
Die Karlsruher Piranesi-Klebealben digital
Einführung und Nutzung
Irene Brückle, Maria Krämer und Dorit SchäferDie Forschungsdatenbank macht die in den beiden Karlsruher Klebebänden enthaltenen 297 Zeichnungen zugänglich. Wie das digitale Angebot mit seinen kunsthistorischen und restauratorischen beziehungsweise kunsttechnologischen Inhalten aufgebaut ist, erfahren Sie hier.
- Allgemeines
Über viele Jahrhunderte wurden Werke auf Papier – Zeichnungen und Druckgraphiken – in gebundene Alben geklebt und so archiviert.[1] In diesen Klebebänden waren sie geschützt, wurden thematisch geordnet und konnten von Sammlern und interessierten Besuchern beim Blättern der Alben betrachtet werden. Die Erforschung und museale Präsentation heute noch in ihrer originalen Form erhaltener Klebebände bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich. So lassen sich die Einzelblätter in einem gebundenen Zusammenhang weder nebeneinander studieren noch gleichzeitig in einer Ausstellung zeigen. Vielfach wurden daher vor allem in der frühen Vergangenheit derartige Alben auseinandergenommen, ihre Blätter abgelöst, auch ausgeschnitten und in Passepartouts einzeln montiert.[2] Der historische Zusammenhang, in dem sie lange Zeit aufbewahrt und rezipiert wurden, war damit zerstört.
Für die beiden großformatigen Karlsruher Klebebände mit insgesamt 298 Blättern aus der Werkstatt Piranesis, von denen mindestens 43 auch rückseitig bearbeitet sind, wurde nach eingehenden Erörterungen die Entscheidung gefällt, sie in ihrer historischen, seit 150 Jahren unberührten Zusammenstellung zu belassen. Dieser Entscheidung kam die Planung einer umfassenden digitalen Präsentation der Alben und der eingeklebten Zeichnungen entgegen. Die digitale Plattform bietet damit wesentliche Vorteile, denn sie repliziert die Bilderabfolge in leicht navigierbarer Form, lässt ein sogar zügiges, der Übersicht dienendes „Blättern“ der Albumseiten zu und erlaubt eine Vertiefung in einzelne Werkbeschreibungen sowie ein vergleichendes Arbeiten über Suchbegriffe; dies erfolgt auf einer Ebene mit den digitalisierten Zeichnungen ohne einen Wechsel der Medien. Zeichnungen, die analog nicht einzeln und damit flexibel zusammengestellt betrachtet werden können, lassen sich hier anhand ihrer digitalen Dateien auch in Detailansichten leichter nebeneinanderstellen. Die Internetseite ermöglicht eine hohe Vergrößerung unter nahtloser Einbindung spektralfotografischer Bilder, die innerhalb der Forschung entstanden.
Für das Forschungsteam war die direkte Auseinandersetzung mit und vor dem analogen Werk von zentraler Bedeutung. Die Relevanz solcher Arbeit lässt sich im Kontext dieser digitalen Präsentation durchaus bekräftigen. Gleichzeitig sind aber auch die Vorteile der Digitalität offensichtlich, denn in analoger Form hätten die Ergebnisse nicht in der hier kommunizierten Breite vermittelt werden können.
Damit ist auch die Frage der Nachhaltigkeit des Projekts in Bezug auf künftige Forschungen angesprochen. Denn die Zeichnungen können als Ausgangspunkt für Untersuchungen an anderen Werken dienen, die sich vor dem Hintergrund der hier erarbeiteten Zusammenhänge neu betrachten lassen. Diesem Anliegen dient auch die umfassende kunsthistorische und kunsttechnologische Bilddokumentation als Bestandteil der Digitalpräsentation. Sie ermöglicht zudem die Einbindung von Verweisen auf neue Forschungen und die Aktualisierung der hier vorgelegten Forschungsresultate. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die Karlsruher Plattform sich in Verbindung mit anderen Digitalpräsentationen lesen lässt, in denen Piranesis römische Jahre mit Blick auf seine Druckwerke auswertend darstellt werden.[3] Der Wechsel vom endlos replizierfähigen und allerorts abrufbaren Digitalisat zurück zum unikalen Original ist aber schon mitgedacht, auch wenn die digitalen Bilddokumente technisch spezifische Ansichten der Werke schaffen, die in vergleichbarer Form analog gar nicht möglich wären. Daher darf die digitale Präsenz der Karlsruher Zeichnungen auch als Anreiz für eine anschließende Überprüfung am Original gelten. Denn der unerschöpfliche Erkenntniswert des Originals liegt in seiner Materialität begründet und bleibt daher wirkungsvoll im direkten Kontakt erfahrbar – das analoge Erlebnis der Alben ist also nicht digital ersetzbar. Die Piranesi-Datenbank „In Piranesis Werkstatt: Die Karlsruher Alben“ der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ist trotzdem und schon aufgrund ihrer uneingeschränkten Zugänglichkeit unverzichtbar, ohne dabei in Konkurrenz mit dem Original zu treten.
