Ein reich mit Früchten gefüllter Weidenkorb, dessen Boden in Akanthusblätter eingebettet ist und über dem sich Lorbeerzweige dekorativ verzweigen: Solche aus antiken Motiven geformte Dekorationen erfreuten sich in französischen Innenausstattungen des späten 18. Jahrhunderts größter Beliebtheit. Im Kontext der römischen Zeichnungen in den Karlsruher Alben wirft dieser Entwurf Fragen auf.
Werkdaten
Künstler
Unidentifizierter französischer Zeichner, Nicolas François Daniel Lhuillier (um 1736–1793) (?)
Ort und Datierung
Rom, vermutlich 1760er bis 1770er Jahre
Abmessungen (Blatt)
443 x 176 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-2-1
- Zeichenmedien
Rötel (dunkel); weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Vergé; italienische Herstellung (vermutlich Süditalien); Zeichnung vermutlich auf der Siebseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Diese Zeichnung ist innerhalb der beiden Alben die einzige, bei der es sich nicht um die Nachzeichnung einer antiken oder renaissancezeitlichen Schmuckform handelt. Sie stellt vielmehr den Entwurf eines dekorativen Paneels dar, das als Pilaster- oder Türfüllung in der klassizistischen Innenausstattung des späten 18. Jahrhunderts in Frankreich beliebt war.[1] Die dekorativen Formen von emporsprießendem Blatt- und Rankenwerk sowie der Fruchtkorb gehen auf antike wie neuzeitliche Arabesken und Rankenpilaster zurück. Diese erfuhren mit der Entdeckung der Domus Aurea des Nero in Rom seit dem 16. Jahrhundert eine weitreichende Rezeption, etwa durch Raffaels Loggien im Vatikan von 1516–1518. Im Zuge des Frühklassizismus der zweiten Hälfe des 18. Jahrhunderts kamen die sich durch Einfallsreichtum auszeichnenden Dekorformen insbesondere von Paris aus erneut in Mode.[2] Die Komposition des auf einer Akanthuspflanze stehenden Weidenkorbs dürfte dabei der von Vitruv (1. Jh. v. Chr.) geschilderten Ursprungslegende zur Entstehung des korinthischen Kapitells entlehnt sein, wobei der Früchtekorb traditionell für Abundantia, für Überfluss und Wohlstand steht. Für die darüber aufsteigenden Zweige könnte eine druckgraphische Verarbeitung der Anekdote, die erstmals 1650 im Traktat Parallèle de l’architecture antique et de la moderne (Gegenüberstellung der antiken und modernen Architektur) des französischen Architekturtheoretikers Roland Fréart de Chambrays (1606–1676) erschienen ist, als konzeptionelles Vorbild gedient haben (Abb. 1).[3] In die Ranken über dem Fruchtkorb ist eine musikalische Trophäe eingebunden, die ein Becken vor gekreuzten Flöten zeigt (Abb. 6).
Abb. 1: "Roland Fréart de Chambray, Parallèle de l’architecture antique et de la moderne, Radierung, Paris 1650, S. 63, Zürich, ETH, Rar 221
Public Domain Mark 1.0Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Mein herzlicher Dank gilt Peter Fuhring, der diese Identifikation bestätigt hat.
2. Alexia Lebeurre: Des Loges de Raphaël à l’éloge de l’invention. Le succès du genre arabesque dans le décor intérieur parisien à la fin du XVIIIe siècle, in: Annie Gilet (Hg.): Giovanni Volpato. Les Loges de Raphaël et la Galerie du Palais Farnèse. Mailand/Tours 2007, S. 87–93.
3. Roland Fréart de Chambray: Parallèle de l’architecture antique et de la moderne, Paris 1650, S. 63 (Exemplar der ETH, Zürich).
- Beschreibung und Komposition
Die in ein hochrechteckiges Feld frontal eingebettete Arabeskenkomposition setzt sich aus ornamental-vegetabilen Formen zusammen. Aus Akanthusblättern und Blüten erhebt sich ein länglicher Weidenkorb aus diagonalem Mattengeflecht, der mit Früchten gefüllt ist. Links und rechts wird er symmetrisch von Ranken gerahmt, die sich im weiteren Verlauf über den Früchten als sich teilende Lorbeerzweige ellipsenförmig entfalten, bevor sie sich diagonal überkreuzen. Zusammengehalten werden sie von einer horizontal sitzenden Schleife, an der eine Trophäe aus zwei Rundformen und hinterkreuzten Stäben mittig herabhängt. Am oberen Rand des Blattes lassen sich in der vertikalen Symmetrieachse über der Schleife die flüchtige Umrisszeichnung vom Ende eines herabhängenden Bandes sowie weitere skizzenhafte Striche erkennen. Diese deuten darauf hin, dass bei einer Verlängerung der Komposition entsprechend dem darunter wiedergegebenen Schema dort eine weitere Trophäe herabhängen sollte.
