Köpfe eines zweiköpfigen Kalbes in Frontal- und Rückansicht

Seltsam mutet dieses Blatt unter den übrigen Zeichnungen der Klebebände an. Handelt es sich bei diesem doppelköpfigen Kalb auch um ein antikes Objekt oder wurde diese „Laune der Natur“ nach einem real existierenden Tier radiert? Auf den ersten Blick fällt die Unterscheidung nicht leicht.

Werkdaten

Künstler

Filippo de Grado (nach 1715-1792)
Ort und Datierung

Neapel, 1745
Abmessungen (Blatt)

72 x 119 mm
Inventarnummer

IX 5159-35-19-6

Das Werk im Detail

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Bildgegenstand und ikonographische Bedeutung

Zuschreibungshypothesen

Der hier nur fragmentarisch erhaltene Kupferstich stammt aus der 1745 in Neapel gedruckten Abhandlung Lezione di Michelangiolo Ruberti dell'Accademia delle scienze sulla testa mostruosa d'un vitello, für die Filippo de Grado die Vorzeichnung und den Stich lieferte (Abb. 1). Vom Karlsruher Blatt ist das zuunterst vollständig wiedergegebene Tier jedoch abgetrennt worden, lediglich an der oberen und rechten Blattkante lassen sich Reste der schwarzen Einfassungslinie des Druckbildes erkennen. Wie das Blatt in die Motivsammlung Giovanni Battista Piranesis gelangte, ist nicht bekannt. Allerdings dürfte er ein Interesse an der monströsen Kopfform dieser „Laune der Natur“ gehabt haben, finden sich doch ähnliche Motive auch an seinen Marmorkompositionen.

Digitalisat der Seite 10 aus Lezione di Michelangiolo Ruberti dell'Accademia delle scienze sulla testa mostruosa d'un vitello. Der Kupferstich zeigt im oberen Bereich die zwei Köpfe eines doppelköpfigen Kalbs, in der unteren Hälfte das ganz Tier in Seitenansicht. — **Abb. 1:** Filippo de Grado, Kupferstich aus *Lezione di Michelangiolo Ruberti dell'Accademia delle scienze sulla testa mostruosa d'un vitello*, Neapel 1745, Biblioteca Nazionale di Napoli, Inv. MILE036674.
Digitalisat
su concessione del Ministero della cultura © Biblioteca Nazionale di Napoli

Vielleicht bestand auch eine Verbindung zu Piranesi durch den Zeichner und Stecher des Blattes, den 1728 in eine neapolitanische Kupferstecher-Familie geborenen Filippo de Grado.^[1] Dieser müsste bei Erscheinen dieses Drucks 17 Jahre alt gewesen sein. Später stach er in hoher Qualität für Pierre-François d’Hancarville einige Vignetten der 1766-1767 auf englisch und französisch erschienenen Collection Of Etruscan, Greek, And Roman Antiquities aus der Sammlung William Hamiltons in einer Piranesi rezipierenden Weise.^[2]

Ob die schwer leserlichen Beschriftungen der Rückseite auf italienisch (IX 5159-35-19-6v) einen Bezug zu dem Kupferstich aufweisen, ist unklar. Sie sind vor dem Zuschnitt des Blattes auf die heutige Größe entstanden; ihre ungelenke Handschrift könnte auf Schreibübungen hindeuten.

Georg Kabierske

Einzelnachweis

1. Der Großvater war Francesco de Grado, der Vater Bartolomeo de Grado. Siehe auch Philipp H. Külb: Grado, in: Herman Brockhaus (Hg.). Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge, Erste Section, A-G, Band 78, S. 43f. Bénédicte Maronnie wies darauf hin, dass ein Filippo de Grandis zudem für die Piranesi-Familie mindestens ab 1780, vermutlich aber auch früher, als Drucker („stampatore“) arbeitete und in der Nähe des Palazzo Tomati wohnte (siehe Rom, Archivio storico diocesano, Stati delle anime, Sant’Andrea della Fratte, u.a. Jahrgang 1780, fol. 32). 1782 erbte dieser von Angelo Piranesi auch eine Druckpresse (siehe Rom, Archivio di Stato, 30 NC, uff. 7, Poggioli, vol. 428, fol. 234). Nach den Registern der „Stati delle Anime“ - in denen das Alter der Einwohner (oftmals jedoch unpräzise) angegeben wird, müsste dieser Filippo de Grandis um 1748 geboren sein, wäre demnach nicht dieselbe Person. Der ähnliche Familienname und die Tätigkeit als Drucker könnten jedoch auf eine Verwandtschaft mit der Stecher-Familie De Grado hinweisen.

2. Pierre-François Hugues d’Hancarville, Collection of Etruscan, Greek, and Roman Antiquities, from the Cabinet of the Hon. W. Hamilton his Britannick Maiesty's Envoy Extraordinary and Plenipotentiary at the Court of Naples, 4 Bände, Neapel 1766-1767, z.B. Bd.1, S. 72 u. 73.

Merkmale des Papiers
Ohne Wasserzeichen
Herstellungsmerkmale:
Ungefärbt; dünne Stärke, gleichmäßige, im Durchlicht gut erkennbare Siebstruktur; ebenmäßige Oberfläche.
Kommentar zur Radierung
Beim Drucken sind die Druckplatte und das Papier auf der rechten Seite leicht zueinander verschoben worden, sodass das Druckbild etwas unscharf erscheint (Detail 1).

Detail 1: Auflicht
Kalb (rechts), leicht verschobenes Druckbild
Maria Krämer
Prozesse historischer Nutzung
Das Blatt zeigt keine eindeutigen Anzeichen einer früheren Montierung, obwohl kleine Ausrisse an den beiden linken Ecken sowie ein etwa 1,7 cm langer Einriss dafür sprechen könnte, dass das Blatt von früheren Klebepunkten befreit und beschnitten wurde. Für eine frühere Nutzung sprechen auch Knicke und abgestoßene Kanten, die durch eine frühere Handhabung entstanden sein müssen. Entlang der Knicke finden sich Rötelablagerungen (siehe UVF, Abb.; zoomen Sie hier in das Blatt), die auch auf eine Werkstattnutzung hindeuten.
Maria Krämer
Einzelnachweis
1. Der Einriss wurde mit Weizenstärkekleister und Japanpapier gesichert.

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