Werkbeschreibungen
Diese sind in maximal acht kunsthistorische und fünf kunsttechnologische Abschnitte gegliedert, die als zwei fachlich aufeinander abgestimmte Teile in einem gemeinsamen Zusammenhang entstanden sind und aufeinander verweisen. Diese beiden Teile lassen auch inhaltliche Überschneidungen in Bereichen zu, in denen Beschreibungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln einander fruchtbar ergänzen. So wird man Erläuterungen zu den materiellen Vorgängen sowohl in den kunsthistorischen Abschnitten Graphischer Transfer und mediale Umsetzung und Zeichenstil als auch in den kunsttechnologischen Abschnitten Zeichnerischer Prozess und Prozesse historischer Nutzung finden. Begriffe, die das Verständnis der Texte erleichtern, sind mit Glossareinträgen[4] hinterlegt. Zeichnungen, die nur in einem Zusammenhang als Gruppe sinnvoll auszuwerten waren, haben einen Gruppentext erhalten, der in einer hierfür ausgewählten Werkbeschreibung verankert ist. Bei den 25 Zeichnungen von Rosetten beispielsweise ist der Gruppentext bei der ersten Rosette unter Inv. IX 5159-36-22-1 verankert (die Werkbeschreibungen der weiteren zugehörigen Zeichnungen enthalten in diesem Fall nur wesentliche Kerndaten).
Essays
Autorschaften der Texte und Bilder: Die Autorinnen und Autoren der Texte sind jeweils unter den einzelnen Abschnitten genannt. Die Fotografien sind ebenfalls entsprechend gekennzeichnet bzw. verweisen ggf. auch mit Copyright auf externe Sammlungen. Siehe auch Impressum.
Herunterladen: Die einzelnen Kapitel der Werkbeschreibungen können jeweils separat und einschließlich der im Text eingebrauchten Abbildungen als pdf heruntergeladen werden. Die Zoombilder sind separat speicherbar.
Zitierweise: Die Beiträge sollten unter Nennung des Titels (Essay, Werkbeschreibung und ggf. Kapitel darin), der Autorinnen und Autoren sowie des zitierfähigen Links und des Versionsdatums zitiert werden. Beispiel Werkbeschreibung: Georg Kabierske: Adlerrelief, Zuschreibungshypothesen, Die Karlsruher Piranesi-Klebebände, Bd. I, Inv. Nr. IX 5159-35-35-1), Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, www.piranesi.de/de/werk/48/adlerrelief-santi-apostoli/1, Version vom 15.11.2021 (abgerufen am 12.05.2022). Beispiel Essay: Maria Krämer: Mit Öl und Wasser kopiert, Die Karlsruher Piranesi-Klebebände, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, www.piranesi.de/de/essay/2/Mit-oel-und-Wasser-kopiert, Version vom 12.11.2021 (abgerufen am 12.05.2022).
Einzelnachweis
1. Arnold Nesselrath: Der Zeichner und sein Buch. Die Darstellung der antiken Architektur im 15. und 16. Jahrhundert, Ruhpolding/Wiesbaden 2014. Ingrid Vermeulen: Paper Museums and Multimedia Practice of Art History. The Case of Stefano Mulinari’s ‘Istoria Practica’ (1778–1780) in the Uffizi, in: Mala Wellington Gahtan (Hg.): Giorgio Vasari and the Birth of the Museum, Farnham 2014, S. 217–231.