Georg Kabierske
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Die Komposition fand keine Verwendung im Gesamtwerk Piranesis.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Ein kompositionell wie stilistisch in direktem Zusammenhang mit dieser Zeichnung stehendes Blatt konnte Georg Kabierske in der Sammlung von Waddesdon Manor in England identifizieren (Inv. 143/3, Abb. 2). Ebenfalls in roter Kreide gezeichnet, ist der Fruchtkorb dort durch einen antikisierenden Dreifuß mit Widderköpfen ersetzt. Statt Lorbeerranken winden sich Eichenzweige empor, wobei diese nicht nur eine, sondern zwei Schlingen bilden, in denen je eine Trophäe mit Musikinstrumenten bzw. mit Pfeilköcher und Bogen herabhängt. Aufgrund der kompositorischen Übereinstimmung beider Zeichnungen ist davon auszugehen, dass sie aus demselben Entwurfszusammenhang stammen und unterschiedliche Paneele einer Wanddekoration hätten bilden können.
Abb. 2: D.C. (Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps) oder Nicolas Lhuillier (?), Arabeskenpaneel mit Dreifuß, Lorbeerranken und Trophäen, Rötel (hier: Schwarz-Weiß-Abbildung), 590 x 136mm, Waddesdon (National Trust) Gift of Dorothy de Rothschild, 1971; acc. no. 2024. Foto: Waddesdon Image Library, Mike Fear
CC BY-NC-SA 3.0Georg Kabierske
- Zeichenstil
Die in Rötel ausgeführte Zeichnung besticht durch den Kontrast zwischen flächigem Hintergrund und plastisch durchgebildeter ornamentaler Komposition. Der Hintergrund ist insgesamt mit gleichmäßig dichten, horizontalen Linien gestaltetet. Kräftige kurze, horizontale Parallelstriche heben zudem die erhabenen, vertikalen Stege hervor, welche die Komposition links und rechts an den Rändern begrenzen. Die ornamentale Komposition hingegen zeichnet sich durch eine gekonnte Lichtführung aus, die durch den kräftigen Kreideauftrag an den Verschattungskanten und dem Freilassen des hellen Papiergrundes innerhalb der Umrisse entsteht. Die Schattierungen werden dabei durch kurze Parallelstriche, verriebene oder mehrfach nachgezogene Partien gebildet. Ohne die Kontrolle über das Darzustellende zu verlieren, sind die Konturen in einer weichen Umrissführung routiniert, bisweilen auch schematisierend angelegt. Der Wachstumsrichtung der Akanthus- und Lorbeerblätter folgend, sind deren Oberflächen mit parallelen Strichen strukturiert – ein Merkmal, das etwa mit den Rosettenstudien in Band zwei vergleichbar ist (siehe Zeichnung IX 5159-36-21-1 und Zeichnung IX 5159-36-28-1).
