Wie in einem Auswahlkatalog sind auf diesem Blatt aufwendig dekorierte Schiffsschnäbel versammelt. Spitze Dornen, die zum Rammen feindlicher Schiffe dienten, ragen aggressiv hervor. Delfine, Wassernixen und allerlei Meeresbewohner scheinen die Herrschaft über die See zu garantieren. Die barock anmutenden Motive zeigen überraschende Übereinstimmungen mit weiteren Darstellungen anderer Künstler.
Werkdaten
Künstler
Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793) oder Kopie nach Lhuillier (?), Gruppe 6
Ort und Datierung
Rom, zwischen 1755 und 1768 (?)
Abmessungen (Blatt)
335 x 374 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-32-1
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide, mit Feder in Schwarz überarbeitet; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Vergé; vermutlich holländische Herstellung; Zeichnung auf der Filzseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Dargestellt sind unterschiedliche Schiffsbuge mit Rammsporn, eine spitze Vorrichtung, die zum Rammen feindlicher Schiffe am unteren Bereich des Bugs antiker Kriegsschiffe angebracht war. Auch als Schiffsschnäbel oder lateinisch rostra bezeichnet, wurden sie zudem als Siegestrophäen an Ehrensäulen (sogenannten columna rostrata) angebracht oder in Reliefs und Friesen wiedergeben, um an militärische Leistungen der Seekriegsführung zu erinnern. Davon ausgehend fanden diese oft künstlerisch gestalteten Buge Einzug in den neuzeitlichen Schiffsbau wie auch in die Ikonographie der Künste. Das reiche bildhauerische Dekor und die eigenwillige Formensprache mit zum Teil an Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) erinnernden Meereswesen, figürlichen Szenen, Girlanden, Friesen und Voluten macht deutlich, dass es sich bei den hier wiedergegebenen Schiffsschnäbeln um solche neuzeitlicher Galeeren handelt, die antike Formen und Motive rezipieren. Bezeichnend ist auch, dass nicht alle Buge über einen Rammsporn verfügen oder aber dieser nicht funktional auf Meeresniveau angebracht ist und daher ausschließlich dekorative Zwecke erfüllt. Dass es sich bei der Darstellung um eine typisch barocke Komposition handelt, belegt der Vergleich mit der 1675–1678 entstandenen Galleria Colonna in Rom, deren von Giovanni Coli (1636–1691), Filippo Gherardi (1643–1704) und Johann Paul Schor (1615–1674) ausgemalte Decke mit dem Sieg des Admirals Marcantonio Colonna bei der Seeschlacht von Lepanto 1571, der sämtliche Motive beider Blätter zeigt (Abb. 1).
Abb. 1: Giovanni Coli/Filippo Gherardi/ Johann Paul Schor, Sieg des Admirals Marcantonio Colonna bei der Seeschlacht von Lepanto 1571 (Detail), 1675–1678, Deckenmalerei, Rom, Galleria Colonna
Foto: Georg Kabierske, CC0 1.0Auch wenn Ausrichtung und Blickwinkel nahezu vollständig übereinstimmen, so sind in den Karlsruher Zeichnungen dennoch einige Ornamentdetails vollständiger ausgeführt als an der Galeriedecke, wo sie etwa von davor stehenden Figuren oder fingiert herabhängenden Tüchern verdeckt werden. Andererseits fehlen in der Zeichnung auch Elemente, die nur in der Malerei auftreten. Diese Ungenauigkeiten könnten auf die große Höhe der Decke zurückzuführen sein, die den Zeichner möglicherweise dazu verleitet hat, undeutlich erkennbare Details abzuändern. Die Abweichungen könnten aber auch dafür sprechen, dass die Zeichnungen vielmehr ein gemeinsames Vorbild rezipieren. Dafür spricht, dass sich ähnlich gestaltete Schiffe bereits im Werk von Pietro da Cortona (1596 ?–1669) finden lassen, etwa in der 1643–1644 bzw. 1647 ausgemalten Sala di Marte des Palazzo Pitti in Florenz, oder in der 1651–1654 entstandenen Galleria di Enea des Palazzo Pamphilj an der Piazza Navona in Rom.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Zur Galleria Colonna im Allgemeinen siehe Christina Strunck: Berninis unbekanntes Meisterwerk. Die Galleria Colonna in Rom und die Kunstpatronage des römischen Uradels, München 2007.