2. Olaf Simon, Diese[s] Loch mitt blauer lufft au.zufüll[en] – Die konservatorische Praxis im 18. Jahrhundert am Beispiel der niederländischen Zeichnungen, in: Thomas Ketelsen/Oliver Hahn/Petra Kuhlmann-Hodick (Hg.): Zeichnen im Zeitalter Bruegels. Die niederländischen Zeichnungen des 16. Jahrhunderts im Dresdener Kupferstich-Kabinett – Beiträge zu einer Typologie, Köln 2011, S. 89–111. Peter Bower: Information Loss and Image Distortion resulting from the Handling, Storage and Treatment of Sketchbooks and Drawings, in: The Institute of Paper Conservation: Conference Papers Manchester 1992, Worcester, UK, S. 61–67. Almuth Corbach: Brüche in der Biographie. Eine Spurensicherung, in: Ulrike Gleixner/Constanze Baum/Jörn Münkner/Hole Rößler: Biographien des Buches, Göttingen 2017, S. 412–430, 469–473.
3. So etwa die Seite „The Theater that was Rome“ unter der Leitung von Evelyn Lincoln an der Brown University um 2011 entstand und die historische Kartographie des 16. bis 18. Jahrhunderts thematisiert; sowie „Piranesi in Rome“ des Wellesley College, wo u. a. auf einer Karte Roms die von Piranesi in seinem Druckwerk publizierten antiken Monumente mit entsprechenden Erklärungen verlinkt sind, dienlich einer geographischen Orientierung (ein kollaboratives Projekt in Zusammenhang mit einer von Meredith Fluke mit Kimberley Cassibry und Lisa Oliver organisierten Ausstellung: Reframing the Past: Piranesi's Vedute di Roma (2016). Außerdem zu erwähnen ist das von Maria Cristina Misiti und Giovanna Scaloni herausgegebene Multimediabuch Giambattista Piranesi, Sognare il Sogno Impossibile.
4. Die kunsthistorischen Glossareinträge wurden von Georg Karbierske, Bénédicte Maronnie und Astrid Reuter, die restauratorischen Glossareinträge von Irene Brückle und Maria Krämer verfasst.
- Struktur der Werkbeschreibungen
Teaser
Hier wird ein leichtfüßiger Einstieg zum Werk geboten, inspiriert von Beobachtungen der Teammitglieder und in wechselnder Autorschaft verfasst. Einzelne, gelegentlich in die Zoombilder eingefügte Hotspots ergänzen diesen Zugang text- und bildlich.
Hotspots
Über dem Mikroskop-Button sind knapp gehaltene Informationen zu Details der Einzelblätter abrufbar. Ausgestattet mit Detailfotografien der jeweiligen Ausschnitte erlauben sie auch nicht-wissenschaftlich interessierten Nutzer*innen einen explorativen Zugang zu den Zeichnungen.
Zoombilder
Den Einträgen zugeordnet ist jeweils eine Serie von sechs Multispektralfotografien (MSI).[1] Das Auflichtbild (VIS) zeigt das Werk unter den gewohnten Bedingungen des sichtbaren Lichts; in einigen Fällen wird diese durch eine Aufnahme im Streiflicht ergänzt. Die weiteren Bilder (UVR, UVFC, UVF, IRR, IRFC) sind unter verschiedenen spektralen Strahlungsbedingungen entstanden. Diese hochauflösenden MSI-Bilder lassen sich über eine Zoomfunktion navigieren, sodass die jeweilige Zeichnung ausschnittsweise vergrößert betrachtet werden kann. Auch in einer vergrößerten Ansicht kann man zwischen den Zoomebenen und damit den unterschiedlichen MSI-Aufnahmen deckungsgleich wechseln, womit manche Aspekte der Zeichenmedien, Übertragungsspuren, Öl- und sonstigen Nutzungsspuren deutlicher hervorgehoben sind und daher eingehender betrachten lassen. Die MSI-Aufnahmen sind in den Texten an entsprechender Stelle referenziert. Eine Aufnahme im Durchlicht zeigt Strukturmerkmale des Papiers und rückseitig liegende Zeichnungen und Beschriftungen. In einigen Fällen sind Kartierungen eingefügt, die Zeichenmedien, Merkmale der zeichnerischen Arbeit oder der Nutzung der Zeichnungen hervorheben.