Georg Kabierske
- Zuschreibungshypothesen
Die stilistischen Charakteristika, insbesondere die Schraffurtechik, die gekonnte Lichtführung und auch die weichen, aber dennoch präzisen Umrisse sind dem Zeichenstil von Nicolas François Daniel Lhuillier nahe. Jedoch sind vergleichbare akademische Kreideschraffuren des Hintergrundes und der Verschattungen auch einer Vielzahl französischer Ornamentzeichnungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eigen, wodurch eine präzise Händescheidung erschwert wird. Für die Zeichnung in Waddesdon Manor (Abb. 2), die von derselben Hand wie das Karlsruher Blatt stammen dürfte, wurden von Martin Mead hingegen zwei andere Zuschreibungshypothesen aufgestellt. Zum einen schlug er den französischen Ornamentbildhauer und Dekorateur (ornemaniste) Gilles-Paul Cauvet (1731–1788) vor, unter dessen Entwürfen sich annäherungsweise vergleichbare dekorative Rankenornamentkompositionen finden lassen.[1] Stilistisch zeichnen sich seine signierten Kreidezeichnungen jedoch durch eine höhere Präzision und Filigranität aus, die sich besonders in hauchdünnen und wie ziseliert wirkenden vegetabilen Formen zeigen. Soweit bekannt, war Cauvet nie in Rom und dürfte daher als Urheber der Zeichnungen auszuschließen sein. Zum anderen wurde die Arabeske aus Waddesdon Manor zusammen mit zwei weiteren stilistisch nahen Ornamentzeichnungen in Rötel 1878 von Baron Edmond de Rothschild aus der Sammlung von Jules Carré erworben, weshalb sich die Frage nach einem Zusammenhang der drei Blätter stellt (Inv. 143/1 und 143/2, Abb. 3 und 4).[2]
Abb. 3: D.C. (Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps), Arabeskenrelief mit Sphingen und Medaillon, 1776, Rötel (hier: Schwarz-Weiß-Abbildung), 107 x 356 mm,Waddesdon (National Trust) Gift of Dorothy de Rothschild, 1971; acc. no. 1943. Foto: Waddesdon Image Library, Mike Fear
CC BY-NC-ND 3.0Abb. 4: D.C. (Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps), Arabeskenrelief mit Rankeneroten und Medaillon,1776, Rötel (hier: Schwarz-Weiß-Abbildung), 110x 368 mm,Waddesdon (National Trust) Gift of Dorothy de Rothschild, 1971; acc. no.1944. Foto: Waddesdon Image Library, Francis Carver
CC BY-NC-ND 3.0Eine der Zeichnungen ist mit dem Monogramm „D.C. f. Roma 1776“ beschriftet, die zweite kann aus stilistischen Gründen der gleichen Hand zugeordnet werden. Bénédicte Maronnie und Christoph Frank haben darauf hingewiesen, dass es sich dabei um den aus Rouen stammenden Künstler Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps (1742–1836) handelt, der 1773–1779 in Rom nachzuweisen ist.[3] Es wäre durchaus denkbar, dass Descamps in Rom nach dort verbliebenen Zeichnungen Lhuilliers gezeichnet hat, was stilistische Übereinstimmungen erklären könnte.[4] Noch sind jedoch zu wenige seiner Zeichnungen bekannt, um die Arabeskenfüllung in Waddesdon und eventuell auch jene in Karlsruhe Descamps zuzuschreiben. Die Beliebtheit der Arabeskenpaneele Mitte der 1770er Jahre insbesondere im französischen Kontext würde die Annahme eines späteren Entstehungszeitraum für die Zeichnungen rechtfertigen, doch gibt es mit dem 1765–1767 enstandenen Salone d’Oro (goldener Salon) im Palazzo Chigi in Rom auch eine frühe klassizistische Innenausstattung mit plastischen Arabeskenpaneelen. In Anbetracht der hohen zeichnerischen Qualität der Karlsruher Darstellung, die die bislang bekannten Zeichnungen Descamps nicht erreichen, erscheint jedoch auch eine Zuschreibung an Lhuillier und damit in die Zeit vor 1768 möglich. Auf die vermutliche Herkunft des Blattes aus der Piranesi-Werkstatt in Rom deuten das italienische Papier, Ausrisse an den Blattecken und Spuren einer früheren Montierung hin – charakteristische Merkmale der Zeichnungen in den Karlsruher Klebealben (siehe Prozesse historischer Nutzung). Jedoch ist rätselhaft, wie dieses dezidiert französische Motiv in die Piranesi-Werkstatt gelangte.
Aus stilistischen Gründen dürfte es sich dabei um dieselbe Zeichenhand wie bei der Ausführung des Karlsruher Paneels handeln. Direkt vergleichbar sind der weiche Duktus, die einerseits mehrfach entlang der Konturen nachgefahrenen, manchmal aber auch mit bestimmten kurzen Parallelestrichen gesetzten Schattierungen sowie die Gestaltung der Lorbeerzweige, Blattranken und Bänder. Solche dekorativen Kompositionen waren als Supraportenreliefs in Paris in den 1770er und 1780er Jahren sehr beliebt, sodass eine Entstehung in diesem Zusammenhang angenommen werden kann.[5] Tatsächlich fanden die Motive der Zeichnungen aus Karlsruhe und Waddesdon Manor, auf zwei Paneele verteilt, für die Wandgestaltung im Haus des Malers Antoine-François Callet (1741–1823) in der rue du Montparnasse 23 in Paris Verwendung, dass 1777–1779 durch den Architekten Bernard Poyet (1742–1824) errichtet worden war.[6] Kurz vor Abbruch des Hauses wurden sie 1880 von César Daly in einem Stich wiedergegeben (Abb. 5).
