Bruchstellen im Marmorblock und Details wie der fehlende Unterarm der Figur deuten an, dass es sich hier um ein antikes Fragment handelt. Die Zeichnung beschönigt nicht, sondern hebt das Fragmentarische des Originals hervor. Zur Entstehungszeit des Blattes war das Relief, das als Vorlage diente, bereits restauriert. Warum bemühte sich der Zeichner also darum, einen früheren, beschädigten Zustand wiederzugeben?
Werkdaten
Künstler
Unidentifizierter Schüler der Piranesi-Werkstatt, Gruppe 9
Ort und Datierung
Rom, zweite Hälfte der 1760er Jahre, sicher vor 1778
Abmessungen (Blatt)
248 x 156 mm
Inventarnummer
IX 5159-36-8-7
- Zeichenmedien
Schwarze Kreide; weitere Informationen siehe: Merkmale der Zeichenmedien
- Beschriftungen
Keine
- Literatur
Unpubliziert
- Hadernpapier
Holländische Herstellung, Papierfabrikant Van der Ley (Zaan-Distrikt); Zeichnung auf der Siebseite; weitere Informationen siehe: Merkmale des Papiers
- Rückseite
Keine erkennbaren Hinweise auf eine rückseitige Bezeichnung oder Beschriftung
Das Werk im Detail
- Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung
Das in dem Zeichnungspaar (dieses Blatt und das andere Fragment eines Reliefs, IX 5159-36-9-1, siehe auch Prozesse historischer Nutzung) fragmentiert wiedergegebene rechteckige antike Marmorrelief (Abb. 1)[1] besteht aus insgesamt vier Figuren, die als Priester und Priesterinnen des ägyptischen Isis-Kultes gedeutet werden. Die nachgezeichneten Figuren entsprechen der ersten, die Prozession anführenden Priesterin, und dem dritten Priester. Es gehörte ehemals zu der Anfang des 17. Jahrhunderts angelegten Sammlung von Asdrubale Mattei (1556–1638) und befand sich in dem nach Plänen von Carlo Maderno (1556–1629) gebauten Palazzo in der via de‘Funari. Zu einem unbekannten Zeitpunkt, wahrscheinlich schon Anfang des 17. Jahrhunderts, wurde es in die östliche Wand des Innenhofes über einem Fenster im Erdgeschoss eingemauert. Laut den von Lanciani überlieferten Archivalien wurde das Relief 1801 von der Familie Mattei dem Radierer, hier sicherlich als Kaufvermittler tätigen Tommaso Piroli (1752–1824) und dem englischen Maler und Antikenhändler George Augustus Wallis (1770–1847) verkauft. Daraufhin wurde ein Gipsabguss im Palazzo Mattei eingesetzt. Um den Auslandsexport der Sammlungsobjekte der Familie Mattei zu verhindern, erwarb Papst Pius VII. (1800–1823) das Relief und stellte es in den Vatikanischen Museen (ehem. Museo Chiaramonti) aus, in deren Bestände bereits 1770 mehrere Stücke der gleichen Familiensammlung eingegangen waren.[2]
Abb. 1: Relief mit Isisprozession, hadrianische Zeit? (modern stark überarbeitet), Marmor, 147 x 73 cm, Rom, Vatikanische Museen, Museo Gregoriano Profano, 16637
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Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Amelung datiert es in hadrianische Zeit. Siehe: Filippo Aurelio Visconti/Giuseppe Antonio Guattani: Il Museo Chiaramonti descritto e illustrato, Mailand 1820, Taf. II, S. 11–24; Rodolfo Lanciani: Storia degli scavi di Roma e notizie intorno le collezioni romane di antichità, Bd. 3, Rom 1907, S. 99f.; Walther Amelung: Die Skulpturen des Vaticanischen Museums, 3 Bde., Berlin 1908, Bd. 2, 1, Nr. 55, S. 142–145, Taf. 7; Lucia Guerrini: Le sculture di Palazzo Mattei, Rom 1972, S. 9 und 14, Abb. 16 a–b; Giuseppe Botti/Pietro Romanelli: Le sculture del Museo Gregoriano egizio, Vatikanstadt 1981, S. 127, Nr. 211.