Kerndaten
Hier sind die wichtigsten Kerndaten zu dem Werk versammelt. Die knappen Angaben beinhalten Informationen zum Künstler, dem Entstehungszeitraum der Zeichnung, den Zeichenmedien und dem Papier, auch zur Inventarnummer sowie zur Rückseite und Beschriftungen. Die Blattmaße in Höhe x Breite (mm) wurden an der Stelle der größten Ausdehnung gemessen. Alle weiteren Erläuterungen finden sich in den darauffolgenden Texten.
Kunstgeschichte
Im kunsthistorischen Teil entspricht die Gliederung den inhaltlichen Gewichtungen, die den Forschungsverlauf kennzeichnen. Ausgewählte Blätter, die von besonderer Bedeutung sind, werden ausführlicher analysiert, während Motivgruppen (wie die Rosetten und eine Reihe von kleinformatigen Einzelfiguren) in gemeinsamen Texten behandelt werden. Werke, die für die Gesamtauswertung des Projekts keine eigene Werkbeschreibung erforderten, sind mit Verweis auf den Essay „Stilistische Gruppen“ markiert. Vergleichsabbildungen innerhalb der Texte wurden fallweise als vergrößerbare Zoom-Images eingebunden.
Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Die Identifikation des Bildgegenstandes und seine inhaltliche Bedeutung wurden an den Beginn der kunsthistorischen Erläuterungen einer Zeichnung gesetzt. Diese bezieht sich sowohl auf das dargestellte Motiv (Volutenkonsole, Wellenrankenrelief) als auch den Herkunftsort des gezeichneten Objektes, wenn es identifiziert werden konnte. Zudem gewährleistet diese Kategorie eine erste, wichtige Einordnung des dargestellten Gegenstandes und seiner Rezeption in der Werkstatt und im Umfeld Piranesis.
Beschreibung und Komposition
Eine ausführliche Beschreibung der jeweiligen Zeichnung ist die Grundbedingung für die Erschließung ihrer Darstellung und ihrer individuellen Zeichenweise. Diese genaue Betrachtung und ihre anschließende Verbalisierung liefern bereits wichtige Hinweise für ihre Funktion, den jeweiligen Werkstattprozess, in dem sie entstanden sein könnte, sowie bisweilen für ihre Zuschreibung.
Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Zahlreiche Karlsruher Zeichnungen stehen in engstem Bezug zu druckgraphischen, plastischen und architektonischen Werken Piranesis. Es gibt aber auch Skizzen, vor Ort entstandene Antikenzeichnungen, Abklatsche und andere Zeichnungstypen, die im bisher bekannten Œuvre Piranesis wenig erforscht wurden. Der größte Teil ist unterschiedlichen Mitarbeitern seiner Werkstatt zuzuschreiben, verschiedentlich ist jedoch auch seine eigene Handschrift erkennbar. In Kombination mit der Frage nach Typus, Zeichentechnik und Funktion wurde versucht, Aufschlüsse zur Organisation der Piranesi-Werkstatt zu gewinnen und jedes Blatt innerhalb des Werkstattzusammenhangs zu verorten, wobei oftmals eine multiple Autorschaft erkennbar ist.
Ableitung, Rezeption und Dissemination
Dieser Abschnitt ist der oftmals internationalen Verbreitung der dargestellten Motive gewidmet: Einerseits waren viele der antiken Ornamente und Architekturmotive, die in den Zeichnungen der Karlsruher Alben vertreten sind, bereits vor ihrer Verwendung in Piranesis Werkstatt in Künstlerkreisen bekannt, unter anderem durch ihre druckgrafische Vervielfältigung. Andererseits war Piranesis eigene Stellung als zentrale Figur eines internationalen Netzwerks von zum Teil einflussreichen Personen, die Zeichnungen austauschten, als Grundlagen ihrer eigenen Arbeiten nutzten oder als Vorlagen für Druckgrafiken weiterverwendeten, von größter Bedeutung für die Verbreitung seiner Motive und innovativen Bildfindungen. An dieser Stelle führte die Auswertung einer Reihe weiterer Alben in europäischen und amerikanischen Sammlungen mit vielfältigen Zeichnungen und Abklatschen von Architektur-, Ornament- und Figurenzeichnungen zu neuen und bedeutsamen Forschungsergebnissen.