- Beschreibung und Komposition
Fünf Schiffsschnäbel in Dreiviertelansicht sind in zwei Reihen angeordnet. Während es in der oberen Reihe drei sind, folgen darunter nur zwei, die zusätzlich um einen einzelnen Rammsporn links, etwa mittig um einen geflügelten Helm sowie am unteren Blattrand mit zwei angeschnittenen Bugbekrönungen ergänzt sind. Diesem fragmentierten Blatt zugehörig ist die Zeichnung IX 5159-35-30-3, die zu einem unbekannten Zeitpunkt am unteren Rand horizontal abgetrennt und, aus dem Zusammenhang gerissen, zwei Seiten vor diesem in das Karlsruher Album geklebt wurde (Abb. 2).
Abb. 2: Schiffsschnäbel, schwarze Kreide, mit Feder in Schwarz überarbeitet, 158 x 193 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-30-3
CC0 1.0Sie zeigt zwei weitere nebeneinander angeordnete Schiffsschnäbel. Die Bugbekrönung des linken wurde durch das Abtrennen des Blattes durchschnitten, sodass deren ursprünglich oberes Ende am unteren Rand von IX 5159-35-32-1 verblieben ist. Die ehemals auch zur Gesamtkomposition gehörende rechte Hälfte von IX 5159-35-30-3 ist an einer ehemaligen, vertikalen Faltung abgetrennt worden und gänzlich verloren. Auf der Rückseite ist zu erkennen, dass Einrisse und weitere durchtrennte ehemalige Faltungen, die eine starke Beanspruchung der Blätter belegen, teilweise mit Papierfragmenten zur Stabilisierung hinterklebt worden waren (siehe Prozesse historischer Nutzung). Dies erfolgte jedoch nicht an der durchtrennten Faltkante der beiden separaten Blätter, was darauf hindeuten könnte, dass deren inhaltliche Verbindung zum Zeitpunkt der Reparaturmaßnahme noch vorhanden war oder aber bereits verloren gegangen oder nicht mehr relevant gewesen ist.
Betrachtet man die beiden Blätter also in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, so erscheinen die Schiffsschnäbel in drei Reihen übereinander angeordnet (Abb. 3). Dabei sind jedoch nur die reich geschmückten Schiffsbuge wie austauschbare Ornamentvarianten exemplarisch wiedergegeben, während jeweils eine Linie den Übergangsbereich zum nicht dargestellten Rumpf markiert.
Abb. 3: Digitale Rekonstruktion der ursprünglich zusammenhängenden Schiffsschnäbel-Blätter, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. IX 5159-35-30-3 und IX 5159-35-32-1
CC0 1.0Georg Kabierske
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Piranesis ausgeprägtes Interesse an Schiffsschnäbeln durchzieht sein gesamtes Werk. Es beruht sicher auf deren eigenwilligem Aufbau, bestehend aus figuralen Elementen – diese ließen sich für seine eigenen fantasievollen Kompositionen besonders gut adaptieren –, aus Tierwesen, Waffen und Trophäen bis hin zu Architekturmotiven. Bereits in den 1750 erstmals veröffentlichten Opere varie di Architettura findet man in der Radierung des Magnifico Porto mehrere an Säulen und Monumenten angebrachte rostra. In den Antichità Romane von 1756 ist im ersten Band die Initiale „S“ mit einem Rammsporn hinterlegt, im vierten wird die Spitze der Tiberinsel als monumentaler steinerner Schiffsbug ausgebildet, eine Darstellung, die der Künstler um vier weitere Tafeln ergänzt in Il Campo Marzio von 1762 erneut aufgriff. In den Diverse Maniere treten 1769 zwei rostra als Schmuck eines extravaganten Tischfußes in Erscheinung, und schließlich restaurierte Piranesi überdies ein Schiffsmodell aus Marmor, das er in den 1778 publizierten Vasi, candelabri auf einen Kandelaber platzierte.[1] Aber auch in der 1764–1765 für den Malteserorden von Piranesi grundlegend umgebauten Kirche Santa Maria del Priorato auf dem Aventin finden sich mehrere Schiffsschnäbel, die auf die militärische Seemacht des Ordens anspielen. Dabei sind die Grundlagen für die bei Piranesi dargestellten Schiffsschnäbel immer in der Antike zu suchen. Als vorbildhaft kann etwa ein augusteischer Fries mit Schiffsteilen und Priesterattributen aus den Kapitolinischen Museen in Rom gelten, der in den Karlsruher Alben auf drei Zeichnungen IX 5159-35-12-1, IX 5159-35-12-2, IX 5159-35-12-3 verteilt wiedergegeben ist und den Piranesi in abgewandelter Form auf der Tafel Senatus populusque romanus monumenta marmorea in den Lapides Capitolini von 1762 verwendete.[2] Auch wenn die in dieser Katalognummer dargestellten Schiffsschnäbel im Werk Piranesis keine direkte Rezeption fanden, könnte es sich um ein Blatt aus seiner Motivsammlung handeln, die als Arbeitsmaterial im Werkstattprozess genutzt wurde.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Lediglich das Schiff ist erhalten und befindet sich heute in Brocklesby House, Lincolnshire. Siehe dazu Pierluigi Panza: Museo Piranesi, Genf/Mailand 2017, S. 435f.