2. Zur Sammlungsgeschichte der Familie Mattei siehe Louis Hautecoeur: La vente de la collection Mattei et les origines du Musées Pio-Clémentin, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire 30, 1910, S. 57–75; Gerda Panofsky-Soergel: Zur Geschichte des Palazzo Mattei di Giove, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 11, 1967/68, S. 111–188, zur Skulpturensammlung im Innenhof ebd., S. 150–152.
- Beschreibung und Komposition
Das Relief ist in einem fragmentarischen Zustand unter Angabe der fehlenden Elemente nachgezeichnet. Die hier und in der Zeichnung IX 5159-36-9-1 widergegebenen Figuren sind nach rechts gewandt. Die weibliche Figur ist im ägyptischen Profil dargestellt (Gesicht im Profil, Schultern fast frontal) und trägt einen langen, die Füße bedeckenden Chiton mit Röhrenfalten. Über ihren Haaren trägt sie eine schlichte, bis in den Nacken reichende Kopfbedeckung. Hierbei handelt es sich um eine falsche Interpretation der Vorlage, da die Figur auf dem Marmorrelief keine Kopfbedeckung trägt – ihre Haare sind auf dem Kopf glatt gekämmt und fallen in Locken in den Nacken. In ihrer rechten herabhängenden Hand hält die Priesterin ein kleines Gefäß mit rundem Henkel (Situla). Der vorgestreckte linke Vorderarm ist abgebrochen. Entweder wollte der Zeichner hier die Bruchstelle dokumentieren, wie die zart gezeichnete Zickzacklinie vermuten lässt, oder aber er verzichtete auf diese Partie, da ihm die Darstellung der Hand Schwierigkeiten bereitete. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Arme proportional viel zu groß dargestellt wurden. Auf dem restaurierten Marmorrelief sind zudem die in der Zeichnung fehlenden Attribute der Isispriesterin zu sehen: die Lotusblume auf ihrer Stirn sowie die Uräusschlange um ihren linken Arm. Die zweite, männliche Figur, in der Literatur als Priester oder Prophet bezeichnet,[1] trägt einen langen Mantel, der den Hinterkopf und beide Arme bedeckt (IX 5159-36-9-1). Die Arme nach vorn gestreckt, hält er mit verhüllten Händen ein heiliges bauchiges Gefäß (Hydria) mit hohem Hals und zwei Henkeln. Im Marmorrelief hingegen ist lediglich ein Henkel mit einer Uräusschlange zu erkennen.[2] Auf dem Reliefgrund hinter bzw. links von der Figur ist in der Zeichnung ein leicht angedeutetes Schöpfgefäß (Simpulum) zu erahnen, das in der Vorlage von der letzten Prozessionsfigur gehalten wird. Die Umrahmung des Mamorreliefs mit lesbischem Kyma ist in den gezeichneten Relieffragmenten nicht wiedergegeben.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Zur Sammlungsgeschichte der Familie Mattei siehe Louis Hautecoeur: La vente de la collection Mattei et les origines du Musées Pio-Clémentin, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire 30, 1910, S. 57–75; Gerda Panofsky-Soergel: Zur Geschichte des Palazzo Mattei di Giove, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 11, 1967/68, S. 111–188, zur Skulpturensammlung im Innenhof ebd., S. 144.
2. Siehe ausführliche Beschreibung nach Apuleius (2. Jahrhundert n. Ch.) in Filippo Aurelio Visconti/Giuseppe Antonio Guattani: Il Museo Chiaramonti descritto e illustrato, Mailand 1820, S. 19.