Graphischer Transfer und mediale Umsetzung
Ein komplexes Themengebiet bietet die mediale Umsetzung des zeichnerischen Werks Piranesis hinsichtlich seines übrigen künstlerischen und intellektuellen Œuvres. Etliche Zeichnungen in den Karlsruher Alben weisen Bezüge zu seinen Radierungen auf (insbesondere Motiven aus der Druckserie Vasi, candelabri, cippi sarcofagi, tripodi, lucerne ed ornamenti antichi disegnati ed incisi dal Cav. Gio. Batta. Piranesi aus den 1770er Jahren). Darüber hinaus sind Konstruktionszeichnungen und Vorarbeiten zu einigen seiner skulpturalen Werke vorhanden, in denen er antike Skulpturen mit eigenen ornamentalen Erfindungen kombinierte. Auch mit seiner einzigen ausgeführten Architektur, der Kirche Santa Maria del Priorato, stehen einige Blätter in engem Zusammenhang. Die mögliche Funktion einer Zeichnung für die Umsetzung eines Motivs in einem anderen Medium wurde jeweils in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen aus der Kunsttechnologie erörtert.
Zeichenstil
Eine genaue Analyse des jeweiligen Zeichenstils ist unabdingbar für die Einordnung in stilistische Gruppen und ihre jeweilige Stellung im Kontext von Piranesis Werkstatt. Neben den sicher gesetzten, energisch skizzierten Linien Giovanni Battistas stehen sorgfältig ausgeführte, die offenbar einem Vorbild verpflichtet sind. Aber auch suchende, unsichere Linienführungen sind auszumachen sowie konstruktive, einer vorhandenen oder bereits existierenden Proportion verpflichtete. Oftmals können mehrere Hände vermutet werden, die auf eine kollektive zeichnerische Tätigkeit innerhalb der Werkstatt hinweisen.
Zuschreibungshypothesen
Die Analyse des Zeichenstils führt zu den Zuschreibungshypothesen, die als work in progress verstanden werden können und eine erste Annäherung an die Arbeitsprozesse in Piranesis Werkstatt sind. Ein einführender Text von Georg Kabierske und Bénédicte Maronnie, unter Mitarbeit von Christoph Frank, erläutert die Überlegungen und die Bildungen von bislang 15 zu unterscheidenden Gruppen sowie einigen Sonderfällen. Insbesondere in dieser Fragestellung ist eine digitale Publikation in Form der Datenbank von großem Wert, bietet sie doch die Möglichkeit zur Integration zukünftiger Kommentare und differierender Ansichten und damit zu einer weiter reichenden wissenschaftlichen Diskussion.
Restaurierung
Der kunsttechnologische Teil umfasst Auflistungen der wesentlichen materiellen Merkmale des Papiers, der Zeichenmittel und der historischen Nutzung der Zeichnung, erarbeitet von Maria Krämer unter Beteiligung von Irene Brückle. Zwei Textabschnitte erläutern unter Auswertung der Merkmale den zeichnerischen Prozess und die historische Nutzung der jeweiligen Zeichnung. Die Länge der Einträge variiert entsprechend der materiellen Komplexität der besprochenen Zeichnung.
Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Die Wasserzeichen sind jeweils mit dem Durchlichtfoto in den Zoombildern hinterlegt und über das Wasserzeicheninformationssystem abrufbar. Publizierte Belege und verwandte Werke mit vergleichbaren Wasserzeichen in anderen Sammlungen sind ebenfalls aufgeführt.