Abb. 5: Maison Callet in der rue du Montparnasse 23, Paris, Paneele des Salons, in: César Daly, Motifs historiques d’architecture et de sculpture d’ornement, décorations intérieures empruntées a des édifices français, Bd. 2, Paris 1880, Taf. 40, Paris, Bibliothèque nationale de France, FOL-V-495 (2,2)
Quelle gallica.bnf.fr / BnFWährend der aus einer Blattknospe wachsende Fruchtkorb aus Karlsruhe das mittlere Paneel ziert, sind im rechten die Lorbeerranken und Trophäen aus beiden Zeichnungen zu einer längeren Schmuckform kombiniert. Das linke Paneel stimmt hingegen überwiegend mit einer Zeichnung des Architekten Pierre-Adrien Pâris (1745–1819) überein, die er zusammen mit anderen Arabesken während seines Aufenthalts in Italien nach Vorlagen aus der Renaissance in Rom und Neapel kopiert hatte und die möglicherweise in Architektenkreisen in Paris zirkulierten.[7] Es ist daher gut möglich, dass das ebenfalls im römischem Kontext entstandene Motiv in Karlsruhe über eine Kopie nach Paris gelangte und dort zu weiterer Verwendung kam. Denn auch Lhuillier realisierte nach seiner Ankunft in Paris 1768 solche dekorativen Reliefs. Umgekehrt könnte es aber auch sein, dass ein bislang unidentifizierter französischer Zeichner im Umfeld der Französischen Akademie in Rom die neuste aus Paris kommende Ornamentmode in diesen Paneelentwürfen rezipierte.
Georg Kabierske
Einzelnachweis
1. Geoffrey de Bellaigue/Alastair Laing (Hg.): The James A. De Rothschild bequest at Waddesdon Manor, The National Trust. Drawings for Architecture, Design and Ornament, Bd. 1, Aylesbury 2006, Nr. 47c.
2. Ebd. Nr. 47a, Nr. 47b.
3. Aude Gobet: Une sociabilité du dessin au XVIIIe siècle : Artistes et académiciens à Rouen au temps de Jean-Baptiste Descamps 1715–1791, Diss. Paris 2007; Aude Gaubet: De la province de Normandie à la Ville Éternelle. Les élèves de l’École de dessin de Rouen à Rome au XVIIIe siècle, in: Studiolo 6, 2008, S. 145-165; Gaëtane Maës: Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps, in: Allgemeines Künstlerlexikon Online, https://www.degruyter.com/document/database/AKL/entry/_10186316/html (eingesehen am 25.05.2021).
4. Eine möglicherweise mit Nicolas Lhuillier in Verbindung stehende Rötelzeichnung von Descamps, die u.a. ein Akanthusblatt zeigt, wird derzeit in der Pariser Galerie drawings-online.com angeboten: https://drawings-online.com/product/etude-delements-decoratifs-antiques-par-jean-baptiste-marc-antoine-descamps/ (eingesehen am 25.05.2021). Mein herzlicher Dank gilt Bénédicte Maronnie, die mich erstmals auf diese Zeichnung hingewiesen hat. Zu weiteren römischen Studien von Descamps in Rötel siehe: Aukt. Kat. Drouot, Paris 11. März 2022, Los 13 (fälschlich Jean-Démosthène Dugourc zugeschrieben) sowie mit seinem ganzen Nachnamen signiert: Aukt. Kat. Sotheby’s, London 4. Juli 2018, Los 85 und 86.
5. Vergleichbare Reliefkompositionen: Château de Maisons-Laffitte, Relief über dem Kamin des Speisesaals (Lhuillier, 1779–1781); Neuilly-sur-Seine, Cabinet d'histoire naturelle der Folie Saint-James (Lhuillier, 1782); Paris, Rue royale 13, Supraportrelief im Salon, heute im Philadelphia Museum of Art (Pierre Fixon/Louis Pierre Fixon (?), 1783–1789); A Louis XVI pale-green and parcel-gilt paneled room, um 1780 oder später, Christie’s New York, 500 Years Decorative Arts Europe including Oriental Carpets, 22.11.2011, Lot 120, https://www.christies.com/lot/lot-5507605/?intObjectID=5507605&lid=1&From=salesummery&sid=430df7a9-13a7-4678-b958-812a3a704635; Unbekannter französischer Zeichner, Reliefentwurf, lavierte Federzeichnung, New York, Cooper Hewitt Smithsonian Design Museum, Inv. 1931-70-13, http://cprhw.tt/o/2BWtH/.