- Einordnung in das Gesamtwerk Piranesis
Im Gegensatz zu früheren Darstellungen des Reliefs geben beide Zeichnungen die Marmortafel in ihrem fragmentarischen Zustand wieder. Das Relief müsste jedoch schon früh restauriert worden sein, da es sich seit dem 17. Jahrhundert über einem Fenster der Ostfassade des Innenhofs des Palazzo Mattei befand. Da es unwahrscheinlich ist, dass frühere Restaurierungseingriffe im 18. Jahrhundert entfernt wurden, stellt sich die Frage, warum das Relief hier fragmentarisch dargestellt wurde. Der Zeichner könnte die sichtbaren modernen Ergänzungen absichtlich ignoriert haben, um – einer archäologisch-antiquarischen Absicht folgend – anhand der im Marmorstück erkennbaren Risse und Brüche die antike Grundlage zu zeigen. Diese Zeichenpraxis wäre jedoch ungewöhnlich – üblicher war es, die Bruchkanten und Risse innerhalb des vollständig dargestellten Stückes anzudeuten. Plausibel erscheint vielmehr, dass der Zeichner die Figuren als Relieffragmente inszenierte, um sie isoliert darzustellen. Dass außerdem einige Details in den Zeichnungen anders als in früheren Abbildungen bzw. im restaurierten Marmorrelief erscheinen, könnte sich durch die gewählte Untersicht der Darstellungen erklären. Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint z.B. die Kopfbedeckung der Priesterin tatsächlich wie in der Zeichnung. Der Vasenhenkel in den Armen des Priesters (IX 5159-36-9-1) kann von weitem ebenfalls falsch interpretiert werden: In früheren Zeichnungen wurde der nach vorne über die Vase hinausragende Schlangenkopf beispielsweise als heilige Flamme dargestellt.[1]
Die Vorlagen für sein ägyptisches Formenrepertoire fand Piranesi vor allem in der Graphik, in den Werken des Comte de Caylus (1692–1765) und von Bernard de Montfaucon (1645–1741) sowie in prominenten römischen Ausgrabungsstätten wie der Villa Adriana oder den sallustischen Gärten (Horti Sallustiani).[2] Auch damals vorhandene ägyptische Sammlungen wie das Museo Kircheriano im Collegio Romano, die ägyptische Sammlung in der Villa Albani in Rom und das 1748 eröffnete Gabinetto Egizio im Kapitolinischen Museum waren für Piranesi und seine Zeitgenossen eine Quelle des Wissens. Erstaunlicherweise sind nur wenige Zeichnungen nach ägyptischen Motiven innerhalb Piranesis Werkstattmaterial überliefert, die beiden Karlsruher Blätter gehören zu den seltenen Beispielen. Doch ist wegen der fehlenden ägyptischen Attribute fraglich, ob der lernende Zeichner den ägyptischen Ursprung des Reliefs kannte, auch wenn es in Bartolis Druck abgebildet und entsprechend erläutert worden war.[3] Der Zeichner scheint sich auf jeden Fall weniger für den ägyptischen Charakter des Marmorreliefs als für die Dokumentation der einzelnen Figuren interessiert zu haben.
Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Siehe die Zeichnungen von Charles Le Brun (1640er Jahren) und von Pietro Testa in Dal Pozzos Sammlung, Vgl. Stéphane Loire: Charles Le Brun à Rome (1642–1645): les dessins d’après l’antique, in: Gazette des Beaux-arts 136, 2000, S. 74–102, hier S. 98; Elena Vaiani/Simonetta Prospero Valenti Rodinò/Helen Whitehouse: The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo. Egyptian and Roman Antiquities and Renaissance Decorative Arts, Serie A (Antiquities and Architecture), Teil 8, Bd. 1, London 2018, Nr. 44, S. 120f. (Helen Whitehouse).