Herstellungsmerkmale:
Zuerst werden einige Merkmale aufgelistet, die insgesamt für die Struktur des Papiers gültig sind: Festgestellt wird der Status seiner Farbigkeit (fast alle Papiere sind ungefärbt, einige sind gebläut), eingeschätzt werden anhand der visuellen Begutachtung seine Stärke und wahlweise auch seine Nachgiebigkeit; letztere war auch beim sachten Umwenden der Albumseiten bemerkbar und auf diese Weise überprüfbar. Alle weiteren Merkmale sind dem Ablauf der Papierherstellung entsprechend sortiert. Dazu gehören: Bemerkungen zu Auffälligkeiten des aus Hadern (Lumpen) gefertigten, gelegentlich knötchenhaltigen Faserstoffs; darin enthaltene metallhaltige oder andere Einschlüsse; die bei der Blattformung durch die Drahtstruktur des Schöpfsiebs festgelegte Faserverteilung, die als Siebstruktur im Durchlicht ablesbar ist (auch Spanndrähte tauchen hier gelegentlich auf); durch das Ablegen entstandene Gautschfalten; die durch die Trocknung über einem Seil entstandene Trocknungsfalte; auf der Papieroberfläche ablesbare Siebmarkierungen und Filzmarkierungen; und schließlich Hinweise auf eine Gelatineleimung sowie die häufig darauffolgende Glättung des Papiers mit den damals üblichen Glättsteinen. Diese Merkmale nehmen Einfluss auf die Rauheit der Papieroberfläche, und damit auch auf die Art, wie sich Farbmittel darauf anlagern können.
Die Papiere werden darüber hinaus in einem Essay über Wasserzeichen zusammenfassend ausgewertet.
Merkmale der Zeichenmittel
Die Zeichenmedien werden generell in der Abfolge ihrer Verwendung genannt und anhand charakteristischer morphologischer Merkmale beschrieben. Besonders häufig finden sich in den Karlsruher Zeichnungen schwarze Kreide, ein ihr eng verwandter fetthaltiger schwarzer Stift und Rötel, weshalb diese variantenreichen Stifte in vielen Werkbeschreibungen auftreten; relativ häufig finden sich Graphit sowie einige schwarze, braunschwarze und braunfarbige Zeichenflüssigkeiten. Sie umfassen Eisengallustinte, vermutlich Bister sowie eine kohlenstoffbasierte schwarze Tusche und womöglich vereinzelt auch Mischungen. Diesen kurzen Abschnitten zur Seite gestellt sind unter dem Mikroskop entstandene Fotos von Ausschnitten, die als „Detail“ die Beschreibungen bildlich unterstützen. Die Details beinhalten bisweilen Streiflicht- und „close-up“-Aufnahmen, die über die Zoomfunktion zugänglich sind. Diese werden ergänzt durch Verweise auf relevante MSI-Bilder, deren Zoomfunktion zusätzlich eine Nahsicht auf entsprechende Merkmale ermöglicht.
Typische Erscheinungsbilder der Zeichenmittel sind dann genannt, wenn sie zur Identifizierung beitrugen; im Fall von Graphit wird zum Beispiel ein leichter, im Reflexlicht auftretender Glanz erwähnt, denn in der Gesamtansicht sieht Graphit einem leichten Auftrag schwarzer Kreide ähnlich. Davon abgesehen werden grundsätzliche Erscheinungsbilder in einem künftigen Essay (2023) über die Zeichenmedien vertieft und ergänzt durch Essays über die Kopierverfahren der Pause und des Abklatschs sowie den damit zusammenhängenden Versuchen zu Kopierverfahren.
Der jeweilige Einzeleintrag beginnt in der Regel mit denjenigen Merkmalen, die schon bei geringer Vergrößerung erkennbar sind. Bei Kreiden wird dabei ein leichter oder kräftiger Strich unterschieden, der schmal oder breit, nichtdeckend oder deckend ausfallen kann. Der Stift kann dabei auch streifig oder furchig sowie in das Papier eingedrückt erscheinen. Die Kreide- oder Graphitpartikel können sich unterschiedlich auf den Erhebungen und in den Vertiefungen der Papieroberfläche verteilt angelagert haben. Abweichungen von der naturgemäß eher rau erscheinenden Oberfläche von Kreidestrichen treten vor allem in Form einer Verdichtung auf. Striche können kompakt, gelegentlich auch pastos und im Reflexlicht glänzend erscheinen. Tinten und Tuschen treten in konzentrierter oder verdünnter Form (in diesem Fall mit einem transluzenten Erscheinungsbild) auf. Höfe in Form bräunlicher Verfärbungen rings um gezeichnete Linien sind sowohl bei Eisengallustinte wie auch bei dem fetthaltigen schwarzen Stift (Kreide) ein identifizierendes Merkmal, das häufig auch in den Zoombildern unter UVF nachvollziehbar ist. Des Weiteren werden Abrieb, Verwischen und Ablagerungen von Zeichenmitteln – vor allem der Kreiden – notiert. Ob im Einzelnen Merkmale wie Abrieb oder Verwischen einen historisch relevanten Bezug haben oder aber ein Resultat unspezifischer Alterungsvorgänge sind, wird jeweils im Gesamtkontext bewertet.
