’album de dessins Vogel-Escher de la Zentralbibliothek de Zurich. Copies et circulation de dessins d’architecture et d’ornements dans l’entourage de Johann Joachim Winckelmann, Giovanni Battista Piranesi et Nicolas François-Daniel Lhuillier, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 76, 2019, S. 19–44, S. 31f., und Schenkungen von Büchern Manuscripten & Münzen an die Bürger Bibliothek der Stadt Zürich, 1774–1860, 1859, S. 383, Inv. Arch St 22b.
6. Zu diesen zehn Zeichnungen in schwarzer Kreide (Inv. Hdz 614 bis 623), siehe Ekhart Berckenhagen (Bearb.): Die Französischen Zeichnungen aus der Kunstbibliothek Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Kritischer Katalog. Berlin 1970, S. 406f. Die Blätter tragen den Stempel der Sammlung Pacetti (Lugt 2057). Zur Geschichte der Sammlung Pacetti siehe Kurt Cassirer: Die Handzeichnungssammlung Pacetti, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 43, 1922, S. 63–96.
7. Georg Kabierske: Römische Lehrjahre. Zum Zeichnen und Sammeln von Bauornamentik in Rom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Universität München 2020, Masterarbeit (unpubliziert), S. 51f.
- Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Die Karlsruher Zeichnung der Säulenbasis ist halb so groß in der Raccolta des Bildhauers und Antikenhändlers Bartolomeo Cavaceppi abgebildet und stimmt motivisch bis auf wenigen Details (siehe zum Beispiel den Blattfries unter dem Lorbeerkranz) mit dem Druck überein (Abb. 9). Dies ist auch bei den in schwarzer Kreide ausgeführten Zeichnungen in Berlin der Fall, die in mehreren Tafeln der Druckserie exakt umgesetzt wurden und ursprünglich zu Cavaceppis Sammlung gehörten.[1] Aufgrund der Provenienz und der Übereinstimmung der Berliner Zeichnungen mit den Drucken liegt die Vermutung nahe, dass sie als Vorzeichnungen für Cavaceppis Drucktafeln dienten. Was ihre Ausführung angeht, stehen sie in enger Verbindung mit der Karlsruher Zeichnung, sichtbar beispielsweise in den Schraffierungen, mittels derer der Hell-Dunkel-Kontrast erzeugt wurde (Abb. 8). Die Zeichnung der Karlsruher Säule oder eine Kopie davon muss auch in Cavaceppis Bestand gewesen sein und zur Umsetzung des Motives im Druck in reduzierter Größe gedient haben.
Abb. 9: Bartolomeo Cavaceppi, Verzierte Basis, Radierung, in: Raccolta, Bd. 3, Rom 1772, Taf. 21, Rom, DAI, Inv. R 138 kl.Fol RARA (3) Elisabeth Brainclaire (aktiv in Paris 1770/80) hat das Motiv in einer Tafel ihres Recueil d’ornemens (1778) in Kreidemanier nach einer Zeichnung Lhuillier abgebildet (Abb. 10). Der Druck ist kleiner als die Karlsruher Zeichnung und weist kleine motivische Unterschiede auf, so zum Beispiel in der unteren Rankenwelle. Im Kontext des Zeichenunterrichts an der École gratuite de dessin in Paris, wo Lhuillier [ab 1768 in Paris] vermutlich ab Anfang der 1770er Jahre unterrichtete, wurde das Motiv als Vorlage für das technische Zeichnen von Ornamenten verwendet. In einer der Vorlagedrucke, die für die Lehre benutzt wurde, ist ein Detail der aufeinanderfolgenden Wulstmotive abgebildet, die genau der Basis im Baptisterium der Lateranbasilika entsprechen (Abb. 11).[2] Hier wurden sie jedoch aus der Säulenbasis abstrahiert, um sie als zweidimensionale Frieskombination zum Kopieren darzustellen.