2. Vgl. Roberta Battaglia: Le „Diverse Maniere d’Adornare i Cammini…” di Giovanni Battista Piranesi: Gusto e cultura antiquaria, in: Saggi e memorie di storia dell’arte, 19, 1994, S. 191–273, hier S. 203. Siehe auch Susanne Adina Meyer: L’antico egitto nella cultura artistica del Settecento a Roma. Iconografia, collezionismo, storiografia, in: Piero Sanna (Hg.): Il Mediterraneo nel Settecento. Identità e scambi, Neapel 2009/10, S. 163–279.
3. Vgl. Pietro Santi Bartoli/Pietro Bellori: Admiranda romanorum antiquitatum ac veteris sculpturae vestigia, Rom erste Ausgabe o. J. [um 1666], 1693, Taf. 16.
- Ableitung, Rezeption und Dissemination
Einige Stücke der Mattei-Sammlung wurden bereits im Rahmen von Cassiano dal Pozzos (1588–1657) antiquarisch-enzyklopädischem Projekt des Museo Cartaceo (Papiermuseum) zur Dokumentation der sichtbaren Spuren des antiken Roms vor 1657 nachgezeichnet. Zu ihnen gehört auch das Relief der Isisprozession, das in einer Pietro Testa (1611–1650) zugeschriebenen Zeichnung in Windsor Castle wiedergegeben ist.[1] Auch der französische Maler Charles Le Brun (1619–1690) hatte die Relieffiguren während seines Aufenthalts in Rom (1642–1644), wohin er mit Nicolas Poussin 1642 gereist war, nachgezeichnet.[2] Erschienen in seinem Livre d’antiques tirées d’après celles qui sont à Rome (Abb. 2 a/b), wird die das Gefäß tragende Priesterfigur als „Prêtre portant le feu sacré“ bezeichnet.[3]
Abb. 2a: Charles Le Brun, Weibliche Figur aus einer Isisprozession, in: Livre d’anticques tirées d’après celles qui sont à Rome, Radierung, Paris 1642–1644, Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. Français 172217, fol. 51
CC0 1.0Abb. 2b: Charles Le Brun, Männliche, eine Amphore haltende Figur aus einer Isisprozession, in: Livre d’anticques tirées d’après celles qui sont à Rome, Radierung, Paris 1642–1644, Paris, Bibliothèque nationale de France, Bibliothèque Ms. Français 172217, fol. 52
CC0 1.0Bekannt wurde das Relief vor allem durch den Druck in dem 1693 in zweiter Auflage erschienenen und weit verbreiteten Werk Admiranda romanorum von Pietro Santi Bartoli und Pietro Bellori (Abb. 3), in dessen Bildlegende auf die Sammlung Mattei verwiesen wird. Auf der Grundlage dieser Graphik entstanden mehrere weitere Darstellungen. Eine davon wurde in Montfaucons Werk L‘Antiquité expliquée et représentée en figures, publiziert in 15 Bänden zwischen 1719 und 1724, aufgenommen (Abb. 4), das für Piranesi eine besonders wichtige Quelle ägyptischer Motive war.[4] Noch prägender für den Künstler war jedoch Caylus‘ Recueil d’antiquités, dem er vereinzelt Elemente für seine gedruckten Kamine entnahm.[5] Da die hier untersuchten Zeichnungen stilistisch weit von Bartolis und Belloris Druckgraphik entfernt sind und in einzelnen Details nicht mit dieser übereinstimmen, ist eine Kopie auszuschließen. Eine weitere Abbildung des Reliefs findet sich im Katalog der Sammlung Mattei, der von Rodolfo Venuti und nach dessen Tod von Giovanni Christophano Amaduzzi bearbeitet wurde und 1776–1779, als die Sammlung größtenteils schon zerstreut war, publiziert wurde.[6] Später greift Francesco Piranesi (1756/58?–1810) in dem in Paris herausgegebenen Druckwerk Antiquité de la Grande Grèce, auf zwei Figuren desselben Reliefs zurück: Im Vordergrund der Vue de la porte de l’enceinte du Tempel d‘Isis (Abb. 5) erscheint die Figur des Priesters mit dem heiligen Gefäß mit einer weiteren, in Karlsruhe nicht dargestellten Priesterin der Prozession mit Sistrum und Simpulum. Aufgrund der formalen und stilistischen Ähnlichkeiten kann vermutet werden, dass entweder der Druck von Bartoli und Bellori oder aber der in Montfaucons Publikation hier als Vorlage diente.