Zeichnerischer Prozess
Die chronologische Darlegung des zeichnerischen Ablaufs beginnt bei geometrisch anspruchsvollen Zeichnungen häufig mit teils aufwendigen Konstruktionslinien, die teils auch mithilfe eines Zirkels entstandene Blindlinien einbeziehen. Fast alle Zeichnungen, vor allem aber komplexe Darstellungen, entstanden über einer mehr oder weniger ausführlichen Vorzeichnung, der dann die Ausarbeitung häufig in mehreren Zeichenmitteln und in mehreren Etappen folgte. Dieser Prozess konnte Techniken wie das Schummern oder Lavieren beinhalten. Viele der Zeichnungen wurden darüber hinaus überarbeitet, um Details der Darstellung zu akzentuieren. Die Kreiden zeigen gelegentlich aus dem Zeichnungsprozess resultierende Kontaktübertragungen, die beim Kopieren eines Motives entstanden. Bei Mischtechniken wird gelegentlich eine zuvor aufgetragene Kreide zum Beispiel durch Pinsellavierungen feucht verschleppt. Zu den zeichnerischen Techniken gehört zudem die Anwendung von Stecknadeln die durch entsprechende, häufig paarige Einstichlöcher erkennbar sind. Auch das Entfernen von Farbmittel durch Tilgung und das Griffeln zum Übertragen von Motiven treten auf.
Merkmale historischer Nutzung
Hier werden ausschließlich Merkmale genannt, die in einem Zusammenhang mit historischen Nutzungen der Zeichnung bis zum Zeitpunkt ihres Eingangs in die museale Sammlung entstanden sein können. Nicht einbezogen sind sonstige Alterungsspuren, etwa eine alterungsbedingt typische, im Übrigen meistens nur leichte Vergilbung des Papiers. Notiert werden geschnittene oder gerissene Blattkanten, Verwellungen oder durch eine Faltung des Papiers entstandene Knicke; Ablagerungen wie Kreidepartikel, Spolvero, Flüssigkeitsspritzer, Ölflecke, Finger- und Handabdrücke sowie schwarze Tuscheflecke (letztere sind der Nutzung der Zeichnungen in der Weinbrennerschule zuzuordnen); und durch Kontaktübertragung entstandene Ablagerungen von Öl, Farbmitteln und Substanzen, die mit der Entstehung der Zeichnung oder ihrer Nutzung, etwa zum Übertragen auf eine Druckplatte, zu tun haben. Ob im Einzelnen Abrieb oder Verwischen (siehe Merkmale der Zeichenmedien) einen historisch relevanten Bezug haben oder aber ein Resultat unspezifischer Alterungsvorgänge sind, wurde jeweils in Zusammenhang mit der Gesamterkenntnis bewertet.
Prozesse historischer Nutzung
Etliche Zeichnungen wurden in der Piranesi-Werkstatt für die Übertragung auf eine Druckplatte verwendet, einige wurden für Abklatsche oder Ölpausen genutzt, die zur Herstellung von Kopien dienten. Und sie wurden auch in der Karlsruher Weinbrennerschule eingesetzt, was in Tuscheflecke und auch Klebstoffspuren auf den Zeichnungen hinterließ. In diesem Abschnitt ist die für viele Zeichnungen wichtige Montierungshistorie eingebettet, die mindestens eine frühere Montierung noch vor der Montierung der Weinbrennerzeit beinhaltet, und in diesem Zusammenhang häufig auftretende Klebepunkte. Diese Merkmale werden zusammenfassend in einem Essay zu den historischen Montierungen erläutert.
Einzelnachweis
1. Durchgeführt von Annette Keller, artIMAGING
GND-Begriffe
Permalink | piranesi.kunsthalle-karlsruhe.de/de/essay/16/einfuhrung-und-nutzung
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