Diesen reich ornamentierten Dreifuß stellte Piranesi auch in seinem Radierwerk Vasi, candelabri, cippi, sarcofagi… dar. Dort erläutert eine Inschrift, dass er im Jahr 1775 bei den Ausgrabungen von Gavin Hamilton, einem englischen Porträtmaler und Antikenforscher, in Ostia ausgegraben wurde. Delphine, geflügelte Greifen, Bukranien (Rinderschädel) und Löwenpranken schmücken ihn. Am beeindruckendsten jedoch ist die Schlange, die sich im Inneren nach oben schlängelt. Die großformatige, fein ausgeführte Zeichnung könnte im Zusammenhang mit der Herstellung der Druckgrafik entstanden sein.
Werkdaten
Künstler
Mehrere unidentifizierte Zeichner der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 11
Ort und Datierung
Rom, vor 1777
Abmessungen (Blatt)
717 x 448 mm
Inventarnummer
IX 5159-35-45-1
- Zeichenmedien
Schwarzer Stift (Kreide) mit fetthaltigem Bindemittel über Vorzeichnung in Graphit; Überarbeitungen in Rötel; weitere Informationen, siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
In der Handschrift von Giovanni Battista Piranesi links oben in schwarzer Kreide bezeichnet: „a fronde", links unten „tronco a“, rechts mittig „B serpe (?)“, sowie in der Zeichnung Einzelbuchstaben „a“ und „B“
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Vergé, holländische Herstellung (Papiermühle C&I Honig, Zaan-Distrikt); Zeichnung auf der Siebseite; weitere Informationen, siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Bekrönter Wappenschild mit Lilie (sog. Straßburger Lilie), darunter Bienenkorb, darunter Name "C&I Honig", doppelkonturig; Gegenmarke: Monogramm „IV“
Belege:
Henk Voorn: De papiermolens in de provincie Noord-Holland, Haarlem 1960, S 554f. .Stichting Papiergeschiedenis Zaanstreek ‘De Hollander’(Hg.): Zaanse Papiergeschiedenis, Honig (Breet), C & J; Stichting Archief Honig(h), Papiermuster (beide Seiten eingesehen am 21.5.2022).
Verbindungen zu weiteren Zeichnungen der Karlsruher Alben und anderen Sammlungen siehe Essay „Die Wasserzeichen der Zeichnungen“.
Herstellungsmerkmale:
In der Masse gebläut (bläuliche Fasern); mittlere Stärke, sehr nachgiebig (flexibel); typische Merkmale der als holländisch identifizierten Papiere: Metalleinschlüsse (UVF); ebenmäßige, fein strukturierte, leicht raue Oberfläche (aufstehende, kurze Fasern, siehe Detail 3, Detail 4) mit schwach ausgeprägter Filzmarkierung und gleichmäßiger, deutlicher Siebmarkierung; matte Oberfläche
Weitere Informationen zu den Fachbegriffen finden Sie im Glossar.
Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Graphit (Detail 1): leicht aufgetragen; schmale Striche, Pigmente dicht an den Fasern haftend.
Detail 1: Auflicht
Graphit (helle Striche), VorzeichnungDetail 2a: Auflicht
Schwarzer Stift, Einstichlöcher (links oberhalb des Bukranion)Detail 2b: Streiflicht
Schwarzer Stift, Einstichlöcher (links oberhalb des Bukranion)Detail 3: Auflicht
Schwarzer Stift (Beschriftung u.l.)Schwarzer Stift mit fetthaltigem Bindemittel: Leichter bis kräftiger Strich, stellenweise deckender und dort kompakter Auftrag (Details 2); in Strichrichtung an den Bergen der rauen Papieroberfläche vorgelagert (Detail 3); in nicht-deckenden Bereichen Siebmarkierung deutlich abbildend; Höfe des ausgetretenen Bindemittels, alterungsbedingt verbräunt um einzelne Stiftstriche (Detail 2), nicht immer mit ihrer Länge und Kräftigkeit korrelierend.