2. Zu dem Fries in den Kapitolinischen Museen siehe Luca Leoncini: Storia e fortuna del cosiddetto „Fregio di S. Lorenzo“, in: Antonio Giuliano (Hg.): Xenia, Semestrale di Antichità 14, 1987, S. 59–110 (mein Dank gilt Bénédicte Maronnie, die erstmals auf diesen Aufsatz verwiesen hat) und Tonio Hölscher: Actium und Salamis, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 99, 1984, S. 187–214.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Piranesi und seine Zeitgenossen waren sich des Symbolwerts der columna rostrata im Kontext von Triumph und Verehrung bewusst. Ihre Adaption für Trophäen und Monumente hatte in der Antikenrezeption der Renaissance ihren Anfang genommen. Wie schon eingangs erwähnt, handelt es sich bei den Vorbildern für die in Karlsruhe wiedergegebenen Motive um barocke Kompositionen, wobei die Ausführung der Deckenmalerei der Galleria Colonna 1675–1678 vermutlich deren terminus post quem bildet. Darüber hinaus existieren noch zwei weitere Blätter mit den gleichen Motiven, die Georg Kabierske im Nachlass des dänischen Bildhauers Johannes Wiedewelt (1731–1802) in der Dänischen Kunstbibliothek identifizieren konnte.[1] Wiedewelt, der sich vom 7. Juni 1754 bis zum 1. Juli 1758 zu Studienzwecken in Rom aufhielt, kam dort mit Piranesi und Winkelmann sowie deren intellektuellem Umkreis in Kontakt.[2] Die zu vergleichenden Zeichnungen befinden sich in einem Konvolut von insgesamt 13 Blättern, auf denen im Hochformat jeweils mehrere antike und klassizistische Motive – Statuen, Vasen, Reliefs, Sarkophage, Altäre oder Brunnen – arrangiert sind. Diese spezifische Darstellungsart ist in den aus Italien mitgebrachten Studiensammlungen verbreitet, die während der Mitte und frühen zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermutlich im Kontext des Zeichenunterrichts entstanden. Christoph Frank und Georg Kabierske konnten beispielsweise nachweisen, dass viele der Motive nach Zeichnungsvorlagen von Künstlern wie Hubert Robert (1733–1808) und Jean Honoré Fragonard (1732–1806) kopiert wurden, die um 1780 für den Recueil de Griffonis in Paris durch Jean-Claude Richard de Saint-Non in vergleichbarer Anordnung radiert wurden.[3] Wiedewelts Blätter sind in diesem Zusammenhang insofern bemerkenswert, als die Schiffsschnäbel in sehr ähnlicher Art wie in Karlsruhe angeordnet sind; die unterste und hier vollständige Reihe ist sogar auf ein separates kleineres Blatt gezeichnet (Abb. 4 und 5).