6. Ein Umbau des Hauses fand bereits 1781–1782 statt, daher können die Paneele erst zu dieser Zeit platziert worden sein. Inwiefern Bernard Poyet oder ein anderer Architekt bzw. Dekorateur für den Dekor dieses Salons verantwortlich war, ist unbekannt. Siehe dazu Alexia Lebeurre: Le „genre arabesque“: nature et diffusion des modèles dans le décor intérieur à Paris, 1760–1790, In: Histoire de l'art 42/43, 1998, S. 83–98, hier S. 89. 1787–1788 arbeitetet Nicolas François Daniel Lhuillier unter der Leitung von Bernard Poyet an der Restaurierung der Fontaine des Innocents in Paris. Ob beim Haus von Callet bereits eine Zusammenarbeit mit dem Architekten bestand, ist unbekannt.
7. Ebd., S. 89.
- Wertung
Diese Zeichnung eines ornamentalen Arabeskenpaneels mit Fruchtkorb und Lorbeerranken belegt exemplarisch, wie antikisierende Ornamente in eigenständige Entwürfe abgewandelt und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die zeitgenössische Innenausstattung oder für druckgraphische Vorlagewerke neu adaptiert werden konnten. Der ornemaniste Lhuillier realisierte derartige Inventionen nach seiner Rückkehr nach Paris ab 1768 als bauplastische Dekorationen. Obwohl das Blatt kompositionell wie auch stilistisch aus der Masse der übrigen Karlsruher Zeichnungen herausfällt, weisen das italienische Papier und die Montierungsspuren dennoch auf eine Herkunft aus der Werkstatt Piranesis hin.
Georg Kabierske
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Mehrfach unterteilter Wappenschild, Wappen des Königreichs Neapel unter bourbonischer Herrschaft, bekrönt mit BügelkroneBelege:
William A. Churchill: Watermarks in Paper in Holland, England, France, etc., in the 17th and 18th Centuries and their Interconnections, Rijswijk 1965, Taf. 227, Nr. 262 (Typ, in einem Manuskript, 1747); Edward Heawood: Watermarks Mainly of the 17th and 18th Centuries, Hilversum 1950, Taf. 124, Nr. 803 (Typ, mit Celano Gegenmarke, in einem Manuskript aus einem Verkauf einer Papiermühle in Subiaco, datiert 1761–1763. Doc II, 1763, Inventar, "[…] both sheets; name reversed on other sheet. Arms and other details completed from WAC [Churchill 1965; s.o.] No. 262, 1752[sic]”); Corpus chartarum italicarum (ICRCPAL): icpl.cci.XXI.029.a (Variante, Collezione Amori, ohne Ort und Datum, für den Zugriff wird ein kostenloses Benutzerkonto benötigt).
Sammlungen:
Karlsruher Alben: Typ: IX 5159-35-9-2; IX 5159-36-25-1; IX 5159-36-27-2; IX 5159-36-27-4.
London, British Library: Wasserzeichen mit dem Wappen des Königreichs Neapel unter bourbonischer Herrschaft, bekrönt mit Bügelkrone (Abb. 6)
Abb. 6: Hamilton and Greville Papers, 1767, London, Courtesy of the British Library (Add MS 42069) New York, Morgan Library & Museum: Typ: 1966.11:15; 1966.11:101; MA 2870 (1762).
Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt; dünne Stärke; ungleichmäßige Stegschatten; sehr feine Siebstruktur; wenige holzige Einschlüsse und Knötchen; mäßig deutliche Filzmarkierung; mittig horizontale Trocknungsfalten (originale Bogenbreite etwas über 443 mm); vermutlich gelatinegeleimt; im Reflexlicht deutlicher, streifiger Glanz (manuelle Glättung).
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Rötel: Kompakte, dichte Striche (Detail 1); deutlicher Glanz; Abrieb, vor allem entlang einer senkrechten Faltung (Detail 2).