Rötel (Detail 4): kompakte und verwischte Linien.
Detail 4: Auflicht
Rötel, Einstich (florales Element, Mitte)Detail 5: Auflicht
Ablagerung eines grünen Farbmittels (o.l. von der Zeichnung)Detail 6: Auflicht
Schwarze ZeichentuscheNicht zur Entstehung der Zeichnung gehörige Farbmittel: Spuren eines grünlichen, pastos aufliegenden Farbmittels mit deutlichem ölig-verbräuntem Rand (Detail 5) auf Höhe des oberen Abschlusses der Zeichnung. Vereinzelte Kleckse einer schwarzen Zeichentusche am unteren Blattrand (Detail 6; möglicherweise Weinbrennerschule).
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Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Eine Vorzeichnung in Graphit erfolgte über Konstruktionslinien in schwarzem, fetthaltigem Stift. Die mit dem Lineal gezogenen Konstruktionslinien unterteilen die vier figural geschmückten Abschnitte und geben wesentliche vertikale Konturen an. Dem Dreifuß war ursprünglich eine breitere und etwas höhere Gestalt zugedacht, was außerhalb des ausgeführten Motivs anhand der gut sichtbaren Konturlinien ablesbar ist (VIS). Dort heben sich die in Graphit angelegten Striche deutlich grauwertig von der schwarzen Kreide ab (s. auch UVFC). Unter der mit schwarzem Stift realisierten, finalen Zeichnung liegen weitere Vorzeichnungsschritte in Graphit fast vollständig verdeckt. Die Ausarbeitung erfolgte unter Orientierung an Einstichlöchern, die, an den Konstruktionslinien angelegt, Abstände und Kreuzungspunkte markieren (siehe Detailfotos im Abschnitt Merkmale der Zeichenmedien). Die Konturen wurden absichtlich mit breiten Stiftstrichen betont, um sie auch nach der Nachfolgenden Ausarbeitung gut sichtbar zu machen.
Mit dem schwarzen Stift wurde in der Zeichnung in variierenden Parallelschraffuren der Gegenstand ausgeformt und eine Lichtführung mit Schlagschatten hinzugefügt. Die Nutzung unterschiedlich dichter, breiter und deckender Kreideaufträge kann hierbei bereits in Vorbereitung auf die ebenfalls monochrome Technik der Radierung gesehen werden (siehe Abschnitt Prozesse historischer Nutzung). Anders als in der endgültigen Form im Druck wurde bei der Zeichnung jedoch wenig systematisch häufig die Strichrichtung gewechselt – möglicherweise aus Bequemlichkeit beim „Füllen“ eintoniger Flächen und beim Navigieren der großformatigen Zeichnung, oder auch weil die Schattierungen ohne Vorlage frisch entwerfend zu Blatt gebracht wurden. Der Wechsel im Modus der Schraffierung wurde jedoch auch gezielt eingesetzt um beispielsweise die kräftigen Schlagschatten gezielt sichtbar zu machen.
Insgesamt wirkt die Zeichnung zwar in schattierenden Details etwas uneinheitlich, aber sie zeigt weniger korrigierende Arbeitsstufen als andere, vergleichbar komplexe Zeichnungen, die ebenfalls größengleich in den Druck umgesetzt wurden, beispielsweise die Stowe Vase oder der Newdigate Kandelaber. Möglicherweise geht dieser Reinzeichnung, die vermutlich dem Transfer auf die Druckplatte diente, eine vorherige, das Motiv entwickelnde Zeichnung voraus.