Abb. 4: Johannes Wiedewelt, Fünf Schiffsschnäbel, schwarze Kreide, Kopenhagen, Danmarks Kunstbibliothek, Inv. 55476 a-w Td 138 59
CC0 1.0Abb. 5: Johannes Wiedewelt, Drei Schiffsschnäbel, schwarze Kreide, Kopenhagen, Danmarks Kunstbibliothek, Inv. 55476 a-w Td 138 49
CC0 1.0Lediglich zwei der drei Einzelmotive, der geflügelter Helm und die Bugbekrönung, sind auf dem ersten Blatt etwas höher gerutscht, an Stellen, die offenbar mehr Platz zum Zeichnen boten. Da der Zeichenstil Wiedewelts deutlich spröder und schematischer ist, wäre zu überlegen, ob es sich bei seinen Darstellungen um Kopien nach den Karlsruher Blättern handeln könnte. Die Vermutung liegt nahe, dass zu diesem Zeitpunkt die unterste Reihe der Schiffsschnäbel in der Vorlage bereits horizontal abgetrennt worden war und daher in der Kopie auf einem separaten Blatt angeordnet wurde. Da in der Mitte der 1750er Jahre französische wie auch internationale Künstler zum Zeichenunterricht an die Französische Akademie in Rom kamen, könnte es aber auch gut sein, dass es sich in beiden Fällen um Nachzeichnungen nach einer verlorenen Vorlage aus dem akademischen Unterricht handelt. Eine Kopie könnte dann in der Folge in Piranesis Werkstatt gelangt sein, da Giovanni Battista gute Kontakte zur Französischen Akademie unterhielt. Dieser Umstand könnte auch den Studiencharakter der Karlsruher Blätter erklären.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Kopenhagen, Danmarks Kunstbibliothek, Wiedewelt tegninger-dep. af Kobberstiksaml., Inv. Nr. 55476 a-w Td 138 49 und Inv. Nr. 55476 a-w Td 138 59.
2. Weiterführend zu Wiedewelt siehe Karl Wilhelm Tesdorpf: Johannes Wiedewelt. Dänemarks erster klassizistischer Bildhauer, ein Anhänger von Winckelmann, Hamburg 1933; Vincenzo Lucchese: Vasi. Idee da Johannes Wiedewelt. Gli archivi del disegno 2, Trient 1996; Marjatta Nielsen/Annette Rathje (Hg.): Johannes Wiedewelt. A Danish Artist in Search of the Past, Shaping the Future, Kopenhagen 2010.
3. Siehe zum Recueil de Griffonis einführend Jean de Cayeux: Introduction au catalogue critique des „Griffonis" de Saint-Non et catalogue des „Griffonis“, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art Français, 1964, S. 297–372.
- Zeichenstil
Die Zeichnungen sind überwiegend mit schwarzer Kreide in weicher Linienführung ausgeführt. Einige Konturen wurden zur Präzisierung der Linienführung zusätzlich in flüssiger Hand mit dünnen Strichen in schwarzer Zeichentusche partiell nachgezogen, da die flüchtig skizzierten Details und die suchende Linienführung durch die Ausfüllung kleinerer Binnenflächen mit feiner bis grober Kreideschraffur ins Undeutliche zu entgleiten drohten (siehe Zeichnerischer Prozess). Zeichnerische Unsicherheiten lassen sich aber auch bei der Ausformung der Volumina konstatieren, wobei Schraffur- und Abschattungstechniken etwa an den Unterseiten der Buge flächenfüllend zum Einsatz kommen.
Georg Kabierske
- Zuschreibungshypothesen
Sollten die Karlsruher Zeichnungen ungefähr zeitgleich mit denen von Wiedewelts römischem Aufenthalt 1754–1758 entstanden sein, scheiden Piranesis Kinder als Urheber der beiden Blätter aus, da sie damals entweder im Kleinkindalter oder noch gar nicht geboren waren. Stattdessen käme der zu dieser Zeit bereits in Rom weilende Nicolas François Daniel Lhuillier als Zeichner in Betracht. Beobachten lässt sich das für den Zeichenstil Lhuilliers charakteristische weiche Konturbild, insbesondere in den zu rundlichen Formen tendierenden figuralen Partien. Doch könnten die hier aufgeführten Charakteristika ebenso auf eine ungeübte oder sich in Ausbildung befindliche Zeichenhand hindeuten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Schiffsschnäbel von einer anderen Hand stammen oder erst später nach einer auch für die Kopien Wiedewelts vorbildhaften gemeinsamen Vorlage gezeichnet wurden.
Ob die Konturen der Karlsruher Blätter dabei von der gleichen Hand nachgetragen wurden, ließ sich nicht näher bestimmen. Doch erinnert dieses Vorgehen an eine kleine Gruppe von Zeichnungen und schwachen Abklatschen im Stil Lhuilliers sowie an Zeichnungen aus dem Nachlass von Charles-Louis Clérisseau (1721–1820), die diesen Arbeitsschritt ebenfalls aufweisen.[1]
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Zu der Gruppe im Stil Lhuilliers gehören IX 5159-35-25-2 und IX 5159-35-29-1 sowie ein von Christoph Frank identifiziertes Blatt im Nachlass Albertolli in Bedano, siehe dazu Carlo Agliati: Ornato e architettura nell'Italia neoclassica. Il Fondo degli Albertolli di Bedano, Bellinzona 2019, S. 464, Abb. 229; Zeichnungen dieser Technik aus dem Bestand Charles-Louis Clérisseaus befinden sich in der Eremitage Sankt Petersburg, siehe beispielsweise Inv. ОР-1908, OP-2158, OP-2265.