Abb. 3: Relief mit Darstellung einer Isisprozession, Radierung, in: Pietro Santi Bartoli/Pietro Bellori: Admiranda romanorum antiquitatum ac veteris sculpturae vestigia, Rom 1693 (2. Aufl.), Taf. 16, Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 5547 B Gross RES
Public Domain Mark 1.0Abb. 4: Relief mit Darstellung einer Isisprozession, in: Bernard de Montfaucon, L’Antiquité expliquée et représentée en figures, Bd. 2, Paris 1724, Taf. 116, Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 102 Gross RES::2,2
Public Domain Mark 1.0Abb. 5: Francesco Piranesi: Eingangstür des Isistempels, 1805, in: Antiquités de la Grande Grèce, Bd. 2, Paris 1804, Taf. 61 (Druck datiert 1805), Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 3656 A Gross RES::1-2
Public Domain Mark 1.0Bénédicte Maronnie
Einzelnachweis
1. Vgl. Cornelius C. Vermeule: The Dal Pozzo-Albano Drawings of Classical Antiquities in The Royal Library at Windsor Castle, in: Transactions of the American Philosophical Society 56, 1966, S. 34, Nr. 8518, Nr. 119, Abb. 112; Elena Vaiani/Simonetta Prospero Valenti Rodinò/Helen Whitehouse: The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo. Egyptian and Roman antiquities and Renaissance decorative arts, Serie A (Antiquities and Architecture), Teil 8, Bd. 1, London 2018, Nr. 44, S. 120f. (Helen Whitehouse).
2. Vgl. Stéphane Loire: Charles Le Brun à Rome (1642–1645): les dessins d’après l’Antique, in: Gazette des Beaux-Arts 136, 2000, S. 74–102, hier S. 98.
3. In beiden Zeichnungen, die aus dal Pozzos Sammlung und die von Le Brun, ist eine Flamme, die aus dem Gefäß des Priesters herauskommt, anstatt der Uräusschlange am Henkel zu sehen. Diese Fehldeutung könnte entweder darauf hinweisen, dass das Gefäß im 17. Jahrhundert an dieser Stelle zerbrochen oder anders restauriert war, oder aber als Indiz dafür stehen, dass Le Brun die Zeichnung aus der dal Pozzo-Sammlung (bzw. ein gemeinsames Vorbild) kopierte.
4. Vgl. Bernard de Montfaucons: L‘Antiquité expliquée et représentée en figures, Paris 1722, Bd. 2, Taf. 116 und S. 286f.
5. Vgl. Roberta Battaglia: Le „Diverse Maniere d’Adornare i Cammini…” di Giovanni Battista Piranesi: Gusto e cultura antiquaria, in: Saggi e memorie di storia dell’arte, 19, 1994, S. 191–273, hier S. 206.