Detail 1: Auflicht
Kompakte, verdichtete Rötelstriche (Zitrone links)
Detail 1: Auflicht, close-up Detail 2: Auflicht
Rötelabrieb im Bereich ehemaliger Faltung, dadurch aufgehelltes Erscheinungsbild (Blattspitze am unteren, zentralen Akanthusblatt)Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Die Zeichnung ist vollständig in dunklem Rötel ausgeführt. Mithilfe eines Lineals wurde das Schmuckrelief seitlich mit jeweils zwei senkrechten, parallelen Linien begrenzt, die einen Flachrahmen bilden. Typisch für diese Art der Ornamentzeichnung ist das Strukturieren des Hintergrunds mit dicht gesetzten Parallelschraffuren, die auch die schlichte Form des Flachrahmens durch kurze, kräftig gesetzte Striche markieren. Zarte Linien einer Vorzeichnung in Rötel wurden weitgehend ohne Korrekturen integriert und von der ausgearbeiteten Zeichnung fast vollständig überdeckt. Nur im oberen Bereich, in dem die flächige Parallelschraffur des Hintergrunds unterbrochen wurde, bleibt die Vorzeichnung sichtbar. Im Blattwerk (z.B. an den Akanthusblättern) rings um den Korb sind die Konturen fein gehalten, die Früchte hingegen (z.B. die Trauben) sowie das Korbgeflecht sind breiter und stärker akzentuiert. Insbesondere die Weinranken und das aus dem Korb hängende Eichenlaub sind mit lockerem, schnellem Strich ausgeführt. Die Schattierungen suggerieren einen Lichteinfall von rechts. Sie wurden mit Parallelschraffuren (z.B. am Korb) angelegt und bisweilen mit Kreuzschraffuren ergänzt; einige der größeren, rundlichen Früchte sind geschummert schattiert.
Der Rötel zeigt eine deutliche Einwirkung von Feuchtigkeit, die sich vor allem in einer Verdichtung und Glättung des Auftrags sowie einer Verdunkelung des Erscheinungsbilds zeigt (siehe Prozesse historischer Nutzung).
Maria Krämer und Irene Brückle
- Merkmale historischer Nutzung
An vier Kanten beschnitten; paarige Stecknadeleinstiche mittig am oberen und unteren Blattrand; dort und kleinteilig über das Blatt verteilt gelblich fluoreszierende Flecke (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); jeweils mittig waagrechte und senkrechte ehemalige Faltungen (Durchlicht, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); an den Ecken und in der Mitte der langen Blattkanten Papierverluste und Klebepunkte mit Papierresten verso (frühere Montierung); dort teils Beschädigung durch Insektenfraß; recto am unteren Blattrand anhaftendes Transparentpapier (Verwendung in der Weinbrennerschule).
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Das verdichtete, kompakte Erscheinungsbild des Rötels deutet auf ein Abklatschen des Blattes hin, wobei bislang kein Abklatsch bekannt ist. Vermutlich geschah das schon bald nach Vollendung der Zeichnung, um sie zu fixieren. Fehlende Merkmale einer übermäßigen Befeuchtung, wie etwa seitlich der Linien ausgeschwemmter Rötel, deuten auf einen routinierten Arbeitsprozess hin. Das Papier zeigt fluoreszierende Flecke, die sich um die Stecknadeleinstiche an den oberen und unteren Blatträndern konzentrieren und auf eine Befestigung eines geölten Papiers zum Zweck des Abpausens auf der Zeichnung hindeuten, auch wenn keine Spuren einer flächigen Öleinwirkung erkennbar sind. Das anhaftende Fragment eines Transparentpapiers belegt die Verwendung als Lehrmaterial in der Weinbrennerschule, wo Schüler die Zeichnungen abpausten.
Montierungshistorie:
Die sechs Klebepunkte verso sind im Durchlicht und deutlich gelblich fluoreszierend im UV-Fluoreszenzbild erkennbar. Insektenfraß an diesen Stellen deutet darauf hin, dass das Blatt höchstwahrscheinlich längere Zeit unbeachtet in der römischen Werkstatt Piranesis aufbewahrt wurde, wo sich der Klebstoff der Montierung als Nahrungsquelle anbot.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Nicolas François Daniel Lhuillier
- Rötel
- Abklatsch
- Ölpause
- Wasserzeichen
- Italienisches Papier
- Akanthusranken
- Ranke
- Paneel
- IX 5159-35-2-1
- Jean-Baptiste-Marc-Antoine Descamps
- Sammlung Waddesdon Manor
- Antoine-François Callet
- César Daly
- Pierre-Adrien Pâris
- Unid. frz. Zeichner, Nicolas François Daniel Lhuillier (?)
- Wappen beider Sizilien/Kgr. Neapel
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