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen: Ohne Wassserzeichen
Herstellungsmerkmale: Ungefärbt; mittlere Stärke; sehr nachgiebig; typische Merkmale der als holländisch identifizierten Papiere: fein strukturierte Oberfläche; leicht graue Farbwirkung bedingt durch Ablagerungen schwarzer Kreidepartikel.
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide: Krümelig, leicht klumpig, vor allem noch in den Vertiefungen der Papieroberfläche angelagert; Verluste durch Abrieb, wodurch die ursprünglich wohl eher tiefschwarzen und teilweise deckenden Linien heute eher grau erscheinen (Detail 1).
Schwarze Zeichentusche (Kohlenstoff): Wenig deckend; stellenweise glänzend; mit deutlich erkennbaren dunklen Trocknungsrändern (Detail 1, 2).
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: An mehreren Stellen Ablagerungen einer weißlichen, deckenden Substanz (Detail 3; möglicherweise Farbmittel), die im UVR-Bild hell erscheint (Abb.), im UVF-Bild jedoch dunkel (Abb.).
Detail 1: Auflicht
Schwarze Kreide, rechts mit Feder in Schwarz überarbeitet
Foto: Maria KrämerDetail 2a: Auflicht
Linien in schwarzer Feder über schwarzer Kreide
Foto: Maria KrämerDetail 2b: Streiflicht
Linien in schwarzer Feder über schwarzer Kreide
Foto: Maria KrämerDetail 3a: Auflicht
Ablagerung einer weißen Substanz (möglicherweise Farbmittel)
Foto: Maria KrämerDetail 3b: close-up
Ablagerung einer weißen Substanz (möglicherweise Farbmittel)
Foto: Maria KrämerMaria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnung von Schiffsteilen in schwarzer Kreide wurde in einer kohlenstoffhaltigen, schwarzen Zeichentusche überarbeitend akzentuiert, ein in den Alben eher seltenes Vorgehen. Die Kreide wurde vorwiegend breit zeichnend und sowohl für die Linienzeichnung als auch für das Schraffieren zur Vervollständigung der Zeichnung eingesetzt. Die Feder in Schwarz erscheint wenig deckend und setzt sich daher optisch kaum von der Kreidezeichnung ab. Mit ihr wurden einige Konturen nachgefahren. Die auf der Rückseite des Blattes mit energischer Hand ausgeführte Zeichnung in Rötel weist auf eine Mehrfachverwendung des Blattes hin (siehe auch drei Akanthusblätter und Stiftproben, IX 5159-35-30-3v). Die Reihenfolge der Nutzung beider Seiten ist anhand technischer Merkmale heute nicht bestimmbar, vermutlich wurden die Zeichnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und von unterschiedlicher Hand ausgeführt. Die frühe Sicherung der langen Einrisse auf der Rückseite zeigt jedoch, dass die Darstellung der Schiffsrümpfe die längste Zeit als Vorderseite betrachtet wurde.
Maria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
Büttenrand an oberer Kante, übrige drei stark bestoßene Kanten gerissen oder geschnitten (rechts Spanndraht erkennbar, siehe Durchlicht, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); deutlich aufgeraute Oberfläche (hochstehende, kurze Fasern, die auf eine intensive Handhabung hinweisen); flächige Ölflecke auf Teilen des Blattes; Stabilisierung längerer Einrisse durch Hinterklebung mit Papierstücken; zusätzlich Klebepunkte mit in Rot gefärbtem Mehlkleister (Detail 4) mit anhaftenden Papierfragmenten einer früheren Montierung (siehe die Palmetten- und Akanthusornamente, IX 5159-35-32-1v; Abb. VIS), dort teils Insektenfraß.