Abb. 10: Elisabeth Brinclaire nach Nicolas François Daniel Lhuillier, Basis des Konstantinsbaptisterium, Radierung in Kreidemanier, in: Recueil d’ornements, 1778, Taf. 3, Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, Inv. NUM PL EST 105
CC0 1.0Abb. 11: Anonym, Ornamentfries, Kreidemanier, Paris, Bibliothèque de l'Institut National d'Histoire de l'Art, collections Jacques Doucet, Inv. 4 Est. 347 (4), fol. 282
CC0 1.0Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe Ableitung, Rezeption und Dissemination, Anm. 5.
2. 1771 konnte Lhuillier seine Zeichnungen vor der Académie royale d’architecture präsentieren, in der Folge erschien 1772 sein Livre d’ornements, ab 1778 der Recueil d’ornemens. Bis 1783 wurden dann 108 Vorlagestiche in Kreidemanier als Unterrichtsmaterial für die École gratuite de dessin nach seinen Vorzeichnungen angefertigt. Siehe: Mémoire sur l’administration et la manutention de l’école royale gratuite de dessin, Paris 1783, S. 45 u. Ornements Nr. 88-89, 131-133, 141, 149, 168, 173-176, 179, 209, 212-215, 218-220, 224-244, 266-269, 272- 274, 277-279, 281, 287, 298-302, 304-309, 316, 339-345, 347-350, 370, 372-377, 392, 400, 414-418, 421, 424, 438, 448-449, 451 u. 456, siehe auch: Georg Kabierske: Der sculpteur d’ornement Nicolas Lhuillier (um 1736–1793) und der goût à l’antique in Paris, Universität Heidelberg 2018, BA-Arbeit (unpubliziert), S. 13. Es ist daher zu vermuten, dass Lhuillier ab dem Beginn de 1770er Jahre auch an der École gratuite de dessin unterrichtete. Zur École gratuite siehe auch weiterführend: Ulrich Leben: New Light on the Ecole Royale Gratuite de Dessin. The Years 1766–1815, in: Studies in the Decorative Arts 1, 1993, S. 99–118 (auf S. 105 wird das Konvolut mit gedruckten Vorlagen in der Bibliothèque Jacques Doucet erwähnt).
- Zeichenstil
Säulenbasen und Kapitelle gehören zu den seit der Renaissance vielmals nachgezeichneten und weit verbreiteten Ornamenten in Zeichnungen sowie Drucken.[1] Die Zeichnungen Lhuilliers fallen innerhalb dieser weitreichenden Zeichentradition besonders aufgrund der systematischen und seriellen Ausführung auf. Durch die regelmäßigen parallelen Schraffuren, mit denen die Volumina und Schattierungen erzeugt werden, und dem idealisierten Darstellungsmodus, werden die Zeichnungen zu kopierbaren und leicht wiederverwendbaren Vorlagen. In Verbindung mit dem Kapitell sind weitere typologisch vergleichbare Zeichnungen in Karlsruhe zu erwähnen, so die Volutenkonsole mit der Dea Roma des Konstantinbogens (IX 5159-35-1-1), das Kapitell aus den Farnesischen Gärten (IX 5159-35-37-1) und das Gesims vom Sockel der Trajanssäule (IX 5159-35-22-1).
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe Michael J. Waters/Cammy Brothers: Variety, Archeology & Ornament. Renaissance Architectural Prints from Column to Cornice, Ausst. Kat. Charlotteville, University of Virginia Art Museum, Charlotteville 2011.
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- Holländisches Papier
- Zaan
- Schwarze Kreide
- San Giovanni in Laterano
- Stilistische Gruppe 04
- Recueil d’ornemens
- Säulenbasis
- Bartolomeo Cavaceppi
- Raccolta
- Vogel-Escher Album
- IX 5159-35-38-1
- Della magnificenza
- PVL-Monogramm
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