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Maria Krämer und Irene Brückle
- Merkmale historischer Nutzung
Alle vier Kanten beschnitten; unterer Blattrand heute etwa 14,5 cm eingefaltet, frühere mittige, horizontale Faltung (Berg- und Talfalte zugleich), weitere parallele Bergfalte im oberen Blattdrittel (Faltspuren); punktuelle Ausdünnungen verso entlang der Kanten und einige körnige Auflagen (vermutl. Klebstoff) an der Ecke u.r. stammen wahrscheinlich von einer früheren Montierung; Spuren eines grünlichen, pastos aufliegenden Farbmittels mit deutlich öligem, verbräuntem Hof (Detail 5, Merkmale der Zeichenmedien); ungleichmäßige flächige Verbräunung durch Kontaktabdruck eines geölten Papiers; Spritzer einer unbekannten, vermutlich alterungsbedingt verbräunten Flüssigkeit (gelb-orange fluoreszierend unter UVF); zahlreiche Einstiche von verschiedenen Werkzeugen, u.a. ausgerissene, runde Löcher an den Blattkanten o.M. und u.M.; tiefe, länglich schmale Einprägungen eines harten Gegenstands am Blattrand u.r und u.M. (VIS); schwärzliche Griffspuren und Fingerabdrücke im Randbereich; insgesamt leicht fleckig; Fliegenschmutz (rot unter UFVC).
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Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Auffällig sind einige deutliche Hinweise auf eine Öleinwirkung innerhalb der Striche in schwarzem Stift. Alterungsbedingt bräunlich verfärbte Höfe umgeben allerdings nur vereinzelte Striche und umfangen diese nie vollständig in ihrer Länge, vorstellbar für einen frisch in Öl getunkten Stift, der überschüssiges Bindemittel vor allem am Strichanfang abgesondert hat. Die kompakte, unverwischte Qualität und das tiefe kompakte Schwarz der überarbeitenden Striche entspricht dieser Einschätzung. Möglich wäre allerdings auch eine Übertragung von Öl durch ein geöltes Pauspapier, das beim Abpausen der Zeichnung aufgelegt worden wäre; allerdings entspricht der nur punktuelle Öltransfer nicht den an den Karlsruher Pausen beobachteten Merkmalen, die meist detailreich angefertigt wurden und daher Voraussetzungen für eine gleichmäßige Ölübertragung boten. Der Abdruck eines geölten Papiers (Abdruck) muss auch nicht zwingend mit einem möglichen Pausvorgang der Zeichnung zusammenhängen, sondern kann auch durch eine gemeinsame Lagerung der Zeichnung mit einem geölten Papier zustande gekommen sein. Dem vergleichbar hängen der Flüssigkeitsspritzer und die grüne Pigmentablagerung wohl jeweils mit Werkstattaktivitäten zusammen, aber eine Verbindung etwa mit Druckvorbereitung ist nicht zwingend festzumachen. Zu dem Druck in Giovanni Battista Piranesis Werk Vasi, candelabri (1778) verhält sich die Zeichnung weitgehend deckungsgleich (Abb. 1), wobei allerdings der Fuß etwas verschmälert wurde, und die Pfeiler neben den Schlangenköpfen verbreitert. Der Transfer auf die Druckplatte wurde wohl auch durch Einstichlöcher unterstützt, mit denen markante Formenpunkte durch Stiche direkt auf die Platte übertragbar gewesen sein mochten. Die Platte erfuhr einige Korrekturen der Ätzung insbesondere entlang der Konturen des Kandelabers (Abb. 2).
Abb. 1: Überblendung der Zeichnung mit dem Druck Weitere Informationen zu den Fachbegriffen finden Sie im Glossar.
Maria Krämer und Irene Brückle
Schlagwörter
- Rötel
- Fetthaltiger schwarzer Stift (Kreide)
- Holländisches Papier
- Giovanni Battista Piranesi
- Piranesi-Werkstatt
- Stilistische Gruppe 11
- Straßburger Lilie (Beizeichen: C&I Honig, Bienenkorb)
- IV-Monogramm
- Graphit
- IX 5159-35-45-1
- Dreifuß
- Apoll
- Schlange
- Papiermühle C&I Honig, Zaan-Distrikt
GND-Begriffe
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