Detail 4: Auflicht
Rötlicher Klebstoff der früheren MontierungMaria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Die beiden fragmentierten Teilstücke, IX 5159-35-30-3 und IX 1559-35-32-1, schließen an der Unter- bzw. Oberkante aneinander an. Sie bildeten ursprünglich ein Blatt (Abb. 3), von dem heute ein Teil rechts unten fehlt. Ausgehend von den Spuren einer früheren Montierung (siehe unten), könnte dies bereits in der römischen Zeit verloren gegangen sein. Auffällig ist der schlechte Zustand der Zeichnung: Die Oberfläche des Papiers ist durch hochstehende Fasern stark aufgeraut und die Ränder weisen zahlreiche Einrisse auf. Einige gerade Risskanten entstanden durch eine ehemalige Faltung zu einem kleineren Format, etwa zum Transport in einem Buch oder einer Tasche. Die starke Beanspruchung hat dazu geführt, dass das Papier schließlich an diesen Faltkanten brach und ein Teil des Blattes verloren ging.
Flächige Ölflecke bezeugen, dass es bei dieser Zeichnung zu einem Kontakt mit geöltem Papier gekommen ist. Das Blatt muss schon vor seiner früheren Montierung und damit schon zum Zeitpunkt einer frühen Nutzung in diesem beanspruchten, stark eingerissenen Zustand gewesen sein, da die Rückseite bereits großflächig mit Papierstücken zur Stabilisierung versehen worden war; sie sind stellenweise von den Papierfragmenten der früheren Montierung überdeckt (siehe Detail 4).
Montierungshistorie:
Zwei Sorten Papierfragmente befinden sich auf der Rückseite: Zwei Einrisse des Randes wurden mit rechteckig zubereiteten Stücken hinterklebt. Größere, ungleichmäßig ausgerissenen Stücken eines deutlich helleren Papiers vermutlich italienischer Herstellung (IX 5159-35-32-1v, Detail 3) befinden sich als Reste einer früheren Montierung rückseitig an den Ecken beider Blattstücke und an einem horizontalen Durchriss, wo sie die Blattfragmente zugleich fixieren. Beide Hinterklebungspapiere wurden mit einem roten Mehlkleister, wie er für Oblatensiegel verwendet wurde (IX 5159-35-30-3v, Detail 1; IX 5159-35-32-1v, Detail 4; IX 5159-35-32-1, Detail 4) aufgeklebt. In der Mitte von IX 5159-35-32-1v haben sich Rückstände des roten Klebstoffs erhalten. Das Montierungspapier wurde großflächig mit der Zeichnung abgelöst, um das fragile Blatt nicht zu beschädigen (siehe IX 5159-35-30-3v, VIS, Abb. und IX 5159-35-32-1v, VIS, Abb.). Diese Papierstücke weisen starken Insektenfraß auf. Die Positionierung der Papiere deutet darauf hin, dass beide Blätter zuerst nur wenig und zwar durch Einrisse der Ränder beschädigt waren. Als die Zeichnung zum ersten Mal montiert wurde, hingen beide Teilstücke vermutlich noch zusammen. Denn obwohl man den mittigen horizontalen Durchriss von IX 5159-35-32-1 durch die Montierung sicherte, geschah dies nicht an der Kante zu IX 5159-35-30-3, wo Hinweise auf Montierungspunkte vollständig fehlen. Da die äußeren Ecken dieses Teilstücks zwei Eckmontierungspunkte aufweisen, könnte es sein, dass das heute vermisste Viertel auch zu dieser Zeit bereits fehlte. An der heutigen Trennkante riss das Blatt vermutlich erst später, geschwächt durch ständige Handhabung. Nach der Nutzung in der Weinbrennerschule wurde die Separierung endgültig durch die Montierung auf zwei unterschiedliche Albumblätter besiegelt.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- Abbé de Saint-Non
- Holländisches Papier
- Schwarze Kreide
- Charles-Louis Clérisseau
- Schiffsschnäbel
- IX 5159-35-32-1
- Fragmentiertes Blatt
- Siegestrophäe
- Schwarze Zeichentusche
- Feder in Schwarz
- Pietro da Cortona
- rostra
- Santa Maria del Priorato
- Lapides Capitolini
- Galleria Colonna
- Johannes Wiedewelt
- Stilistische Gruppe 06
GND-Begriffe
- Cortona, Pietro da;
- Palazzo Colonna;
- Wiedewelt, Johannes;
- Santa Maria del Priorato;
- Clérisseau, Charles-Louis;
- Lhuillier, Nicolas-François-Daniel;
- Saint Non, Jean Claude Richard de
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