6. Siehe Rodolfo Venuti/Giovanni Christophano Amaduzzi: Monumenta Matthaeiana, Bd. 3, Rom 1778, Taf. 26, Fig. II.
- Zeichenstil
Der Zeichner hat sich hauptsächlich für die Wiedergabe der Figuren interessiert, weniger für den zerbrochenen Marmorhintergrund, der lediglich schnell skizziert wurde. In der Ausführung der Körper sind, besonders in der Figur der Priesterin, die disproportional langen und muskulösen Arme sowie die ungeschickt gezeichneten Finger der geschlossenen Fäuste hervorzuheben. Die rohrförmigen vertikalen Falten der Gewänder wirken etwas geometrisch und verstärken somit den steifen Gesamteindruck, der schon das Marmorrelief kennzeichnet und in der Zeichnung noch betont wird. Die Gesichtszüge sind wenig individualisiert: Beide Figuren haben die gleichen horizontalen Striche als Augenbrauen, unter denen die Augen in einem Dreieck gezeichnet sind, eine vertikale Falte zwischen Nase und Mund, sowie die gleiche gerade Nase im Profil. Durch die Einführung einer Wangenfalte hat der Zeichner versucht, den Priester älter wirken zu lassen. Diese Details suggerieren eine junge und lernende Hand. Besondere Aufmerksamkeit verwandte er auf die Ausführung der Volumina und der Plastizität der Figuren: Vor allem rechts deutete er die Schattierungen mit einem dichten Strich entlang der Umrisslinien an und suggeriert damit den Lichteinfall von links.
Bénédicte Maronnie
- Zuschreibungshypothesen
Der Zeichenstil dieser beiden Blätter (IX 5159-36-8-7 und IX 5159-36-9-1) ist mit weiteren Karlsruher Zeichnungen vergleichbar (siehe Zeichnungsgruppe 9), darunter das Brustpanzerrelief mit kniender Figur im Kampf mit zwei Greifen (IX 5159-35-4-1). Das Gesichtsprofil und der breite Hals des Arimasp ähneln der Figur der Priesterin, auch die geschlossene Faust und die ungeschickt gezeichnete Beinposition erinnern an die hier besprochenen Blätter. Ferner verfügt das groß skizzierte Relief mit Venatio-Szene (IX 5159-35-9-2) über vergleichbare stilistische Charakteristika in der Körperausführung (vgl. u.a. die Hand der mittleren Figur und den hochgestreckten Arm der rechten Figur); die Schattierungen sind in gleicher Weise dicht an die Umrisslinien angelegt. Mit den hier besprochenen Figurenzeichnungen sind weitere Zeichnungen zu verbinden, die eine einheitliche Gruppe bilden. Eine davon ist das etwas naiv gezeichnete Relieffragment mit einem Knaben in einem Ruderboot (IX 5159-36-15-4), das die gleiche Ausführung der Schatten und Umrisslinien und dieselbe Starrheit aufweist. Die erläuterten stilistischen Merkmale können einer lernenden Hand zugeschrieben werden, vermutlich der von Laura, Francesco oder Angelo Piranesi, die sich in den 1770er Jahren noch stark entwickeln sollten.
Bénédicte Maronnie
- Merkmale des Papiers
Wasserzeichen:
Wappenschild mit zwei Schrägbalken, darüber Lilie, sog. „Strasbourg bend and lily“, darunter die Buchstaben VDL (Van der Ley); beschnitten, untere Hälfte von Zeichnung IX 5159-36-9-1Belege:
William A. Churchill: Watermarks in Paper in Holland, England, France, etc., in the 17th and 18th Centuries and their Interconnections, Rijswijk 1965, Taf. CCCXXV, Nr. 433 (Variante, in: Print, 1724).Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt; die ursprüngliche Bogenhöhe misst 493 mm; mittlere Stärke; Stegschatten; sehr nachgiebig; typische Merkmale der als holländisch identifizierten Papiere: Metalleinschlüsse (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt); ebenmäßige, fein strukturierte, leicht aufgeraute und matte Oberfläche (aufstehende, kurze Fasern) mit schwach ausgeprägter Filzmarkierung und gleichmäßiger, deutlicher Siebmarkierung; vermutlich gelatinegeleimt (UVF, Abb., zoomen Sie hier in das Blatt).
Durchlicht 2: Digitale Rekonstruktion des ehemaligen Zusammenhangs der beiden Zeichnungen, IX 5159-36-8-7 (horizontal gespiegelt) und IX 5159-36-9-1 Maria Krämer
- Merkmale der Zeichenmedien
Schwarze Kreide: Leicht bis kräftig aufgetragen; matter Strich; wo nicht vollständig deckend, vorwiegend in den Tälern der Papieroberfläche angelagert, daher im Gesamteindruck grauwertig erscheinend; unter Vergrößerung irisierende, rundliche Partikel.
Nicht zur Entstehung der Zeichnung gehörende Farbmittel: Flächige Rötelspuren recto.
Maria Krämer
- Zeichnerischer Prozess
Vollständig in schwarzer Kreide ausgeführt, kombiniert die Zeichnung lineare Konturen mit unterschiedlich dicht gefüllten Flächen. Das annähernd rechteckige Relief schließt oben und unten relativ gerade ab, rechts und links wird es dagegen von einer unregelmäßig schrägen Bruchkante des Steins gerahmt. Rechts ist diese als diagonale, womöglich in einem Zug ausgeführte, breite Zickzackschraffur angelegt. Der Reliefgrund ist mit senkrechten, mal feinen, mal breiteren Strichen in ungleichmäßigen Abständen schraffiert. Vor diesem Fond tritt die weibliche Gewandfigur hervor. Ihre ausgestreckte linke Hand verschmilzt durch ihre Beschädigung mit dem Reliefgrund, indem die Schraffuren teils über sie hinwegführen.
Insgesamt wirken die Linien zögerlich, viele wurden sorgfältig innerhalb der Konturen abgesetzt. Viele erscheinen zaghaft, an einigen Stellen jedoch breit und kräftig, etwa unter dem Ellenbogen und an der Schulter des Gewands. Haare wurden mit gespitztem Stift angedeutet, Schattierungen in breitem, kurzem Strich schummernd angelegt.
Maria Krämer
- Merkmale historischer Nutzung
An drei Kanten teils unregelmäßig beschnitten, oben gerissen; verso Klebepunkte mit anhaftenden Papierresten und gedünnte Ecken einer früheren Montierung; insgesamt verbräunt, fleckig.
Maria Krämer
- Prozesse historischer Nutzung
Das Blatt schloss früher an seiner oberen Kante an eine zweite Zeichnung IX 5159-36-9-1 an. Dies ist an den erhaltenen Risskanten und am geteilten Wasserzeichen erkennbar. Die Zeichnungen wurden auf den unterschiedlichen Seiten des Papiers ausgeführt. Möglicherweise wurde das Papier bereits im Verlauf des Zeichnens gefaltet: Um die bereits fertige Figur auf der unteren Hälfte nicht zu gefährden, könnte die obere Hälfte darüber gefaltet worden sein, so dass der Zeichner nun auf die leere Rückseite die zweite Figur zeichnen konnte. Denkbar ist angesichts des durch seitlichen Beschnitt schmalen Papierformats auch ein ursprünglich breiteres Blatt, dass womöglich weitere Figurenzeichnungen enthielt, worauf die skizzenhaft serielle Qualität der beiden Zeichnungen deuten könnte. Die Zeichnungen wurden vor ihrer früheren Montierung durch Falzen und Reissen des Papiers durchtrennt.
Montierungshistorie:
Ausgerissene Ecken sowie vereinzelte, heute stark verbräunte Klebepunkte entlang der Kanten belegen eine frühere Montierung, bei der die Zeichnungen bereits getrennt und im heutigen Format zugeschnitten vorlagen.
Maria Krämer
Schlagwörter
- Marmor
- Relief
- Holländisches Papier
- Pieter van der Ley
- Zaan
- Piranesi-Werkstatt
- Wasserzeichen
- Schwarze Kreide
- Fragment
- Isisprozession
- Palazzo via de‘Funari
- Asdrubale Mattei
- IX 5159-36-8-7
- Fragmentiertes Blatt
- Sammlung Mattei
- Stilistische Gruppe 09
- Weibliche Figur
- Strasbourg bend and lily (Beizeichen: VDL)
- Van der Ley, Zaan-Distrikt
GND-Begriffe
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